16. Oktober 2011



Man sollte nicht denken, Blogeinträge über geschichtliche Zusammenhänge wären nicht privat. Alles was ich schreibe ist privat. Meine private Interessenslage ist das sogenannte "Schicksal" zu verstehen. Und das findet nicht im Vakuum statt, sondern in einem Land, mit Zeitgenossen, die einen Lebensweg wählen. Eine Art zu leben. Die Verstrickungen unserer Vorfahren reichen immer in unser eigenes Leben. Aber das wollte ich jetzt eigentlich gar nicht großartig erklären. Ich kann mich tief in ein Thema versenken, es ausloten, abarbeiten. Und dann ein Kapitel schließen, wenn aus den Fragezeichen Punkte geworden sind.

Letzte Nacht träumte ich etwas, woran ich mich sogar erinnere, die letzte Sequenz. Irgendeine Wohnung oder Wohngemeinschaft. Menschen, die mir in den letzten drei vier Jahren nahestanden (und jetzt nicht mehr), an einer langen Tafel, die Gesellschaft hat sich gerade aufgelöst, ist in Aufbruchstimmung, verstreut in die verschiedenen Zimmer der Wohnung. Es ist taghell. Die Tafel hat ein weißes Tischtuch. Jemand, der mir wichtig war, mäandert immer wieder zum Tisch, beobachtet mich, während ich abräume. Ich habe vor, den Tisch komplett abzuräumen, sauberzumachen. Konzentriere mich darauf die Teller zu stapeln, die Krümel zusammenzuschieben, fühle mich taxiert. Ich lasse mich nicht aus dem Konzept bringen, aus Trotz. Ich werde diese Blickattacke einfach ignorieren. Kein Blick mehr. Keine Energie, keine Kraft mehr in diese Richtung. Ich bin damit fertig. Es bekäme mir nicht.

Ich bücke mich unter den Tisch, um eine vermeintliche Serviette aufzuheben. Aber es ist ein gefalteter Brief. Auf diese Art transparentes Butterbrotpapier geschrieben. Ein Din A-5-Blatt. Ich erkenne die Handschrift, mit schwarzem Filzstift, lese ich einen Brief an mich. Jemand, der mir vor mehr als zehn Jahren etwas bedeutete und plötzlich verschwand, muss hier gewesen sein, ohne dass ich es bemerkte. Er schreibt, er müsste mich treffen, um mit mir zu reden. An einem See. Es ist ein See in der Nähe der Wohnung, ich glaube ein Waldsee. Mit Seerosen. Ich bin sehr überrascht und weiß doch, ich werde nicht hingehen. Er schreibt, er hätte mir eine Menge zu sagen, zu erklären. "4 Tonnen". Schreibt er. Ich sehe ihn dabei grinsen, weil er selbst weiß, es ist eine alberne Metapher. Wie aus einem Donald Duck-Heft. Er hätte mir vier Tonnen zu sagen. Mir ist das zu viel, nach der langen Zeit.

Ich fühle mich einen Moment wie gerührt, ein warmes Gefühl wie Versöhnung. Aber vier Tonnen reden will ich nicht. Ich will auch sonst nichts. Auch nicht treffen. Nicht erinnert werden. Nichts aufwärmen. Wenn es auch schön ist, plötzlich nach all den Jahren zu bemerken, dass man nicht völlig vergessen war. Oder die Erinnerung wieder erwacht ist. Er will es aufarbeiten, deswegen soll ich heute vormittag um soundsoviel Uhr am See sein. Ich stelle fest, dass die Zeit des vorgeschlagenen Treffpunkts schon einige Stunden vorbei ist. Es ist schon Nachmittag. Der am-Tisch-Mäandernde sieht, dass ich einen sehr persönlichen Brief an mich lese. Es ist ihm nicht recht. Ich sehe es an seinem unruhigen Gesichtsaudruck. Ich finde, es geht ihn nichts an. Und es ist auch zu spät, mich anzusehen, als gäbe es eine Verbindung oder Verbindlichkeit. Ich fühle mich niemandem mehr verbunden und bin auch froh, dass sich die Sache mit dem See erledigt hat. Ein bißchen tut es mir schon für den Mann am See leid, aber ich muss die Gewichtungen in meinem Leben richtig verteilen. Trotzdem empfinde ich eine ganz kleine warme Freude über den Brief, diesen späten Versuch. Ich wache auf und stehe ganz früh auf. Wie noch nie an einem Sonntag ohne besondere Pläne. Es war noch dunkel.

Ich ließ ein heißes Bad ein. Ich badete meiner Erinnerung nach noch nie morgens, direkt nach dem Aufstehen. Mir war so sehr nach einem heißen Bad. Ich nahm die Flasche mit dem Shampoo aus der Dusche und stellte sie auf den Badewannenrand. Ich habe mir zuletzt zu Besuch bei einer Freundin die Haare in der Badewanne gewaschen. Es passte zu dem Traum und dem Tag, alles mögliche anders zu machen als sonst. So viel war es dann auch nicht, aber ich fing schon irgendwann gegen Acht an, den Blogeintrag über das Maifeld zu verfassen. Feinsäuberlich. Akribisch. Ordentlich wie ich bin. An alles gedacht. Politische Korrektheit. Widersprüchlichkeiten. Eingeständnisse. Relativierung. Alles. Ich finde, ich mache das gut, mit diesen historisch eingefärbten Blogeinträgen. Man muss sich auch mal selber loben.

Das war also was ich träumte, was ich erinnere. Und das war nur der Schluss. Ich träume so intensiv, immer, und kann kaum etwas greifen, erinnern, festhalten. Eine Sache fällt mir aber gerade ein, die gar nichts mit mir zu tun hat. Ich träumte, dass die bloggende Kaltmamsell ein Job-Angebot für eine leitende Stelle beim Technischen Hilfswerk bekommt, irgendeine interessante Führungsposition. Ich weiß nicht, warum ich darüber informiert war im Traum. Ich kriegte es einfach mit. Und sie erzählte dann, dass sie die Stelle wahrscheinlich annehmen wird, weil sie das mit ihren sozialen Idealen gut vereinbaren kann, die Zielsetzung des Technischen Hilfswerks. Ich fand das auch gut. Sie muss bestimmt sehr lachen, wenn sie das liest. Als ich es vor einiger Zeit träumte, dachte ich beim Aufwachen: "gar nicht so abwegig. Gute Sache eigentlich!". Sie war auch sehr zufrieden mit ihrer neuen Perspektive. Das Technische Hilfswerk agiert ja auch weltweit. Sehr spannend. Keine Ahnung, wie solche Sachen in meinen Kopf kommen. Mitten in der Nacht. Apropos. Gute Nacht.

16. Oktober 2011



Die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung schreibt in ihren einleitenden Worten zur Geschichte des Olympiageländes:

"Mit Olympiastadion und Olympiagelände besitzt Berlin wohl die bedeutendste monumentale Sportanlage des 20. Jahrhunderts in Europa. Die Anlage (...) zeigt ein Jahrhundert deutscher Sportgeschichte, von der Wiederbelebung der olympischen Idee bis zum modernen Sport. Die Bauten, Freiflächen und Skulpturen vereinen sich zu einem einzigartigen Gesamtkunstwerk, zu einem wirkungsvollen Monument von Architektur und Raumgestaltung der nationalsozialistischen Ära. Die Anlage erinnert an die engen Verflechtungen von Sport und Macht, an die politischen Ideen und Ideologien, die (...) im Dritten Reich und auch in der Nachkriegszeit mit Körperkultur und Sport verbunden waren."



In der Tat findet man sich im monumentalen Bühnenbild eines vergangenen Stückes mit denkbar theatralischer Ambition. Wie hätte das seine Wirkung verfehlen können. Und weiter zum Maifeld:

"Das Maifeld verdeutlicht die Einheit von Sport, Architektur und nationalsozialistischer Ideologie. Als nationaler Festplatz sollte das Maifeld an die Foren antiker Städte anknüpfen. Die gewaltige Rasenfläche, eingefasst von einem Stufenwall mit Sitzreihen, war als Aufmarschplatz für Kundgebungen gedacht. (...) Skulpturen und Reliefs schließen sich mit der Architektur und den gestalteten Freiflächen zu einer künstlerischen Einheit zusammen. Die Bildwerke gliedern die freien Flächen, sie vermitteln zwischen Wegen und Achsen und geben der Landschaft die Wirkung eines feierlichen Haines. An der Gestaltung der Skulpturen waren namhafte Bildhauer des Neoklassizismus beteiligt. Die Statuen verklären den gestählten menschlichen Körper, die im Sport sichtbare menschliche Kraft und den Siegeswillen. Auffallend ist der bewußte Rückgriff auf die antike Kunst, besonders auf die archaische Phase der griechischen Skulptur." Dr. Matthias Donath



Wikipedia vermerkt zur Größe und zur Nutzung nach der Nazi-Ära:

"Das Maifeld ist 112.000 m² groß und kann bis zu 250.000 Besucher aufnehmen. Die Tribünen bieten noch einmal Platz für 60.000 Zuschauer. (...) 1945 bis 1994 war es Teil des britischen Hauptquartiers in Berlin. Hier fanden bis 1994 die alljährlichen – von tausenden von Berlinern besuchten – Geburtstagsparaden der britischen Truppen für Königin Elisabeth II. statt. Das Maifeld gehörte zum Areal der britischen Truppen, die hier Cricket- ,Rugby-, Polo- und andere Wettkämpfe veranstalteten."

Die Geschichte im Hinterkopf zu haben, schadet nicht, wenn man sich dorthin begibt. Man wird im Übrigen auch durch Tafeln darüber informiert. Es ist kein unkommentierter Ort. Das Maifeld ist ein eingezäunter Bereich auf dem Gelände. Man kann da nicht mal eben so drüberlaufen. Man kann nett mit den freundlichen Mitarbeitern, die den Eingang zwischen den beiden Rosseführern von Joseph Wackerle bewachen, plaudern und versuchen sie zu becircen. Dahingehend, ob man nicht eventuell vielleicht doch, nur ein paar kleine Schritte, nur um mal die beiden Rosseführer von vorne zu sehen, nur einmal? Nein? Wirklich nicht? Die erste wirklich sehr nette Dame war hartnäckig und hat mir den Zugang verwehrt. Der zweite Versuch bei einem jungen Mann gelang. "Ich verspreche auch, dass ich die Rosseführer nicht klaue! Ehrenwort!"



Ja, doch. Das hat mich beeindruckt. Nicht nur, dass ich das Feld überhaupt betreten durfte, sondern dieses frontal vor den monumentalen Figuren zu stehen, anstatt nur durch die Eisenstäbe des Zauns zu lugen. Insofern sehen Sie hier exclusives Bildmaterial, insbesondere was die Köpfe der beiden jungen Männer, die die Pferde führen angeht. Ungeachtet dessen, dass ich den Riefenstahl-Tick mit der Untersicht gerne kultiviere - da bleibt einem nun gar nichts anderes übrig. Wie hoch mögen die sein? Sechs Meter? Gut und gerne. Und wenn man Beeindruckendes sieht, versucht man freilich das Eindrücklichste des Eindrucks widerzugeben. Sicher kann man auch Bilder davon machen, die den Ort banalisieren. Man kann schlechtere Perspektiven wählen, den Zaun einbeziehen, alles Mögliche. Aber der Zaun hat mich nicht weiter beeindruckt. Die Pferde waren es. Und der Rhythmus der Elemente. Die Rosseführer halten übrigens Handtücher in der Hand, habe ich irgendwo gelesen. Eine lustige Vorstellung eigentlich. Zwei junge kräftige Männer kehren von einem splitternackten (?!?) Ritt auf großen Pferden zurück und irgendwer hat ihnen ein Handtuch in die Hand gedrückt, um sich den Schweiß abzutrocknen. Nicht unsinnlich, das Szenario. Oder haben sie sich den Lendenschurz vom Leib gerissen, echauffiert vom Ritt? Na ja, die griechischen Figuren waren ja auch mal gerne nackig. Das muss nicht immer schlüssig sein. In der Kunst ist ja alles erlaubt. Ich denke auch nur überhaupt darüber nach, weil die auftraggebenden Herrschaften seinerzeit auf so einem ausgeprägt naturalistischen Trip waren und das Szenario ja eher eine sehr abstrakte Situation zeigt. Selbst in der Antike waren unbekleidete Ritte eher nicht die Mode. Wenn ich mir allerdings vorstelle, die beiden Jungs hätten alternativ eine römisch anmutende Gladiatorenrüstung an, gefällt mir die nackerte Variante besser.



Als ich meine Bilder so durchgeschaut habe, fiel mir auf, dass ich noch nie Postkarten gesehen habe, die diese Figuren zeigen. Da ist das historisch verständliche Tabu wohl doch noch zu groß. Politisch korrekte Befangenheit, Behutsamkeit sozusagen. Mehr als einer würde sich finden, der einer olympischen Postkarten-Edition, die die Rosseführer berücksichtigt und damit zwangsläufig ehrt, neo-nazistisches Sympathisantentum unterstellt. Da müssen noch ein paar Jährchen ins Land ziehen. Denn wer zerbricht sich heute schon bei einer Auslandsreise beim Besuch historischer Bauwerke den Kopf über den nicht selten von ebenbürtigem Größenwahn geprägten diktatorischen Kontext der dargebotenen Bauwerke und Bildhauereien, oder würde gar den Besuch oder Kauf einer Postkarte aus Gründen politischer Korrektheit meiden. Aber in meinem kleinen Blog darf ich das zeigen. Wir wollen ja auch daraus lernen, nicht wahr. Was hat unseren Vorfahren derart die Sinne vernebelt. An der Stelle kommt man mit Empathie und Verständnisforschung weiter als mit Verurteilung und Tabuisierung. Ich sehe, dass sich die ver(w)irrten Machthaber einer wirkungsvollen multimedialen Marketingmaschine bedient haben. In Stein gemeißelte Propaganda. Natürlich ist das nicht neu. Für mich ist allerdings interessant, dass es in der visuellen Sprache der Überwältigungsstrategie auch mich beeindruckende Elemente gibt. Der hysterisch-cholerische Duktus der Ansprachen der Protagonisten hingegen war mir nie als charismatisch nachvollziehbar. So gar nicht. Nicht einmal im Ansatz. Ein Mirakel.



Auf der gegenüberliegende Seite des Maifelds befindet sich der vielzitierte "Führerstand". Die exklusive Ansprachetribüne für den seinerzeitigen Chefdogmatiker. Man kann den Stand auf einigen Bildern von Weitem erkennen. Ich konnte wegen der begrenzten Aufenthaltserlaubnis nicht näher ran. Der Zugang zu dieser Tribüne erfolgt über die Langemarckhalle, die sich unmittelbar dahinter erstreckt. Eine spätere Bildreihe. Zu gewaltig die Halle, aus deren Mitte der siebenundsiebzig Meter hohe Glockenturm erwächst, der einem einen gewaltigen Rundum-Blick über die Stadtlandschaft und das angrenzende Waldgebiet mit der Waldbühne schenkt.

12. Oktober 2011

"Lilo Pulver (82) zieht aus dem Altersheim aus: zu fit!"
Das nenne ich gute Nachrichten.

11. Oktober 2011

Das Schicksal hat oft ein ganz grottiges Timing. Wie oft wird irgendeinem Unfug unnötig lange Dauer verliehen. Bis einem die Quälerei zum Halse heraushängt. Hätte man den Unsinn nicht abkürzen können. Oder macht man das selber? Ist man selber das Schicksal? Womöglich. Oder auch. Ach, was weiß ich. Zum Beispiel Genugtuung*: Genugtuung* ist doch nur "genug tuend", so lange sie gebraucht wird. Benötigt wird. In der Not. Was soll zum Beispiel um mehrere Jahre verspätete Genugtuung*, die einen nicht mehr weiter interessiert. Das ist doch alles nicht effizient, lieber Gott, der du da auch immer mit rumrührst in dem ganzen Brei. (Man muß auch mal wirtschaften lernen!) Und wo bleibt da das Qualitätsmanagement? Was sind das denn überhaupt für Qualitätsstandards bei dir da droben? Da geht doch alles drunter und drüber! Daher kommt wahrscheinlich auch der Spruch: "Viele Köche verderben den Brei!" Wahrscheinlich wirst du dir immer ewig nicht mit den anderen Bereichsleitern einig, mit dem Allah und dem Buddha und wie sie alle heißen. Anstatt mich alleine schalten und walten zu lassen! Gerne übernehme ich die Hauptgeschäftsführung!



Da käme schon was Vernünftiges dabei raus. Jedenfalls schlechter als der übliche Kraut- und Rüben-Schicksalseintopf allenthalben könnte es auch nicht sein. Aber man lässt mich ja nicht! Mir geht das auch insgesamt alles zu langsam. Ich finde Schandtaten sollten sofort vom Schicksal geahndet werden. Ansonsten: Verzugszinsen. Fünfzig Prozent. Zack. Bums. Fertig. Aber eigentlich scheiße ich auf die Zinsen. Ich bin für reinen Tisch. Und wenn ich sage "Instant Karma", dann meine ich Instant Karma. Ist das jetzt klar? Hallo? Ist da oben noch wer? Etwa schon Feierabend? Sprich, nicht: fünf Jahre später, wenn sich schon kaum wer mehr an die Tat erinnert, sondern spätestens (!) fünf Monate später. Ich denke, ich habe mich klar ausgedrückt. Im Übrigen bin ich für einen klaren Führungsstil mit transparenten Zielsetzungen. Freundlich aber bestimmt. Und zur nächsten Besprechung rasieren Sie drei sich bitte die albernen Rauschebärte ab. Was sollen unsere jüngeren Kundinnen denken.

*) vulgo: Vergeltung

10. Oktober 2011


ich kann auch Farbfotos


Nein, nein, es gibt kein Entkommen. Wir befinden uns weiterhin auf dem leidigen Olympiagelände und das wird noch ein Weilchen durchexerziert. In diesen Dingen bin ich streng. Bevor wir uns gemeinschaftlich zum Maifeld mit den stolzen Rosseführern und ihren Zossen bewegen, gucken wir uns noch ein richtiges echtes Pferd an. Es stand so rum hinter einem Zaun, ich glaube man nennt das Stall und neben dem weißen war noch ein braunes Pferd aber das weiße war näher an mir dran und auch fotogener. Ich würde sagen: ein schönes Pferd. Ich kenne mich da ja nicht so aus und gehe rein nach äußerem Eindruck und Sympathie. Ja, ich möchte sagen: ein herzensgutes Pferd mit einem ausgezeichneten Charakter. Einem schönen inneren wie auch äußeren Wesen. Der Reitsportverein da am Maifeld, zu dem das Pferdchen gehört, macht auch Reittherapie lese ich auf der Internetseite. Für behinderte Menschen. Gegen alles Mögliche. Burnout sicher auch: "Reittherapie verbessert die Motorik, das Lernen & Sprechen, die Wahrnehmung, das Verhalten und das Selbstwertgefühl. Ängste werden abgebaut, eigene Grenzen erkannt." Na bitte. Einwandfrei.




Bestimmt ein besonders sensibles Pferd. Ich habe eine gute Wahl getroffen, als ich es für meine Fotos ausgesucht habe. Ich beglückwünsche mich nachträglich zu dieser hervorragenden Wahl.

09. Oktober 2011



Muschelkalk also, die Skulpturen sind aus Muschelkalk. Da auf dem Areal. Ich ziehe die Bezeichnung Areal der etwas banalen Benennung "Olympiapark" des ehemaligen "Reichssportfelds" vor. Olympiapark klingt mir arg naiv nach Vergnügungspark, auch wenn es durchaus etwas davon hatte, als ich einige Tage später beim ISTAF das Vegnügen hatte, denselben Ort an einem Sommertag mit fröhlichen Kindern und Würstchen- und Saftbuden zu sehen.

Obwohl ich einen Plan in der Tasche hatte, bin ich wie meistens der Nase nach gelaufen. Auf dem Weg zum Glockenturm kommt man automatisch an der gewaltigen Nike vorbei. Der "German Nike", wie sie im Internet gerne bezeichnet wird. Vielleicht wegen des germanisch anmutenden Eichenblattes, das sie in der Hand hält. Ich finde, dass sie für eine stolze Siegesgöttin ein bißchen zu wenig wie ein Alphatier guckt, eher wie ein unterwürfiges Mädchen, das dem Sieger huldvoll das Eichenblatt als Trophäe reicht. Auch schaut sie dabei arg ernst. Wahrscheinlich "erhaben" oder so ähnlich gemeint. Siegesfreude könnte sich schon in ihrem Antlitz spiegeln, finde ich. Na ja. Die Nazi-Bildhauereien sind ja durchweg nicht für feurige Begeisterung oder nennenswerte Lebensfreude im Ausdruck berühmt. Da fügt sich die recht unfroh dreinschauende "Goddess of Victory" von Bildhauer Willy Meller nahtlos ein.



Gegenüber des Eingangs der Langemarckhalle, am Zugang zur Waldbühne sind zwei Reliefs von einem gewissen Adolf Wamper, "Heldenehrung und Poesie". Wieder der schöne Stein. Das rechte nennt sich auch wahlweise "Künstlerische Feier", Frauenpaar mit Lorbeer und Leier. Also offenbar die "Poesie". Am Beseeltesten an diesem Werk erscheint mir der Muschelkalkstein. Ich habe zwar einen großen Sinn für alles Monumentale, doch die Größe allein macht es leider auch nicht. Schade drum. Aber der Stein. Der Stein. Der macht wert, auch den beiden splitternackten Diskuswerfern von Karl Albiker ein, zwei Blicke zu schenken.



Und irgendwo dazwischen "hinter dem Osteingang des Stadions eine Reihe von 2,5 m hohen Muschelkalkpfeilern mit den Austragungsorten der Olympischen Spiele, den Namen deutscher Wettkampfsieger und Reliefdarstellungen einzelner Sportarten."



Die mir erwähnenswertesten Skulpturen auf dem gesamten Areal sind die beiden "Rosseführer" mit ihren riesigen Pferden auf dem Maifeld, denen unbedingt eine eigene Strecke gebührt. Denn die rocken schon ganz schön, obwohl sie in gleichem Maße ungerührt und desinteressiert aus der Wäsche gucken, wie der Rest.

06. Oktober 2011

Wenn man sich vorstellt, man hätte die freie Wahl zwischen einem beliebig kleinen und beliebig großen Aktionsradius, könnte man körperlich und mental erfahren, dass die Freiheit, den größten Radius auszuagieren, sehr viel mehr Krafteinsatz erfordert, als sich auf die "Bewirtschaftung" eines kleinen Kreises zu beschränken.

Eine großräumige Bewegung in der Welt schlägt größere Wellen im Ozean, reflektiert mehr Kraft, aber letztlich auch nicht mehr als in den ausschlaggebenden Impuls für die große Welle gegeben wurde. Wenn mit wenig Krafteinsatz eine kleine Welle angestoßen wird und im entsprechenden Maß zurückflutet, entspricht das demselben Erfolg. Anteilig. Verhältnismäßig. Wozu also eine große Welle machen? Eine kleine Welle ist für einen kleinen Menschen überschaubarer. Eine größere für einen größeren.

Schlau wäre herauszufinden, welche Welle die richtige Größe für einen hat, gerade dass man sich nicht ausbeutet, nach Einsatz der Kraft noch etwas übrig bleibt. Und das Kräftedepot von Tag zu Tag wieder aufgefüllt werden kann. Durch eine einzige Nacht mit gutem Schlaf. Raubbau über einen längeren Zeitraum auszubügeln ist sogar in der Ruhephase anstrengend. Die eigene Kraft real einzuschätzen und was mit möglichst geringem Kraftaufwand zu möglichst viel Futter für das Ego führt, ist eine Kunst für sich. Ich kann mich nicht erinnern, dass mich je jemand ermahnt hätte, weniger fleißig zu sein. Oder doch: das geschieht immer dann, wenn bereits unwiderlegbare Zeichen von Erschöpfung zu Tage treten. Als manifestiertes, diagnostizierbares physisches Krankheitsbild. Oder die sichtbare Vorstufe in Form eines unverholenen Nervenzusammenbruchs im halb-öffentlichen Raum.





Ich habe herausgefunden, dass ich viele Dinge in meinem Leben gut weglassen kann, die Krafteinsatz, Aufmerksamkeit gefordert haben. Dazu gehören auch Dinge, die andere als vergnügliche Freizeitgestaltung einstufen würden. Begegnungen mit vielerelei interessanten Menschen an vielerlei interessanten Orten. Wenn man außerdem an dem Punkt ist, wo man sich Events nicht mehr schön trinkt, reduziert sich die Fülle des substanziell Aufregung Verheißenden noch mehr. Mal sehen, was nach der Phase der Klausur kommt. Die Ansprüche werden ja nicht weniger. Gestern überlegt, ob man eigentlich auch als Frau bei der Freiwilligen Feuerwehr mitmachen kann. Irgendsoetwas zutiefst Sinnvolles. (Oder von mir aus auch Rettungshubschrauber-Pilotin Nielsen, wie Prinz William)

Feuerwehrleute beeindrucken mich ungeheuer. Eigentlich am meisten von allen. Die begeben sich selbst in Gefahr. Ein Rettungssanitäter macht auch beindruckende Arbeit, ist aber nicht so gefährdet dabei. Ich sehe ja ungern Verletzte. Das ist ein Haken. Unter anderem. Diese Retter-Berufe sind mir wohl auch nicht in die Wiege gelegt. Aber der Respekt davor ist groß. Die Bewunderung für weibliches, schulmedizinisches Personal hingegen bewegt sich eher im homöopathischen Bereich, da sind mir schon die kaltblütigsten Flintenweiber untergekommen. Krankenschwestern von geradezu feldwebelartigem Naturell. Abgebrüht und leicht genervt. (Meine diesbezüglichen Erfahrungswerte können aber auch an meiner Krankenversicherungs-Klasse gelegen haben. Ich war noch nie erster Klasse krank.) Nach meiner Beobachtung ist das herzensgute Helferpersonal vorwiegend unter den männlichen Pflegern zu finden. Der brillentragende Hesse-Typus. Pflegetechnisch kann man da unbedingt vertrauen. Aber Feuerwehrmänner sind meine Helden. Menschlich gesehen. Andere Berufsgruppen nicht. Die haben zwar auch Vorzüge (z. B. Koch: sehr guter Männerberuf!) und gesellschaftliche Verdienste, aber keinerlei nennenswerte, heldenhafte Leistungen vorzuweisen.

04. Oktober 2011

Meine Liebesgeschichte mit der final diving sequence des Olympiafilms begann, als ich mich vor einem Jahr nach Elstal begab, um das olympische Dorf zu erkunden und mich vorher zuhause ein bißchen damit in Stimmung zu bringen. Das muss man wissen, wenn man begreifen will, was mich getrieben hat, den Sprungturm des Schwimmstadions abzulichten, als wäre er mein Geliebter. Und ein sehr schlichtes türkisfarbenes Sprungbrett aus zehn Perspektiven, ohne einen einzigen Sprung zu beabsichtigen.



Ein leeres Schwimmbecken, ohne auch nur eine einzige Bahn darin schwimmen zu wollen. Es war reiner Zufall, dass sich die blauen Gläser meiner Brille wie übertrieben inszeniert in das Szenario einfügen. In diesem zweiten Teil jener preisgekrönten Dokumentation erzählt Leni Riefenstahl ab Minute 26:24 bis 31:27 wie die Filmsequenzen der Turmspringer entstanden, wie sie beim Schnitt mit sekundenweise umgekehrten Sprungsequenzen den Eindruck erschaffen hat, dass die Athleten eigentlich Vogelwesen sind. Sie amüsiert mich, wenn sie in einem schwimmbassinblauen Kostüm am Sprungturm steht, im Hintergrund die blauen Wasserbecken. Diese Korrespondenz von Kostüm und Drehort zieht sich durch den ganzen Film, die ganze Dokumentation. Sie ist immer farblich passend zum Szenario gekleidet. Einmal nimmt sie bei einer Erzählung über Dreharbeiten in ihren geliebten Bergen durch einen nordisch gemusterten grau-weißen Strickpullover (im ersten Teil der Doku.) vor einem Bergmassiv die Farbe und Struktur des Felsgesteins auf. Schwester im Geiste. Da ist mir schon so manches nah. Sicher auch die schöngefärbte Perspektive auf die Welt. Die Scheuklappen. Die Konzentration auf das Erhebende, Erhabene. Von den Verirrungen will ich gar nicht reden. Die sind ja hinreichend bekannt. Ich kümmere mich vorzugsweise zunächst um die Entwirrung meiner eigenen Verirrungen. [Verwirrungen]



Aber um noch einmal auf das Schwimmstadion zurückzukommen. Je länger ich die Bilder betrachte, umso klarer sehe ich die ungeheure Modernität der Architektur des Sprungturms. Da ist nichts zu viel und nichts zu wenig. Mies van der Rohe hätte den Turm nicht unsentimentaler bauen können. Und ich freue mich darauf, die späteren Bilder mit Menschen zu zeigen. Die gibt es nämlich auch. Denn ich war ja nur wenige Tage danach noch einmal da und mir bot sich genau das gegenteilige Szenario, Himmel und Menschen, beim großen Stadionfest der Leichtathleten. Tatsächlich sprangen mutige Schwimmer vom Turm, keine Profis, ganz normale Berliner Kinder und Jugendliche, die zum Spaß dort waren, in ihrem Olympiabad. Aber zuerst wird die Architektur abgearbeitet. In den folgenden Etappen gehe ich über das gesamte Areal, Richtung Glockenturm (der mir nebenbei bis zu diesem Besuch überhaupt kein Begriff war), vorbei an der Goddess of Victory und dergleichen pompösem Bildhauerwerk mehr, zur berüchtigten Langemarckhalle. Bleiben Sie einfach dran.

03. Oktober 2011



Kann eigentlich nicht sein. Aber kennt jeder Berliner. Oder auch Hamburger. Oder Kölner oder Münchner. Oder oder. Man verbringt den größten Teil seines Lebens in einer Stadt und schaut sich die größten, spektakulärsten Bauwerke ewig nicht an, jedenfalls nicht planvoll, ganz genau, wie man es als Tourist täte. Ja ja, jeder kennt das. Aber nun kommt man ja langsam dahinter, dass nicht nur das eigene Land ein mögliches Reiseland mit eigener Küste, einem richtigen Meer ist, Wäldern und Bergen und großem Himmel und schönem Klima. Ich schaue mir jetzt alles an, was ich vor der Nase habe, weniger wie eine flüchtige Reisende, eher wie ein Schmetterlingsforscher. Ich gehe noch etwas weiter. Nichts wird schnell abgehakt, ich will es verinnerlichen und ausloten. Nun soll keiner denken, ich wäre noch nie im Olympiastadion gewesen. Jeder Berliner war schon mal im Olympiastadion. Ob als Konzertbesucher oder als Herthafan oder Besucher der Pyronale oder weiß der Kuckuck. Ich erinnere mich, dass ich vor achtzehn Jahren mit einer Freundin bei einem Stones-Konzert dort war und wir beide vorzeitig gegangen sind, weil die Darbietung so abgedroschen war und die Bühne so weit weg. Dazu muss man aber erwähnen, dass ich zwei Jahre vorher ein sehr gutes Konzert der damals schon alten Haudegen gesehen hatte, 1991 in Weißensee, wo echte Begeisterung, nicht nur vor der Bühne zu spüren war. Inmitten von lauter Ostberliner Fans, die kaum fassen konnten, dass es ihnen in ihrem Leben tatsächlich noch vergönnt war, Mick Jagger und Keith Richards leibhaftig zu erleben. Wer glaubte schon ernsthaft an den Mauerfall. Keiner. Kein Mensch.



Das ist also der Hintergrund. Dass ich auch mit der Faszination für den Olympiafilm im Hinterkopf in das Stadion ging, muss ich nicht erwähnen. Ich habe mir einen Tag ausgesucht, an dem ich ziemlich sicher sein konnte, kaum jemanden anzutreffen. Ein Dienstagnachmittag. Wie ich es erhofft hatte, war das Stadion und das ganze Areal beinah leer, hin und wieder ein, zwei Besucher außer mir. Ein bißchen bedauere ich, dass das große Amphitheater des Stadions nun zum Teil überdacht wurde, um die Besucher vor Wind und Wetter zu schützen. Aber was für eine Konstruktion. Es ist gut gelungen, das alte Stadion noch erfahrbar zu machen. Die Substanz ist immer noch die alte Steinkonstruktion. Und was für ein schöner Stein. Das ist also der Ort, wo Jesse Owens den Triumph seines Lebens erlebte. Wo trotz der dunklen Mächte die im Land wirkten, alle Kontinente einschließende Völkerfreundschaft gefeiert wurde. Ich verließ das Stadion beim Marathontor zur Südseite und ging weiter zum Schwimmstadion, wo die großartigen Filmbilder der Turmspringer von Riefenstahls Kameramännern, allen voran Hans Ertl und Guzzi Lantschner, eingefangen wurden. Dann weiter an den großen Statuen vorbei, am Maifeld, zur Langemarckhalle mit dem Glockenturm. Die Bilder zeige ich später in eigenen Folgen. Das ist angemessen. Über den kleinen Marchhof verließ ich das Areal Richtung Ausgang. Da ging die Sonne schon fast unter. Ich dachte so etwas Ähnliches wie, gut, dass ich es mir endlich angesehen habe und wieso kam es mir vorher nie in den Sinn. Was für ein bemerkenswerter Ort. Nur wenige Schritte bis zur S-Bahn "Olympiastadion". Wie oft bin ich mit der U-Bahn zur Haltestelle Olympiastadion um von dort zur Waldbühne zu laufen. Ich weiß gar nicht, wie oft ich dort war, so viele Konzerte. Jetzt ist ein dicker Fußabdruck in meiner Erinnerung dazugekommen. Er hat ganz deutlich die Form des Ovals vom Olympiastadion. Tief eingeprägt.

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Margarete 20. November...
21.11.24, 00:01
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