Den Apfelbaum schütteln. Von oben, von meinem Fenster sieht er so klein aus. Aber von unten, auf der Wiese muss man nach oben schauen, um die Äpfel zu sehen. Sie hängen hoch. Man kann nicht einfach den Arm ausstrecken. Oder warten, bis sie ins Gras fallen. Der Baum ist noch jung. Zum ersten mal ist er mir aufgefallen, als ich am zweiten September aus dem Fenster schaute. Er ist mitten auf der Liegewiese am Gipsdreieck. Auf der Wiese bin ich nie, weil ich meinen sonnigen Platz hier oben habe, wo mich keiner sieht, aber ich gucke immer mal runter, wer gerade so Picknick macht. Ein Apfelbaum ist etwas besonders Schönes, finde ich. Im Garten meiner Eltern stehen fünfzehn Apfelbäume. Vielleicht sind es jetzt auch mehr. Als Kind hab ich sie einmal gezählt. Äpfel hab ich immer zuhause. Ich esse das Kerngehäuse immer mit. Ratzeputz.
September. Septembermond. Samstag, vierter September 2010. Kurz bevor ich das Haus verließ. Ich glaube, ich ging nur Sachen kaufen, die man so braucht. Nichts weiter. Die vielen sich wiederholenden Bewegungen und Schritte und Griffe, die später das Leben gewesen sind. Die Stunden, Zeiten ohne tiefere Blicke, das ganze Dazwischen. Briefkasten und Supermarkt. Tomaten und Klopapier. Im Sparmarkt in der Großen Hamburger gibt es jetzt einen großartigen Côtes du Rhône. Bio steht drauf. Aber deswegen ist er wahrscheinlich nicht so gut. Die Bio-etikettierten Weine die ich bis jetzt getrunken habe, waren nicht bemerkenswert. Aber der trinkt sich wie Glück. Marquis de Valclair steht kleingedruckt auf dem Etikett. Ich kaufe jetzt immer gleich ein paar Flaschen. Ich erinnere mich an die nette Kassiererin, die wissen wollte, ob das ein Wochenendeinkauf sei. Sie meinte gar nicht den Wein, sondern all die anderen Sachen. Es war ja Wochenende und so sagte ich "Ja - !" Sie staunte und wiederholte die Frage etwas differenzierter, ob das 'nur' für das Wochenende wäre. Ach so... "Nein, das ist schon für ein bißchen länger, das wäre ja ein bißchen viel sonst..." Ich gehe ja lieber nur einmal die Woche alles kaufen, was man so braucht. Von Kleinigkeiten abgesehen. Weiß nicht, warum sie sich so interessierte für meinen Einkauf. Ich packte meine Tüten, ein bißchen an der Seite neben dem Eingang. Sie kassierte weiter und guckte immer wieder zu mir rüber. Ob die drei Tüten denn reichen würden? "Aber ja!" "Sicher?" grinste sie. Ich grinste zurück. Sie war hübsch. So eine freche Berliner Pflanze mit großem Pippi-Langstrumpf-Mund und langen blonden Haaren. Im Schulmädchenreport hätte sie ein schwedisches Au pair-Mädchen mit gesundem Appetit auf alles Erdenkliche spielen müssen. Zuhause dachte ich wieder darüber nach, woher dieser Quatsch kommt, dass Berliner angeblich unfreundlich wären. Zu mir war noch nie einer unfreundlich. Im Gegenteil. Und ich hab nicht meine Krone auf dem Kopf, wenn ich einkaufen gehe. Wieder ein Blogeintrag fertig. Noch ein Schluck Rotwein und dann rüber in die Höhle.