Besuch von Andrés Schwestern. Karin ganz rechts, wieder größer als ihre Tanten. Ganz links Walli, die ich nur wenige Male traf und am liebsten mochte, weil sie so gerne lachte wie Alma und außerdem malte, richtige Ölbilder. Und Hüte liebte. Mein Herz flog ihr zu, was auf Gegenseitigkeit beruhte. Immer wieder fragte ich meine Mutter: "Wann kommt denn Tante Walli endlich wieder?" Die etwas matronenhafter wirkende Trude daneben, sicher auch älter, war mir im Vergleich dazu etwas unheimlich. An die ganz rechts kann ich mich gar nicht erinnern. Sie sieht auch etwas anders aus. Vielleicht doch keine Schwester. Laut Album-Beschriftung auf der Seite der Fotos, angeblich 1959, aber mein Auge für Karins Frisuren und Looks ist inzwischen so geschult, dass ich 1960 oder 1961 für wahrscheinlicher halte. Mein Großvater hat da immer wieder was durcheinandergebracht. Er hat das Album ja auch erst bestückt, nachdem die Ereignisse schon Jahre zurücklagen und hat wohl teilweise so herumgeraten wie ich nun. Der Bub im Matrosenanzug und der Mann gehörten wohl zu (Groß)Tante Walli.
Karin trägt hier das Haar etwas im Stil von von Ruth Leuwerik, von der sie ein ganz großer Fan war. Die Leuwerik erschien mir als unwissendes Kind vor dem Fernseher in den coolen Siebzigern, betulich und altbacken. Mama musste sich ständig rechtfertigen, was sie an der mir bieder erscheinenden Dame so ins Schwärmen brachte. Nun muss ich aber Abbitte leisten. Ich habe letztes Wochenende in meinem Wohnzimmer ein regelrechtes Ruth Leuwerik-Filmfestival veranstaltet, indem ich alle Filme von ihr recherchierte, die in der Gegenwart der Fünfziger spielten, um die Mode und die Frisuren usw. zu studieren. Ich muss nun feststellen, dass ich ihrem gewissen, subtilen, etwas spröden Charme, der viel mit elegantem Understatement zu tun hatte, ebenfalls erlegen bin.
Ein paar Filme kann man gratis komplett im Internet finden. Sie hat zumeist recht eigenwillige, starke Persönlichkeiten verkörpert, oft ist nur das Happy End am Ende der Filme etwas an den Haaren herbeigezogen und dem Zeitgeist geschuldet, etwas zuckrig und altbacken, aber sie selbst eigentlich recht modern. Empfehlen möchte ich die folgenden Kinofilme mit Ruth Leuwerik: "
Ein Herz spielt falsch" von 1953 mit O.W. Fischer und "
Bildnis einer Unbekannten" von 1954, auch an der Seite von O.W. Fischer, in dem sie zudem sehr schön ein paar Chansons vorträgt. Außerdem "
Die ideale Frau" von 1957, geradezu eine cineastische Kampfschrift für die berufliche Emanzipation der Frau, ich war überrascht. Nur das Ende ist etwas arg kompromisshaft, aber egal. Der Großteil des Films zeigt die Leuwerik souverän als erste weibliche Bürgermeisterin, die die Fahne für einen höheren Kultur-Etat schwenkt. Nett, zumal 1957. Dann gibt es noch einen Film, wo sie eine resolute Mathe-Lehrerin spielt, die sich von den jungen Männern nicht auf der Nase rumtanzen lässt, und gewaltigen Respekt erringt, es ist der Film "
Immer wenn der Tag beginnt" ebenfalls aus dem Jahr 1957. Nachdem ich diese Filme nochmals gesehen hatte, wurde mir klar, dass Mama hier kein Frauchen vom alten Schlag verehrte, sondern eine durchaus moderne Frau, die für ein neues Selbstbewusstsein stand, die aber gleichzeitig auch dem Privatleben Raum gab. Liebesfreud- und Leid gehörten immer dazu, sonst wären die Kinosessel leer geblieben. Kluge Mischung. Meine Verehrung, liebe Frau Leuwerik.