11. Januar 2014

So. Ich werde jetzt das Rollo am Küchenfenster anschrauben, das ich vor fünfzehn Jahren gekauft habe. Gut Ding braucht eben manchmal Weile. Nur noch die sechs kleinen Löcher bohren und schon ist die Sache geritzt. Die Sonne scheint, na prima. Das Rollo soll mir nicht etwa dabei helfen, mich vor unerwünschter Sonnenbestrahlung zu schützen, sondern die Privatsphäre meiner neuen Nachbarn vollumfänglich zu gewährleisten. Sie werden sich einfach sicherer und privater fühlen, wenn ich mich nach Einbruch der Dunkelheit in meiner Küche aufhalten sollte und Licht brennt. Ich will meinen neuen Nachbarn einfach nicht zur Last fallen. Sie sollen sich rundherum privat fühlen können. Vorgestern früh habe ich den neuen Nachbarn nur in T-Shirt und Unterhose gesehen (beides schwarz). Wie heißt es doch so schön: zu viel Information.
arboretum - Sa, 11. Jan, 20:57

Nichts hält so lang wie ein Provisorium, pflegt meine Mutter zu sagen.

T-shirt und Unterhose geht ja noch. Ich sah schon einen meiner Nachbarn nur mit Handtuch um den Bauch in der Küche hantieren. Ich habe ja manchmal morgens in meiner Küche gar nichts an, wohne aber höher als die.

g a g a - Sa, 11. Jan, 21:29

"Ich habe ja manchmal morgens in meiner Küche gar nichts an, wohne aber höher als die."

Den Satz konnte ich bis vor dreieinhalb Monaten auch noch schreiben. Goldenes Zeitalter! Aber jetzt hängt das/der(?) Rollo und sieht sogar ganz gut aus. Ich könnte mir glatt die Klamotten vom Leib reißen, sie würden es nur an der Silhouette erkennen (also am Schattenriss von der komischen T-Shirt-über-den-Kopf-zieh-Armbewegung). Das Problem hat glaube ich Top-Chancen auf einen vorderen Platz in den Top Ten in Sachen Jammern auf hohem Niveau. Ich möchte sogar sagen auf höchstem Niveau, an der Berliner Traufhöhe bemessen. Oder so. Ach nein, die ist ja höher als mein fünfter Stock.

Was mich aber viel mehr mit Unverständnis zurücklässt, als die Tatsache, dass jemand morgens in Shirt und Unterhose in der Wohnung rumläuft, ist der Sachverhalt, dass an den Riesenfenstern gegenüber (meine sind dagegen Schießscharten) diese brandneuen schwarzen, beinah blickdichten Rollos existieren und nur ungefähr einmal pro Monat benutzt werden. Was hat das nun wieder zu bedeuten? Ich meine: die haben das doch gesehen, als sie die Wohnung besichtigt haben, dass da jemand – was sage ich „jemand“ – ICH da drüben wohne und keine Jalousien oder Rollos habe. Hatte. Das ist doch keine attraktive Perspektive, jeden Tag von mir in Hemd und Unterhose gesehen zu werden! Oder vielleicht doch? Sind das womöglich Leute, die gerne von mir fotografiert werden wollen und denken, dass es eine gute Idee wäre, sich hartnäckig zu präsentieren? Die Frau hat einen ziemlich großen Fotoapparat. Heute Nachmittag, als ich meine Löcher über dem Fenster gebohrt habe, stand ich ja ein bißchen höher als auf Bodenhöhe, auf einem Stuhl, um beim Bohren an den oberern Fensterrahmen zu kommen. Da hat die junge Mutter ihr auf dem Teppich liegendes Baby fotografiert. Eine rührende Szene eigentlich. Aber ich bin nicht mit denen verwandt! Mir geht das irgendwie zu nah. Sie hat sich dann vorübergehend nach hinten zurückgezogen. Ich wette, die feiern heute eine Party, wenn sie mein Rollo sehen, das ihnen ja nun erlaubt zu tun und zu lassen, was ihnen gerade beliebt! Aber Schluss mit dem Gejammer, jetzt hängt ja mein Rollo. Ist so ein einfaches Modell aus einer Art naturfarbenem Leinen. Sieht wenigstens nicht Scheiße aus. Bin ich natürlich froh!
g a g a - Sa, 11. Jan, 21:44

Um mein Gejammere plastisch zu illustrieren, poste ich hier ein Foto aus der guten alten Zeit - nicht weil Schnee lag - sondern weil man sehr schön sehen kann, dass unter dem Schnee zwei kaum sichtbare Dachluken vor sich hinschlummerten. So war es die letzten vierzehnundnochwas Jahre. Man muss sich jetzt vorstellen, dass das Dach jetzt praktisch so gut wie komplett verglast ist. Dichter könnten die riesigen Fenster nicht nebeneinander sein, es gibt kaum eine Lücke, die nicht mit Glas bedeckt wäre. Nur mal so zur Illustration! Ich finde schon, dass ich ein bißchen jammern darf.

arboretum - Sa, 11. Jan, 22:46

Ich tippe darauf, dass Ihre Nachbarn schlichtweg vergessen, dass Sie von gegenüber alles sehen können.

Der nackige Nachbar mit dem Handtuch um den Bauch und seine Frau mit der nervigen Quäkstimme, die im Hof immer so laut telefoniert, haben seit einigen Wochen ein größeres Küchenfenster. Sie haben nämlich ihr Dach angehoben und das Dachgeschoss gleich mit ausgebaut. Und versperren mir damit nun an dieser Stelle die Sicht aufs Wasser. Spackonauten!

(Wenn die Baupolizei wüsste, dass die das in Holzbauweise gemacht haben, was bei Mehrfamilienhäusern nicht erlaubt ist. Schließlich muss so eine Hauswand dann 90 Minuten dem Feuer standhalten.)
g a g a - Sa, 11. Jan, 23:01

Sicht aufs Wasser verbaut? Das gibt doch Mietminderung!

Ich stimme der These zu, dass die schlichtweg nicht daran denken. Mir ist nämlich aufgefallen, als Jan neulich da war, habe ich das Treiben da drüben auch komplett vergessen. Es war mir einfach herzlich wurst, wir haben ja auch nicht dauernd über dieses Ereignis meiner neuen Perspektive geredet. Aber natürlich auch! Wir waren uns jedenfalls beide einig, dass die Fensterformate ziemlich weit vom "Goldenen Schnitt" entfernt sind. Das passt einfach nicht in so ein altes Dach, dafür fehlt die achitektonische Raffinesse. Da hätten sie mal David Chipperfield ranlassen sollen, der kann so etwas: "aus alt mach neu". Aber der wohnt ja im übernächsten Haus und hat dort alles richtig gemacht. Er hat sich ein ganz neues Haus in eine Lücke gebaut. Und wie ich es doch schon immer ahnte: ein Schmuckstück. Einfach schön. Leider nicht exakt genau gegenüber von mir. Sein einziger Planungsfehler!
zuckerwattewolkenmond - Sa, 11. Jan, 21:58

Ich wundere

mich ja immer ein bißchen, wieviel du bei deinen Nachbarn sehen kannst, und versuche mir bildlich vorzustellen, wie dicht eure Häuser beisammen stehen. Ich habe bei mir nur auf einer Seite ein Gegenüber, während ich von der Küche aus auf Baum und Gärten schaue. Aber auch auf dieser Seite, wo ein Gegenüber ist, kann ich nicht SO weit in die Wohnungen schauen. Sogar für den Teddy am Fenster brauchte ich ein Teleobjektiv:

Bärli paßt auf

PS.: Mit deiner nachträglichen Bildillustration kann ich es mir nun vorstellen!

g a g a - Sa, 11. Jan, 22:03

Das liegt zum einen an dem nahezu komplett verglasten Dach und zum anderen an dem extremen Licht- bzw. Sonneneinfall in der Himmelsrichtung. Sie haben Licht von Südwest in das komplette verglaste Dachgeschoss, das bedeutet, dass auch der Boden das Licht reflektiert und den Glaspalast tagsüber ausleuchtet. Und sobald es dunkel ist, wird Festbeleuchtung eingeschaltet. Drumherum ist dunkle Nacht. Das wirkt wie das Szenario im Licht eines riesigen Scheinwerfers. Ich denke, die Joachimstraße, wo sich das abspielt, hat eine normale Straßenbreite für eine Seitenstraße, aber recht schmale Bürgersteige, das Haus vom Hackbarths und meines direkt gegenüber haben keinen Vorgarten oder dergleichen. Auge in Auge, Zahn um Zahn! Dazu kommt, dass sich das Alltagsleben vornehmlich am nah an die Glasscheibe gerückten Esstisch abspielt bzw. in der Wohnecke, die auch keine große Tiefe hat. Ich schätze mal, das ganze Geschehen ist (maximal) fünfzehn Meter von mir entfernt.
g a g a - Sa, 11. Jan, 22:13

P.S. zum Glück ist es nur zur Seite zur Joachimstraße - und in die Richtung habe ich zwei Fenster, das von der Küche und eines vom Wohnzimmer. Aber die wichtigsten Fenster, das Gaubenfenster vom Wohnzimmer und vom Schlafzimmer und der Südbalkon sind zur Auguststraße, zu dem kleinen Park vom Gipsdreieck, und auf meiner Balkon-Sichtachse könnten nur Fernsehturm-Besucher mit Super-Feldstecher aus zwei oder drei Kilometer Entfernung auf mich gucken. Machen sie aber bestimmt nicht. Gibt ja andere Sehenswürdigkeiten. Wenn ich von allen Seiten einsehbar wäre, würde ich ernsthaft nach einer anderen Wohnung suchen, so sehr ich dieses Nest und diese Ecke liebe.
kid37 - Sa, 11. Jan, 22:17

Ich bin gespannt, denn hier ist das Gegenüber noch im Rohbau. Ich hoffe, wer auch immer sich auf dem Balkon im 4. sonnen wird, weiß welche Wäsche man zu tragen hat. Aber gut, die haben Nordseite, das wird so wild nicht werden.

g a g a - Sa, 11. Jan, 22:21

Nordseite! Ich würde gleich eine Flasche Schampus aufmachen, vor Glück! Niemand benutzt jemals einen Balkon zur Nordseite. Ich habe ja noch einen zweiten in ebendiese Richtung und die Funktion besteht ausschließlich darin, irgendwelchem grünen Gestrüpp eine Heimat zu bieten. Nie kommt ein Sonnenstrahl dahin, ideal für heimische Waldgewächse. Ich persönlich war da bisher nur drauf, um an sehr heißen Sommertagen zu gießen und ein einziges Mal bin ich da mit einem Mann drauf gesessen, in einer lauschigen Aprilnacht, bei zwei Flaschen Bordeaux und Kerzenlicht. War eigentlich ganz nett. Aber doch bald recht kühl. Wurde auch nicht wiederholt. Sie Glücklicher! Das wird ein reiner Küchenkräuterbalkon. Die haben bei Ihren Penthäusern gegenüber mit Sicherheit auch rückwärtige Dachterrassen mit Südsonne eingeplant. Ansonsten würde ich am Sachverstand der Architekten zweifeln.
g a g a - Sa, 11. Jan, 23:32

Gerade gedacht, wenn wir noch DDR hätten, könnte ich Karriere als "IM Joachim" machen. Fehlen eigentlich nur noch die Wanzen. "IM Joachim" berichtet:

Am 11. Januar 2014 gegen 14:45 ist die Bewohnerin des Objekts in das Objekt zurückgekehrt. Mehrere Einkaufstüten wurden auf dem Esstisch abgestellt, darunter eine Tüte des imperalistischen Kaufhauses "Lafayette". Die Bewohner des Objekts scheinen keine Geldsorgen zu haben oder leben über ihre Verhältnisse."

- Ende des Berichts vom 11.01.13 -

gez. IM Joachim.


Mir wird jetzt direkt ein bißchen nostalgisch, obwohl ich aus dem Westen bin. Oder vielleicht gerade deswegen! Das Leben der Anderen da drüben gibt immerhin den einen oder anderen Blogeintrag her. Ich fühle mich jetzt ein bißchen schmutzig.

arboretum - Mi, 15. Jan, 22:14

Hmm. Im Hinblick auf eine geheimdienstliche Tätigkeit eigneten Sie sich doch viel besser als Bond-Girl.
g a g a - Mi, 15. Jan, 22:17

Aber nicht im Bikini.
g a g a - Mo, 20. Jan, 00:19

Aktuelles Bildmaterial (Sichtachse Küchenfenster)

http://www.flickr.com/photos/gaganielsen/12036174606/lightbox/

Der Esstisch steht direkt am mittleren Fenster. Links davon die offene Küche, rechts Wohnzimmerbereich mit Fernseher.

Trackback URL:
https://gaga.twoday.net/stories/603124073/modTrackback

g a g a
g a g a
Kavi V. Der Frühling...
03.05.24, 22:33
g a g a
g a g a
Isabel Bogdan Ha,...
02.05.24, 14:45
g a g a
g a g a
Margarete 1. Mai 2024...
01.05.24, 23:41
g a g a
MARGARETE 30. APRIL...
30.04.24, 14:32
g a g a
Lydia G. Toller Typ!
29.04.24, 21:49
g a g a
Jan Sobottka bei mir...
29.04.24, 21:06
g a g a
Ina Weisse Schöne...
29.04.24, 20:08
g a g a
g a g a
Gaga Nielsen 28. April...
28.04.24, 01:17
g a g a
Zucker 27. April 2024...
27.04.24, 23:22
g a g a
P.P.P.S. gibt zig...
27.04.24, 17:05
g a g a
g a g a
NeonWilderness
g a g a
Zucker 27. April 2024...
27.04.24, 13:54
g a g a
Jon Tinic Ein Setup...
26.04.24, 08:42
g a g a
Christoph M. und? Gaga...
26.04.24, 01:13

21.47
a
April
april 2004
april 2005
april 2006
april 2007
april 2008
April 2009
April 2010
April 2011
April 2012
April 2013
April 2014
April 2015
April 2016
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren