12. November 2010



Soll ich was Neues schreiben? Schnell noch einen Eintrag machen? Na gut. aber nur ganz kurz. Ich bin fertig und dachte über den Begriff fertig nach.

Wenn ich jetzt zum Beispiel nur bloggen würde: "Ich bin fertig." Da gäbe es allerhand Interpretationsspielraum. Was meint sie denn nun? Finished - ready - exhausted? Von allem ein bißchen. Aber am wenigsten das Letztere. Finished meine ich. Wollen wir mal nicht so hoch hängen. Ich hatte eben viel zu tun und bin gerade damit fertig geworden. Mit einer Etappe meines sagenhaften Lebenswerkes. Bald wieder Mitternacht. Überlege, ob ich morgen Vormittag ins Delphi zu Thomes Teampremiere seines neuen Films gehe. Ich lese in den letzten Wochen wieder ab und zu in seinem Blog, das mir eigentlich mehr zusagt, als sein Filmschaffen. Wahrscheinlich der einzige Filmemacher, der von der Idee bis zum Drehbuch, über die Dreharbeiten, bis zum Schnitt und die Premiere das Entstehen eines jeden seiner Filme akribisch online dokumentiert. Parallel schreibt er ein halb privates Tagebuch im Netz, das er jüngst mit der Überschrift Blog ergänzt hat. Für einen Siebzigjährigen hält er sich höchst respektabel auf dem Laufenden. Ich habe sein Online-Schaffen vor ein paar Jahren entdeckt und neugierig verfolgt, dann lange gar nicht gelesen. Jetzt gucke ich wieder ab und zu. Hanns Zischler hat auch wieder mitgespielt. Keine Ahnung, ob der da ist. Aber um ehrlich zu sein, habe ich Probleme mit den mich mit einer gewissen Regelmäßigkeit befremdenden Dialogen in seinen (also Thomes) Filmen. Müsste ich außerdem ziemlich früh aufstehen. Ist ja in Charlottenburg. Um 11 vormittags im Delphi. Falls jemand Lust hat. Einfach hingehen. Da passen 700 Leute rein. Danach gibt's Prosecco. Ich trinke ja nicht so gerne, wenn es noch hell ist. Vielleicht geht Jan ja hin, hab ihm vorhin noch eine Mail geschickt. Ach was soll ich da. Ist doch Quatsch.

10. November 2010



Eine meiner anstrengendsten Eigenschaften ist, dass ich bei Menschen, die mir nahe stehen, und denen ich Bewusstsein unterstelle, jedes Wort und jede Handlung auf die Goldwaage lege. Unerbittlich. Nur bei Tipp- und Kommafehlern und von Geburts wegen mangelnder Begabung bin ich großzügig. Allerdings ist die Bedingung, mir überhaupt über einen längeren Zeitraum nahe stehen zu dürfen, mein wiederholter Eindruck von selten hochgradiger Eloquenz, gepaart mit überdurchschnittlichen Wahrnehmungsfähigkeiten. Wer die Aufnahmeprüfung geschafft hat, ist quasi fortan im Prüfungsstress. Es sei denn, und das ist der Idealfall, jemand wäre, in mir vergleichbar virtuoser Weise, gestreng mit sich selbst, dann ist alles ganz entspannt. Ja geradezu ein Osterspaziergang - um nicht zu sagen ein Vergnügen. Da trennt sich die Spreu vom Weizen. Das ist eigentlich eher der Haken. Ich bin schnell verärgert, wenn jemand unter seinen Möglichkeiten, unter seinem eigenen, von Geburts, Talent oder Intelligenz wegen möglichen, Niveau agiert. Schlampig formulierte Inhalte, unangemessene Adjektive, leichtfertige Handlungen. Halbe Sachen. Laue Aussagen. Indifferente, beliebige Phrasen. Viel Gerede, keine Handlung. Handlungsinkonsequenz. Das macht mich fuchsteufelswild. Ich verstehe es einfach nicht und es langweilt mich. Wenn man gelegentlich schwerst betrunken oder bekifft ist, ist man natürlich vorübergehend entschuldigt. Oder wenn man krank ist. Aber wenn man gesund und nüchtern ist und alle Sinne beisammen hat, niemals. Das ist Schlamperei. Insofern ist für mich ein dauerhafter Kontakt zu Alkoholikern und anderen regelmäßigen Drogen-Usern sowie sonstigen zu Abstürzen neigenden Psychotikern nicht von Interesse (seltene, genialisch hochbegabte Ausnahmen - die mir bislang nicht bekannt sind - ausgenommen). Ich bin wahrscheinlich insgesamt intolerant, wenn es um gestreute Aufmerksamkeit geht. Zerstreute, zerfaserte Aufmerksamkeit. Das hat gleichermaßen mit Respekt vor dem Gegenüber oder für eine Aufgabe und Qualitätsanspruch zu tun. Konzentration und Fokussierung der Energie auf eine Sache, ermöglicht ein vorzügliches Ergebnis, anstatt eines mittelmäßigen Resultats. Egal, worum es geht. Zerstreuung bedeutet, hier ein bißchen Kraft und Einsatz und dort ein bißchen. Überall so ein bißchen. Aber nichts so hundertprozentig. Das widerstrebt völlig meinem eigenen Charakter. Befremdet mich zutiefst. Können andere gerne praktizieren, aber bitte ohne mich jemals einzubeziehen. Hingabe ist mit Unkonzentriertheit unvereinbar. Ich meine nicht intellektuelle Konzentration, sondern kanalisierten, konzentrierten Fluss der jeweils dominant geforderten Energie. Schlaf, Liebe, Wut, Andacht, Albernsein, Mut. Und dann wird alles gut.

10. November 2010

Es ist spät. Wenn im eigenen Blog schon die Buchstaben verschwimmen und man als Überschrift des letzten eigenhändig verfassten Kommentars Königsberichterstattung (statt Kriegs-) liest, und das auch nicht weiter komisch findet. Dann ist es spät. Bis morgen.

09. November 2010

Post aus Konstantinopel. Eine alte Postkarte von 1925. Wie selten man noch Postkarten erhält. Und Briefe. Ich habe mich daran gewöhnt, kaum noch etwas zu schreiben, was man in seiner Vertraulichkeit als Brief bezeichnen könnte. Nicht nur nicht auf Papier. Wieviele Briefe ich früher schrieb. Später Mails. Das ist alles vorbei. Es wurde irgendwann, vor zehn Jahren zu einer besonderen, sehr persönlichen Form des Austausches für mich, mit einem auserwählten Menschen. In ähnlicher Intensität und noch größerer Dichte erlebte ich es später noch einmal. Für mich bedeutete das jeweils einen großen Vertrauensbeweis. Mich in Worten anzuvertrauen. Unbegrenzt und unzensiert. Und das Gefühl zu haben, dass das was ich mitzuteilen habe, egal wie banal, egal wie abgründig, egal wie sentimental, willkommen sei, war ein sehr schönes. Ein sehr schönes Gefühl. Ich habe mich daran gewöhnt, dass sich alles verändert hat. Und es gibt keine einfache Geste, um den verlorenen Faden aufzuheben. Der Faden ist zerrissen. Schmerzhaft. Es fehlt ein Stück dazwischen. Und ich kann das Ende meines Fadens nicht mehr wiederfinden. Weil ich aufgehört habe, auf den Boden zu starren, an dem ich das Ende verlor.



Mein Postfach. Es macht mir Angst. Ich habe Angst vor dem Posteingang. Deshalb habe ich mich seit gestern, irgendwann um zweiundzwanzig Uhr nicht mehr eingeloggt. Weil man sich unhöflich und gemein vorkommt, wenn man nicht antwortet, sollte man Post haben. Deswegen. Ich fürchte mich davor, dass mich ein vertrauter Ton erinnert. Ich fürchte mich vor der Wärme einer vertrauten Redewendung. Vor dem Pingpong. Vor dem, an das ich mich gerade gewöhnt habe, dass es nicht mehr existiert. Und was ich nun versuche, aus der Ferne zu begreifen. Die Nächte, die ich darüber schlafe, helfen mir. Jeden Tag ein paar Millimeter. Weiter, ferner. Weniger schmerzhaft. Ich schreibe das aus Höflichkeit. Weil mir vielleicht jemand geschrieben hat. Und ich nicht mehr antwortete. Alle meine Antworten sind hier. Hier kann ich furchtloser schreiben. Ich muss keine Angst haben, dass meine Sentimentalität geohrfeigt wird. Bei filigranen Offenbarungen kann ich einfach die Kommentarfunktion abstellen. Es hilft mir, mich über dieses Blog zu artikulieren. Ich will es gar nicht persönlicher. Keine mitfühlenden Mails, die ich aufmerksam beantworten müsste. Wahrscheinlich kann ich gerade mit keiner Form von gut gemeintem, in Worten artikuliertem Mitgefühl umgehen. Es ist auch kein schönes Gefühl, einen Bogen um das eigene Postfach zu machen. Weil keine Karte aus Konstantinopel drin sein wird. Etwas Banaleres vielleicht. Davor fürchte ich mich sehr. Und vor dem Gegenteil ebenso. Für mich zählen nur nur noch Weltwunder. Neue Horizonte. Was ich erlebte, soll sich nicht wiederholen. Das Schöne habe ich bewahrt. Ganz tief im Herzen. Und alles andere will ich vergessen. Ich will die Novembersonne spüren. Ich hab den November immer geliebt. Mein dunkler Frühlingsmonat. Zeig mir deine Sonne. Dieselbe, die immer wiederkehrt. Ewig neu. Ewig neu und jung.



Heute morgen in der S-Bahn dachte ich plötzlich unvermittelt an ein fürchterliches Interview, das Lou Reed dem Magazin Galore gab. Das unsympathischste, bizarrste Gespräch, das wohl je von einem Journalisten mit einem respektablen Rockstar geführt wurde. Lou Reed, den ich als Musiker, Singer Songwriter seit rund dreißig Jahren sehr schätze, gab seiner Antipathie dem Fragesteller gegenüber freien Lauf. Das ist zum Teil auf kuriose Art witzig aber auch von erschreckender Arroganz. Lachen musste ich, als ich las, wie er eindringlich bohrend nachhakte, auf welcher Anlage von welchem Hersteller der Frager Reeds neueste Platte gehört hatte, um zu beurteilen, ob er, der das Interview führende Journalist, die Qualität seines Meisterwerkes überhaupt adäquat einschätzen könnte. Eine anspruchsvolle Haltung, warum aber auch nicht. Ich klappte das oberlehrerhafte, lustlose Interview dann, vor sechs Wochen irgendwann, leicht befremdet zu. Wenig später las ich irgendwo im Internet, dass Lou Reed seine langjährige Gefährtin Laurie Anderson nach ewigen gemeinsamen Zeiten vor zwei Jahren geheiratet hat. Ich sah Fotos, die beide zeigten, als Paar. Das rührte mich wieder und ich vergab Lou Reed das doofe Interview. Und aus irgendeinem Grund ging mir heute morgen durch meinen lädierten Kopf (weinen + Wein das lass sein), dass die beiden ja schon über Sechzig waren, als sie heirateten. Alte Leute. Rentenalter. Und dass sie gar nicht wie Rentner ausschauen, auf den schönen Bildern. Das hat mich irgendwie gerührt. Vielleicht hat das nichts mit dem zu tun, was da oben steht. Aber eigentlich hat alles miteinander zu tun.

09. November 2010



Stärke. Scheu. Und Angst vor innerer Rührung. Und Erinnerung. Erinnert werden. Wächst meine Kraft trotz oder wegen des Alleinseins? Oder unabhängig davon? Man übernimmt vielleicht mehr Verantwortung für die Stunden, die dann gut gewesen sein sollen. Wenn man sich an sie zurück erinnert. Dereinst. Obwohl... ich glaube, ich übernehme immer ein Gefühl der Verantwortung. Das habe ich immer versucht. Die Zeit, egal ob allein oder zu zweit, nicht unaufmerksam verstreichen zu lassen. Im Gegenteil. Gerade weil ich so sehr darauf bedacht war, den Augenblick auszukosten, und das meine ich wörtlich, ganz bildlich, verblieb ich freien Willens an Orten, Plätzen, Stunden, die mir ohne mein Gegenüber nichts bedeutet hätten. Rein gar nichts. Bis auf drei Ausnahmen vielleicht. Ein lange geliebter Ort, den ich auch oft alleine aufsuchte. Ein neuer, versteckter Ort, den ich kurz davor alleine kennenlernte. Ein alter geliebter Ort, der mir neu war, den ich liebte, wiedererkannte. Es gab ein Bild davon, das ich im Herzen bewahrte, bis ich dort sein würde. Und ich fand ihn. Für kurze Zeit.

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