Neuer Tag, neues Glück. In der S-Bahn zwei Freundinnen. Mussten gegenüber sitzen, weil keine zwei Plätze nebeneinander frei waren. Die sahen sich die ganze Zeit so intensiv in die Augen, dass ich dauernd hingucken musste. Ein Verständigungsspiel, weil sie über die Distanz keine intimeren Gespräche führen wollten. Ich sah immer nur die Eine gegenüber. Was für eine Wahnsinns-Energie da in den Augen war. Das ist genau dieses Orgon-Dingens, von dem Reich spricht. Genau das. Man konnte die Berührung der beiden über die Augen sehen, beinah greifen. Wie ein glühender elektrischer Draht. Nein - Starkstromkabel. Wahnsinn. Toll. Guter Morgen.
Wir sahen die alte VHS-Cassette mit Antonionis Blow up wegen der Shooting-Szenen mit Veruschka, die ich liebe (Vera, nicht die Filmszenen) und die Jan immer fotografieren wollte, so oft er sie bei Eröffnungen traf. Und danach noch diese Doku, die auch bei ihrer Ausstellung in der Newton Foundation lief. Das letzte Mal, dass ich einen der beiden Fernseher anhatte. 17. Mai 2008. Es gab eine Reihe verrückter Bilder, die nicht einmal ich je richtig sah. Mit David Hemmings auf dem Fernsehschirm, der über Veruschka kniet und sie fotografiert und davor etwas mehr als mein nackter Oberschenkel, über dem diagonal der Riemen meiner Canon lag.
Bevor ich die Küche vom Frühstück aufräumte und mich anzog, um mich auf den Weg zu Sakamoto zu machen, wo Poetryclub spielte. Später, aber nicht zu spät. Um 21:25 Uhr war ich da. Das kann ich in den Metadaten des ersten Fotos, das ich dort machte sehen. Jan kam auch, etwas später. Ich erinnere mich sehr genau.
Ich hatte das Plakat mit dem merkwürdigen Format bei Sebastians Schlägerei am 26. April gesehen und mich davor fotografiert, um es nicht zu vergessen. Ein Denkzettel. Ich spürte, ich muss da hin, obwohl ich nicht mehr darüber wusste, als auf der Ankündigung der Website von Sakamoto stand. An diesem Abend regnete es. Ich nahm den kleinen schwarzen Schirm, obwohl mir Schirme auf die Nerven gehen, weil sie eine gewisse Aufmerksamkeit verlangen.
Die Bühne lag links vom Eingang, direkt vor der großen Glasfront. Ich sah die Musiker im Profil. Und das Publikum von vorne. Bezahlte, bekam einen Stempel von der kleinen Yoko, Marikos Tochter. Ganz hinten links erkannte ich Sebastian. Ich holte ein Bier und fand einen Platz nah an der Wand, gegenüber der Bühne.