30. September 2019

Der Countdown läuft. Schon wieder vier Jahre her. Heute 14:30 zweites Ganzkörper-MRT in Bln. Buch. Hoffe, ich halte 1 Std. still.

28. September 2019

Happy Birthday, B. B.

28. September 2019

Noch ein paar Bilder...

19-09-20 Vorwurfsmaschine Lettrétage (1)

27. September 2019



Es folgt ein langer Eintrag. Was man in dem Video von der Lesung, das ich gestern gepostet habe, nicht sieht, ist was vor und nach der Lesung passiert ist (für ungeduldige Leser: am Pikantesten sind die letzten beiden Absätze). Ich führe nachfolgend u. a. aus, wie es dazu kam, dass ich Lydia auf der Bühne begleitete und wie sich das Ende des Tages im "Schmutzigen Hobby" gestaltete.

Lydia und ich sind sehr gut befreundet und einige Sätze aus diesem Theaterstück wurden schon einmal bei einer privaten Lesung im Frühjahr 2018 vorgetragen. Damals hatte die Rolle von Frau 2 Irina Rosanowski gelesen, eine gemeinsame gute Freundin, die im Oktober 2018 mit nur 37 Jahren an einer gemeinen Krankheit starb.

Lydia hatte der Lesung im Lettrétage schon vor Monaten zugesagt und wählte wohl erst später den Text aus. Eigentlich könnten noch mehr Stimmen die Rollen lesen, aber das erfordert noch mehr Abstimmung und Übung als zu zweit. Sie fragte mich spontan, ob ich es mir vorstellen könnte, mit ihr gemeinsam aufzutreten, gar nicht so lange her, erst Anfang September, und ich sagte gut gelaunt zu. Ich habe nur Hemmungen auswendig Gelerntes auf einer Bühne zu präsentieren, wenn ich ablesen darf, kenne ich keine Grenzen. Also kaum. Ich war schon als Kind eine Leseratte und muss auch nicht zwanzig mal überlegen, wie ich etwas betone. Wir trafen uns auch nur zweimal zum Proben, es wurde einiges zusammengestrichen, ich machte Lydia teilweise verrückt mit meinen Einlassungen, welche Sätze mir befremdlich seien. Total unprofessionell, da Lydia aus meiner Sicht die Regisseurin der Sache war, schon klar, aber immer im Interesse der Performance gedacht. Ich kann halt den Kopf nicht abschalten und bin eine schlechte Erfüllungsgehilfin, wenn ich nicht hinter der Sache stehen kann. Nun konnte ich aber dahinterstehen und freute mich. Die Sache mit den hochgehaltenen Schildern fußt auf dem Zitatrecht. Lydia hat im Stück Zitate von Heiner Müller und dem Philosphen Marcus Steinweg eingestreut. Mir erschien es holprig, vorlesend dauernd Fußnoten mit Urheberverweis zu machen, die genaue Herkunft lässig unter den Tisch fallen zu lassen, fand ich aber auch nicht die feine Art. Da kam mir die Idee mit den hochgehaltenen Schildern, einer Kenntlichmachung ohne den Lesefluss zu unterbrechen. Somit konnte keiner unterstellen, dass sich die Autorin mit fremden Federn schmückt.

Am Abend der Lesung hatte ich vorher einen wichtigen Termin, der unverschiebbar war. Ich eilte mit fliegenden Fahnen von der Besprechung nach Hause, bastelte noch fünf weitere Schilder (u. a. die Pippi-Herzchen) und rannte zum Taxistand in der Rosenthaler Str., wo ich, seit ich denken kann, noch nie länger als eine Minute auf ein Taxi warten musste. Aber es war wie verhext. Es war Freitag gegen 18:30 nach der großen Klima-Demo und ich wartete zehn Minuten, bis ich entschied, die Straßenseite zu wechseln, weil alle Taxis, die frei waren, in genau die andere Richtung unterwegs waren. Normalerweise schafft man es bei flüssigem Verkehr in fünfzehn Minuten zum Mehringdamm, wo die Lettrétage ist. Aber durch die vielen Absperrungen wichen ganz viele Autofahrer auf dieselbe Route am Tempelhofer Ufer aus, die wir auch nahmen. Stockender Verkehr, zähflüssig wäre übertrieben. Man stand fast nur. Eine unendlich lange dreiviertel Stunde Stop and Go. Ich hatte zum Glück darum gebeten, dass wir als Letzte lesen und mich für worst case 20 Uhr angekündigt.

Ich war dann kurz nach Halbacht in Kreuzberg, fast eine Stunde von Mitte nach Kreuzberg unterwegs! Ich eilte möglichst diskret durch den hinteren Zuschauerbereich, es wurde schon gelesen. Aus dem Augenwinkel sah ich Jenny und Fabian und hoffte, dass noch andere Freundinnen gekommen waren. War zu meinem Bedauern nicht der Fall. Es war recht gut besucht, keine leeren Reihen. In einem Hinterzimmer zog ich mir die Jacke aus und holte die Schilder und das Skript raus, winkte Lydia nach hinten und wir stimmten und kurz ab. Dann ging es auch schon los.

Gerne hätte ich danach in dem schönen Restaurant Schmelzwerk in den nahen Sarottihöfen gegessen, aber es stellte sich heraus, dass man die Räume nur privat anmieten kann, mit allem Drum und Dran. Dafür haben wir an einer der Wände im Innenhof einen riesigen Sarottimohr bewundern können.

Wir landeten in einem nahen italienischen Ristorante und ich teilte mir mit Lydias Freundin eine vegetarische Pizza, die sehr gut war. Ich hätte aber auch eine ganze verdrücken können. Habe mir dann noch ein kleines Törtchen als Nachtisch bestellt, sehr liebevoll präsentiert. Sah tausendmal besser aus als der Nachtisch neulich in der bejubelten französischen Brasserie, wo sich die Berichte mit Lobhudeleien auf die Küche überschlagen.

Mittlerweile hatten sich uns zwei junge Männer um die Dreißig angeschlossen, die uns ihren Plan unterbreiteten, anschließend noch in ein Lokal namens "Clash" zu gehen, so ein Hard Rock Schuppen, wo man das eigene Wort nicht versteht, und dubiose Getränke auf der Karte stehen. Aber sympathisches Publikum. Nur die Kontakaufnahme gestaltete sich schwierig bis unmöglich. Jeder blieb in seinem Grüppchen und versuchte sich mit Zeichensprache, Geschrei und Händen und Füßen zu verständigen. Einer der beiden Jungs hatte zum Glück recht bald den Vorschlag, weiterzuziehen und einen Kumpel mit Auto vor den Club bestellt. Ein recht teures Auto mit toller Musikanlage, ich war beeindruckt. Der Fahrzeughalter sah auch recht gut aus und schien in der gleichen Altersgruppe wie unsere neuen Bekannten zu sein.

Nun wurde zu flotten Rhythmen das RAW-Gelände in Friedrichshain angesteuert. Wir waren nun zu fünft. Vor dem ersten Club wurden wir abgewiesen, weil einer unserer drei Herren dort Lokalverbot genoss. Im zweiten Club wurde wie schon im ersten gefragt, welche Sprache wir sprechen. Ich war irritiert ob dieser Fragestellung und antwortete mit: "Wieso? Also ich kann ganz gut Deutsch, aber wir können uns auch auf Englisch unterhalten." Lydia fragte keck "Sprechen Sie auch Griechisch?". Der Türsteher fand das gar nicht lustig und wies uns strikt ab, er sah direkt ein bißchen beleidigt aus. Komische Sitten an den Türen heutzutage, dachte ich so bei mir. Beim dritten Club hielten wir artig die Klappe und warteten. Und warteten. Und warteten. Nicht etwa in einer Schlange, einfach so. Bis das salomonische Urteil erging, dass wir reindürften. Mittlerweile waren wir nur noch zu viert, der Junge mit Lokalverbot wollte dann auch zu keinen anderen Clubs mehr, vielleicht ist er auf dem ganzen Gelände aktenkundig und meines Erachtens war er auch pleite. Als wir drin waren, war ich dann überraschenderweise doch recht angetan. Eine gemütlich-schicke Einrichtung mit kleingerahmten alten Schwarzweißfotos, älterer Musik und vielen Sitzgelegenheiten. Sogar zwei Dancefloors, ich konnte mich gar nicht entscheiden. Das Publikum wirkte nicht unangenehm. Ich checkte erst nach einer Weile auf der Tanzfläche, dass da doch recht viele schwule Pärchen miteinander tanzten. Aber nicht nur. Ich fühlte mich sehr wohl, weil es eine ausgewogene Mischung von Heteros und Schwulen war, die miteinander Spaß hatten und vor allem super enthusiastisch tanzten. Richtig gut tanzende junge Männer darunter. Ich war in meinem Element! Auch wurde ich angesprochen. Ein besonders eifriger Tänzer hatte für sich entschieden, dass ich nun genug Freestyle getanzt hätte und packte mich immer wieder mal um Taille und an den Händen, um irgendetwas Disco-Fox mäßiges zu starten. Ich machte ein Weilchen mit, merkte aber, dass wir offenbar ein sehr unterschiedliches Rhythmusgefühl hatten.

Lydia tanzte mittlerweile auf dem DJ-Podest zwischen dem sympathischen schwulen DJ-Pärchen, das sich ab und zu heiße Küsse gab. Der Autofahrer, der uns kutschiert hatte, war kein so heißer Tänzer, er trat mehr oder weniger von einem Bein aufs andere und machte dabei sehr kontrolliert wirkende schaufelnde Handbewegungen, die mich nicht zu erotisieren vermochten. Ich tanzte dann regelmäßig an ihm vorbei, in alle Richtungen, mal mit dem und mal mit dem, was ihn zu der Bemerkung hinreißen ließ: "Läuft ja bei dir! Du bist ja ein richtiger Männermagnet!" Solcherlei Worte hatte ich schon lange nicht mehr vernommen, gerne höre ich mir noch weitere Anmerkungen dieser Qualität an. Nun winkte mich der andere junge Mann, der schon mit uns beim Italiener war, und die Idee mit dem Metal-Schuppen hatte, zu sich, mit der Bitte, ihm zu einer Sitzgelegenheit mit gut gepolsterten Kino-Klappsesseln zu folgen. Ich konnte eine Pause vom Tanzen vertragen und machte es mir gemütlich. Er nahm neben mir Platz und hob nun an, dass er beobachtet habe, dass ich "Klasse" hätte. Also "richtig Klasse". Auch was ich sagen würde, sei sehr stark beeindruckend und man würde die Überzeugung und Leidenschaft spüren, die aus meinen Worten spräche. Das sei ihm schon beim Italiener aufgefallen, als ich von diesem japanischen Pornofilm erzählt hätte. Hierzu möchte ich anmerken, dass ich von einem japanischen Film mit einer erotischen Szene bei einem Tätowierer erzählte, bei dem die Erotik nahezu ausschließlich durch die Mimik transportiert wurde. Ich betonte sogar mehrfach, dass es kein Pornofilm war. Aber bei dem jungen Mann blieb wohl nur das Wort "Pornofilm" hängen.

Alsbald eröffnete der junge Mann mir, dass er es für den passenden Zeitpunkt hielte, dass wir beide uns nun ein Taxi nähmen, um zu mir zu fahren. Ich erklärte ihm pädagogisch wertvoll, um ihn nicht zu verstören, dass ich am Liebsten alleine in meiner Wohnung aufwache, den darauffolgenden Tag eingeschlossen. Dieses wollte er nun nicht gelten lassen und fragte übergangslos, ob ich eine Katze beherberge. Er erklärte den Anlass der Frage mit seiner Katzenallergie. Ich bedauerte keine Katze zu haben, einziger Grund sei der fehlende Garten. Ich musste leider hart bleiben, versuchte aber dennoch keine trübsinnige Stimmung zu verursachen. Er machte ein längliches Gesicht und hielt dann Ausschau nach anderen Club-Besucherinnen mit hoffentlich mehr Interesse an seinem erotischen Verlangen. Insgesamt gefiel es mir sehr gut, einmal wieder nach Strich und Faden mit Komplimenten überschüttet zu werden, zumal von so jungen Männern. Ein direkt vor der Clubtüre stehendes Taxi hat mich dann gegen Halbsieben heimgebracht, es wurde schon hell. Ein ereignisreicher Tag war zu Ende gegangen und ein neuer angebrochen. Der Club hieß übrigens "zum schmutzigen Hobby". Gerne schwinge ich dort bald wieder einmal das Tanzbein!

26. September 2019



Wenn jemand Lust hat, zu gucken, was ich neulich am letzten Freitag mit Lydia Gebel bei der Lesung vorgetragen habe, hier sind ein paar repräsentative Ausschnitte. Hat sehr viel Spaß gemacht, ich denke, das machen wir noch mal. Wenn man mich lässt! Bedenkenswerterweise schreibe ich hier gerade den 4663. Blogeintrag, aber mich hat noch nie jemand in den letzten fünfzehn Jahren gebeten, zu lesen. Wahrscheinlich weil ich immer die Foto-Tante war. Hätte ich bei den Bloggerlesungen mitgemacht, wäre die Foto-Dokumentation in höchster Gefahr gewesen. Nur so kann ich mir das erklären. Ich schließe nicht völlig aus, dass ich demnächst im schönen Lettrétage lesenderweise etwas aus meinem Befindlichkeitsblog zum Besten gebe. Apropos Lesung, muss jetzt zu Alban, er liest gleich im Buchhändlerkeller in der Carmerstr. 1. Nix wie hin!

25. September 2019

Aus meinem goldenen Notizbuch XXXIII.
25. September 2019:

„S 7 (Richtung Bhf. Zoo), 9.20 Uhr, Ansage: „Achtung, Achtung! Dieser Zug fährt nur bis Grunewald!“ Klassenausflug im Abteil, nur Jungs, ca. 10 Jahre alt. Einer zu seinen beiden Klassenkameraden: „MIR EGAL! Ich will nur zum Ku’Damm! Ku’Damm ist toll!“ (ich denke: hm? Robuster kleiner Junge begeistert sich für schicke Gucci-Pucci-Mode-Designer-Schaufenster und so? Hä? Interessant.) Er weiter: „Auf dem Ku’Damm sind viele teure Autos!!!“

Aha. Hat mich mein Instinkt doch nicht getrogen, also doch kein Mini-Harald Glööckler. Das war so ein richtiger Junge-Junge. Wenn ich Kinder gehabt hätte, und hätte es mir aussuchen können, hätte ich gerne einen kleinen Hetero- und einen kleinen schwulen Jungen zusammen aufgezogen, da hätte ich am meisten gelernt, und die beiden Racker auch. Für’s Leben! Und dazu noch ein kleines Mädchen als Schiedsrichterin. Und vielleicht noch ein Kind vom dritten Geschlecht, auch toll. Solche Menschen sind glaube ich früher bei den alten Griechen als Gottheiten behandelt worden, weil sie beide Geschlechter und damit die Vollkommenheit der Schöpfung in sich tragen. Aber ich wollte jetzt nicht ausufernd in evolutionäres Philosophieren kommen, nur eine weitere putzige Beobachtung teilen.

Ich finde es gut, wenn sich der kleine Junge auf teure Autos einschießt, die sehen meistens schöner aus und haben die neueste Technik. Besonders pfiffig fände ich Autos mit Oldtimer-Karosserie, aber superduper umweltschonender Technologie, mir egal ob mit Elektro oder Solar oder Gemüsesaft betrieben, halt das Beste vom Besten! Das Stadtbild gewinnt auch sehr mit gutaussehenden Fahrzeugen. Mir gefallen so Autos wie Kim Novak eins in „Große Lüge Lylah Clare“ fährt, dieser cremeweiße Zwanziger Jahre-Rolls Royce (oder was das war), mit offenem Verdeck (wahlweise natürlich). Der kleine Junge und ich sind also gar nicht so weit voneinander entfernt. Und so ein Auto dann am Ku’Damm… grandios! Ich selber fahre ja nur S-Bahn und U-Bahn (und ab und zu Nachtbus oder Taxi oder bei einer Freundin mit), und das werde ich auch weiter so halten, sonst hätte ich ja keine solchen Geschichten für mein Goldenes Notizbuch mehr.

25. September 2019

Aus meinem goldenen Notizbuch XXXII.
23. September 2019:

„August-/Ecke Joachimstr., Mitte. Milchhalle/Hauseingang. Junger Mann erzählt draußen beim Kaffee guter Freundin, dass er ganz oft Blumen kauft und schenkt, auch ohne Anlass, weil er Blumen liebt. Aber er selber kriegt nie welche geschenkt. Nie, nie, nie. (enttäuscht…), und zu ihr: „Ja! Mach das!“ - als hätte sie gefragt, ob man einem Mann Blumen schenken kann.“

Ich muss gestehen, dass ich auch noch nie einem Mann Blumen geschenkt habe. Meine überwiegend heterosexuellen männlichen Freunde und Bekanntschaften oder auch frühere Liebhaber haben bislang kein besonderes Interesse an Pflanzen, geschweige denn Blumen gezeigt. Wenn es überhaupt Blumen oder Blumentöpfe gab, dann entweder in getrockneter Form, mal hier eine alte verblichene Rose, mal da ein anspruchsloses Geldbäumchen oder ein alter Kaktus oder Gummibaum, der auch nicht sonderlich gepflegt aus der Wäsche schaute. Das motiviert freilich nicht, sich mit Schnittblumen zu verausgaben, weder gekauften, noch gepflückten, noch geklauten. Der junge Mann am Kaffeetischchen, direkt neben meinem Hauseingang sprach so ganz leicht gedehnt, was ein Hinweis auf seine sexuelle Präferenz sein könnte, sein ganzes Lamento hatte schon etwas mädchenhafte Züge. Aber sehr süß. Ich war gerührt. Ich hatte meinen Hausschlüssel noch nicht griffbereit in der Hand, deshalb stand ich ein Weilchen am Hauseingang, bis ich ihn fand. Also keine Lauscherin an der Wand. Die Ohren funktionieren noch ganz gut. Da fällt mir ein, ich hab noch gar keine Auswertung von meiner Untersuchung bei der Charité. Hat das letzte mal vor vier Jahren aber auch einen Monat oder so gedauert. Ist ja immer ein sehr gutes Zeichen, wenn man nichts hört, also in diesem speziellen Fall.

19. September 2019

Herzliche Einladung!
DIE VORWURFSMASCHINE.
Eine Lesung mit Lydia Gebel und Gaga Nielsen.
20. September 2019, 19 Uhr. Lettrétage, Berlin.
Mehringdamm 61. 10961 Berlin



P.S. vor uns lesen noch zwei andere Autorinnen, wir legen gegen 20 Uhr los. Eintritt frei, es gibt Getränke!

16. September 2019

Aus meinem goldenen Notizbuch XXXI.
14. Sept. 2019:

"U 8 - "Berliner Fenster" (Fernseher an der U-Bahn-Decke)
"DROGEN-SPÄTI IN SCHÖNEBERG HOPSGENOMMEN"

Ok. Das ist ja einleuchtend. Es wurde nächtens nicht nur Snickers über den Tresen geschoben, sondern auch Riegel mit Pilzen, Koks etc. pp. Aber schreibt man "hopsgenommen" wirklich zusammen? Müsste es nicht richtiger heißen "hops genommen"? Auf jeden Fall eine sehr schöne Redewendung, die man viel zu selten in den Nachrichten hört und liest. Danke, Berliner Fenster fürs in Erinnerung bringen!

Diese U-Bahnfahrt am (mittlerweile vor-)gestrigen Samstag Nachmittag wurde durch mein Gewissen initiiert. Die Blümchen in meiner Werkstatt mussten gegossen werden, die Sonne gab noch mal alles. Aber ich holte auch eine bislang unbenutzte Trinkflasche aus Stahl, die mir die Charité neulich geschenkt hat, als Dankeschön für meine Bereitschaft, mich von Kopf bis Fuß untersuchen und ausmessen und befragen zu lassen.

Am 4. September 2019 hatte ich die zweite Untersuchung als Langzeit-Probandin (lebenslänglich, bis zu meinem Tod) für die Studie vom Bundesgesundheitsministerium zur Erforschung von Volks- und Zivilisationskrankheiten. Die Voraussetzung für die Teilnahme ist nicht, dass man eine solche Erkrankung hat, sondern dass einen der Zufallsgenerator ermittelt hat. So bei mir geschehen. Diesmal gab es neue Untersuchungen und neue Fragen. Ich musste zum Beispiel ganz viele Fragen zu meinen Musikhörgewohnheiten beantworten, wie oft, welche Musik, und ob ich selbst musiziere oder singe.

Ein ausgesprochen ansehnlicher dunkelblonder Medizinstudent mit sommerlich keck geöffnetem Hemd, das sein Brusthaar im Ansatz freigab, fragte mich dann auch noch recht intime Sachen, die aber von seinem Computer vorgegeben waren. Er hat meine gute Vorbereitung gelobt, da ich alles flüssig beantworten konnte. Auch musste ich Zahlenreihen, die der Computer vorsagte, rückwärts aufsagen. Bis zu 10 verschiedene Zahlen, auch zweistellige. Eine neunstellige hatte ich komplett richtig! Obwohl ich mir solche Sachen total ungerne merke, ich hasse Gedächtnisspiele wie die Pest! Es interessiert mich nicht die Bohne! Die Zahlen konnte ich mir nur deshalb teilweise so erstaunlich gut merken, weil ich fluchs Eckdaten meiner Biografie identifizierte. Als zum Beispiel die Zahl 86 mit in der Reihe war, konnte ich sie mir als das Jahr merken, in dem ich nach Berlin zog. Oder 21, als das Alter, in dem man früher volljährig war. Oder 45 für Kriegsende - ok, eher indirekt meine Biographie - usw. usf. Es waren aber auch immer ein, zwei Fehler bei den meisten meiner Reihen drin. Die fehlerlose 9-er-Reihe war eher Glückssache.

Ich musste auch offenlegen, ob ich Medikamente oder Drogen konsumiere. Ich gestand, dass ich hin und wieder Aspirin nehme, wenn ich qualitativ unzulänglichen Wein trinken musste. Damit waren beide Fragen beantwortet. Mein Lungenvolumen beträgt 5 Liter, obwohl ich nur 4,1 Liter benötigen würde. Ein Erfolgserlebnis für mich, da man mir noch vor zwanzig Jahren einen Lungenschaden und eine unterdurchschnittliche Lungenfunktion attestierte (ich hatte ca. vierzig Jahre Asthma, seit vierzehn Jahren spurlos verschwunden - Ernährung umgestellt). Seit ich keine Atemprobleme habe, rauche ich auch ab und zu mal gerne, aber unregelmäßig. Fällt nicht ins Gewicht. Der Augenhintergrund wurde auch fotografiert, der helle Blitz ist nicht schön, wenn ausgelöst wird, tut aber nicht weh. Die Fotos davon und die Auswertung kommt wieder per Post und am 30. September 2019 habe ich wieder ein Ganzkörper-MRT in Berlin-Buch, können nur Leute ohne Rückenprobleme machen. Ist im Grunde Folter. Eine ganze Stunde regungslos zu liegen und nicht einmal mit der kleinen Zehe zu wackeln, ist maximale Anstrengung. Grenzwertig! Aber eine tolle Untersuchung, die ich mir sonst niemals leisten würde. Hoffe, sie finden nix, fühle mich sehr fit. Toi, toi, toi!

Die Trinkflasche habe ich dann mit eiskaltem Champagner eingeweiht, den ich neulich geschenkt bekommen habe, und der Proviant für einen abendlichen Kinobesuch mit Jenny war. Wir haben uns den Gloria-Film mit Julianne Moore im Kant-Kino angeschaut. Danach in ein französisches Restaurant am Stuttgarter Platz, wo wir ein bißchen - nein falsch: sehr - vom Service der dort tätigen Dame enttäuscht waren. Eine erlesene Flasche Wein zu bestellen ist schon erwünscht, aber eingießen darf man dann selber. Wohl eine Fehlinterpretation moderner Zeiten, wie mir scheint. Aber der Abend war trotzdem schön, wir haben uns wie immer blendend unterhalten, unter anderem über die Unattraktivität des männlichen Hauptdarstellers, mit dem Gloria Küsse austauschen musste, und ich habe weitere Kapitel aus meinem vergangenen Liebesleben zum Besten gegeben. Wir sind aber noch nicht durch, demzufolge müssen wir uns noch für weitere Abende verabreden. Ordnung muss sein!

12. September 2019

In zwei Minuten (muss ganz bald schlafen gehen) schaffe ich keinen grandiosen Eintrag. Es gibt aber einen neuen Vermerk in meinem goldenen Notizbuch, und da Jens mich nun schon zweimal in den letzten zwei Wochen darauf ansprach, wann denn mal wieder ein Eintrag aus dem Goldenen Notizbuch käme, hatte ich gestern die Augen auf und fand etwas Bemerkenswertes. Wieder einmal in der S-Bahn, morgens.

Aus meinem goldenen Notizbuch XXX.
11. Sept. 2019:

"S 7 Hackescher Markt - Zoo
Klassenausflug (Jungs + Mädchen) belegen einen halben Waggon, 9 Jahre alt, 3 Freundinnen sitzen ganz eng, halten Händchen. Zu dritt! Und unterhalten sich + kichern. Die ganze Zeit die Patschhändchen zusammen, so süß!"

Zuerst dachte ich mir beim Betreten des Abteils so, ob das alles so angemessen ist, dass diese jungen gesunden kleinen Menschen mindestens die Hälfte aller Sitzplätze einnehmen, während ältere Zusteigende wie ich stehen müssen, ob sie übermüdet und vom Alkoholgenuss des Vorabends geschwächt sind oder nicht. Dann fand ich nachsichtig zu dem Gedanken, dass es die Aufpasserinnen oder in dem Fall Lehrkräfte (zwei Frauen) ja auch nicht leicht haben, die Rasselbande unter Kontrolle und im Überblick zu behalten, da ist das eine vereinfachende logistische Maßnahme. Ich erfreute mich dann an den zum Teil sehr hübschen und anmutigen jungen Menschen. Stellte zum Beispiel fest, dass mir trotz des sehr jungen Alters schon auffiel, wer mir als erwachsener Mann voraussichtlich mal vom Typ her gefallen könnte. Einen fand ich besonders interessant, auch die Haarfarbe gefiel mir.

Aber dann wanderte mein Blick in die andere Richtung, wo lauter Mädchen nebeneinander saßen. Immerhin haben sie sich so dicht hingesetzt, dass auf zwei Plätzen drei Mädchen Platz fanden. Sie hatten keinerlei Berührungsängste oder Animositäten untereinander. Bei Erwachsenen ist ja doch eher der Wunsch, leicht separiert vom Nachbarkörper zu sitzen, außer es ist eine sehr gute Freundin. Beim Geliebten ja sowieso, das muss nicht weiter erklärt werden. Was mir aber als so bemerkenswert auffiel, war das Händchenhalten von drei Freundinnen, die eifrig miteinander plauderten und kicherten und sich von Herzen gerne hatten. Die Selbstverständlichkeit, wie die beiden Mädchen rechts und links von der Freundin in der Mitte, ihre kleinen Hände auf die Hand der mittleren Freundin legten. Die ganze Zeit, so selbstverständlich, wie man es sieht, wenn ein Brautpaar heiratet, die Hände aufeinandergelegt werden, und der Priester zum Segen auch noch seine Hand auf die beiden legt. So sind sie durch Berlin gefahren. Von der Ost- in die Westcity, ganz selbstverständlich.

Unvorstellbar, dass drei erwachsene Freundinnen so in der S-Bahn sitzen würden. Schade eigentlich. Man wäre gleich im Blickpunkt und die Mitfahrer würden überlegen, ob man erotisch verbandelt ist oder in einer Sekte oder dergleichen. Es war ein schöner Anblick, so ein unschuldiger, inniger Ausdruck von Freundschaft. Weil ich neugierig war, wie alt die Kinder sind, habe ich mir gestattet zu fragen, welche Altersgruppe die Kinder sind, die eine begleitende Lehrerin stand direkt neben mir und tauschte sich mit der anderen über die Vorgehensweise beim Aussteigen am Bahnhof Zoo aus, welcher Teil der Kinder welchen Ausgang nehmen soll. Die Lehrerin beantwortete meine Frage nicht selbst, sondern nahm die Frage zum Anlass, die ihr am nähesten sitzenden drei Kinder zu fragen, wie alt sie sind. Sie wusste es bestimmt, aber wollte die Kinder einbeziehen. Zwei mussten ein bißchen überlegen, eine sagte "Neun!" Die anderen nickten dann. Also Neun. Manche vielleicht auch erst Acht aber bald Neun.

Das fand ich sehr interessant. Ich hätte nämlich gedacht, dass es noch etwas jüngere Kinder sind, so zwischen Sechs und Sieben. Da habe ich wohl von alten Fotos von mir selber von meiner Einschulung oder der ersten Klasse auf diese Berliner Kinder im Jahre 2019 geschlossen. Ich war ein recht großes Kind, immer das größte Mädchen in der Klasse. Manchmal war es mir sogar peinlich, weil ich damit ein bißchen Außenseiterin war. Ich war ja trotzdem nicht weiter entwickelt, noch dazu extrem schüchtern. Später habe ich Frieden damit geschlossen, dass ich hundertachtzig Zentimeter groß bin. Oder war.

Neulich bei der zweiten Untersuchung zur Charité-Studie, wo ich seit vier Jahren Langzeit-Probandin zur Erforschung von Volks- und Ziviliationskrankheiten bin, wurde ich (u. a.) wieder gemessen und gewogen. Das Gewicht wollte ich gar nicht wissen, solche Zahlen machen einen nur nervös. Aber die Größe hat mich schon interessiert, weil man angeblich wieder kleiner wird, wenn man ein bißchen älter ist. Ich habe mich ordentlich gereckt, und trotzdem waren es nur knapp 178 Zentimeter. Das hat mich ein bißchen geärgert. Es war aber schon Nachmittag, und ich habe schon mal bemerkt, dass man unterschiedlich groß ist, je nach Tageszeit. Am nächsten Tag habe ich mich dann gleich nach dem Aufstehen gemessen und einen Strich an den Türrahmen gemacht und das Maßband hat original 180,7 Zentimeter angezeigt, wie damals, als ich halb so alt war! Das hat mich erleichtert. Meine Freundin Sabine hat mir dann erklärt, dass das etwas mit Wasser in den Bandscheiben zu tun hat, das über Nacht eingelagert wird, und sich im Laufe des Tages dann wieder abbaut. Meinethalben. Mir egal. Hauptsache ich schrumpfe nicht zum Zwerg! Man fühlt sich einfach jünger, wenn körperlichen Gegebenheiten so bleiben, wie sie schon zu jungen Zeiten waren.



Jetzt muss ich aber wirklich schlafen gehen. Ich habe kein perfekt passendes Foto zu dem Eintrag parat, aber vor ein paar Jahren immerhin mal ein paar kleine Jungs in der S-Bahn eingefangen. Also nicht ganz am Thema vorbei.

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Margarete 20. November...
21.11.24, 00:01
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Margarete 20. November...
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