04. Mai 2024

Ingeborg Bachmann und Sabine Gruber über Traum-Personal.

Ingeborg Bachmann, Briefentwurf an ihren Psychotherapeuten Dr. Helmut Schulze, ca. Ende 1965, "Male oscuro", S. 44:

"Wenn ich zurückdenke an die Träume, von denen Sie die meisten nicht kennen, weil sie vor »unserer« Zeit waren, dann fällt mir doch eines auf. Einmal ist in fast allen Träumen M. F. die Hauptperson, immer mit dem Vater verwechselt (bis auf den letzten Traum), oder der Vater, mit M. F. verwechselt, so daß es auf Inzestträume hinausläuft und den Horror davor. Das ist eine Gruppe. Das andre, was ich wenig verstehe: in den meisten Träumen spielt meine Familie eine dominierende Rolle, zum Beispiel war schon ganz früh, in den dramatischen Angstträumen als ich fürchtete, F. würde mich verlassen, meine Schwester anwesend, auch fast immer meine Mutter. Und auch wenn sie hie und da nur Statistenrollen hatten, so fällt mir das doch auf. Denn ich habe doch, auch wenn ich mein Leben hundertmal umwende und dran deutle, nur eine normale Beziehung zu dieser Familie. Ich denke an meine Schwester, wenn sie Geburtstag hat und sonst macht man sich eben die üblichen Sorgen, Krankheit, Alter, Geld etc. Aber ich verstehe nicht, warum in den Träumen immer diese Personen die großen Rollen spielen, niemals die Leute, mit denen ich wirklich zu tun habe. Oder höchstens insofern, daß man sie als Tagesrest abtun kann.) Ich weiß nicht, was diese nette Familie zu schaffen hat in meinen Träumen. Ich träume nie von einem Mann, den ich gern habe, nie von Berufskonflikten, die ich immerzu habe. O heiliger Freud. Das darf doch nicht wahr sein. Ich war ein ganz gewöhnliches Kind, mit einer normalen Entwicklung, in einer normalen Familie. Verstehen Sie mich. Ich bewundre Freud, aber ich habe diese Vorklassik nie ganz akzeptieren können, ich kann nicht einsehen, daß dieses Leben vor dem eigentlichen persönlichen Leben später eine so enorme Rolle spielen soll. Und da steh ich ja nicht allein da, die Wissenschaft bringt doch auch ihre Korrekturen an."

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Sabine Gruber, "Die Dauer der Liebe", 2023, S. 59 - 60:

"Thanatos und Hypnos, Tod und Schlaf, wohnen beide im Haus der Nacht, in der Nähe des Flusses Lethe. Schon der Gedanke an diesen Fluß des Vergessens läßt Renata unruhig werden. Denn sich schlafen zu legen, bedeutet, nicht mehr an Konrad denken zu können. Mit jeder Stunde, jedem Tag, werden die Erinnerungen blasser. Und je länger man schläft, desto weniger bleibt Zeit für die Gedächtnisübungen, das Wieder-Holen der Bilder. Der Schlaf ist ein Räuber, er stiehlt nicht nur Leben, sondern auch die Toten. Und selbst auf die Träume, weiß Renata, ist kein Verlaẞ, denn sie schicken meist Menschen, die man gar nicht treffen will."

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