21. Juni 2015







Laß mich. Du hörst, was ich beschloß, eh würdest du den Strom, wenn er herab von Bergen schießt, als meiner Seele Donnersturz regieren. Ist's nicht, als ob ich eine Leier zürnend zertreten wollte, weil sie still für sich, im Zug des Nachtwinds, meinen Namen flüstert? Dem Bären kauert' ich zu Füssen mich, und streichelte das Pantherthier, das mir in solcher Regung nahte, wie ich ihm. Mein ewiger Gedanke, wenn ich wachte, mein ew'ger Traum warst du. Die ganze Welt lag wie ein ausgespanntes Musternetz vor mir. In jeder Masche, weit und groß, war deiner Thaten eine eingeschürzt. Und in mein Herz, wie Seide weiß und rein, mit Flammenfarben jede brannt' ich ein. Wie Priam fleh'nd in deinem Zelt erschien und heiße Thränen weint' ich, wenn ich dachte, daß ein Gefühl doch, Unerbittlicher, den marmorharten Busen dir durchzuckt. O laß dies Herz zwei Augenblick' in diesem Strom der Lust, wie ein besudelt Kind, sich untertauchen. Wenn es mir möglich wär, wenn ich’s vermöchte, das Aeußerste, das Menschenkräfte leisten, hab' ich gethan, Unmögliches versucht. Mein Alles hab' ich an den Wurf gesetzt. Der Würfel, der entscheidet, liegt, er liegt: Begreifen muß ich's, und daß ich verlor.




Ich war so ruhig, Prothoe, wie das Meer, das in der Bucht des Felsen liegt; nicht ein Gefühl, das sich in Wellen mir erhob. Dies Wort: sei ruhig jagt mich plötzlich jetzt, wie Wind die offnen Weltgewässer, auf. Was ist es denn, das Ruh' hier nöthig macht? Ihr steht so seltsam um mich, so verstört, und sendet Blicke, bei den ew'gen Göttern, in meinen Rücken hin, als stünd ein Unhold, mit wildem Antlitz dräuend, hinter mir. Du hörst's, es war ja nur ein Traum. Daß der Stern, auf dem wir athmen, geknickt, gleich dieser Rosen einer, läge. Daß ich den ganzen Kranz der Welten so, wie dies Geflecht der Blumen, lösen könnte. Dies Herz, weil es sein muß, bezwingen will ich's, und thun mit Grazie, was die Noth erheischt. Recht habt ihr auch. Warum auch wie ein Kind gleich, weil sich ein flücht'ger Wunsch mir nicht gewährt, Mit meinen Göttern brechen? Kommt hinweg. Das Glück, gesteh' ich, wär mir lieb gewesen, doch fällt es mir aus Wolken nicht herab, Den Himmel drum erstürmen will ich nicht. Das Unglück, sagt man, läutert die Gemüther, ich empfand es nicht. Erbittert hat es, Götter mich und Menschen in unbegriff'ner Leidenschaft empört. Wie seltsam war, auf jedem Antlitz, mir, wo ich sie traf, der Freude Spur verhaßt. Wie mögt' ich alles jetzt, was mich umringt, zufrieden gern und glücklich sehn. Der Mensch kann groß, ein Held, im Leiden sein. Doch göttlich ist er, wenn er selig ist. Heinrich von Kleist , Penthesilea






Ich gehe am See spazieren, sehe unzählige Enten und Vögel, die in der Luft herum fliegen und zwitschern. Sie piepsen leise vor sich her und singen ihr Lied des Lebens. Doch wenn ich diese Klänge höre, höre ich nur mein Sterbelied. Nun denke ich, ist auch für mich die Zeit gekommen, Abschied von dieser Welt zu nehmen… (...)





Meine liebste Marie, mitten in dem Triumphgesang, den meine Seele in diesem Augenblick des Todes anstimmt, muß ich noch einmal Deiner gedenken und mich Dir, so gut wie ich kann, offenbaren: Dir, der einzigen, an deren Gefühl und Meinung mir etwas gelegen ist; alles andere auf Erden, das Ganze und Einzelne, habe ich völlig in meinem Herzen überwunden. Nur so viel wisse, (...) daß ich sterbe, weil mir auf Erden nichts mehr zu lernen und zu erwerben übrig bleibt. Lebe wohl! Du bist die allereinzige auf Erden, die ich jenseits wieder zu sehen wünsche.



Ich kann nicht sterben, ohne mich, zufrieden und heiter, wie ich bin, mit der ganzen Welt, und somit auch, vor allen anderen, meine teuerste Ulrike, mit Dir versöhnt zu haben. (...) Du hast an mir getan, ich sage nicht, was in Kräften einer Schwester, sondern in Kräften eines Menschen stand, um mich zu retten: Die Wahrheit ist, dass mir auf Erden nicht zu helfen war. (21. November 1811)





Als ich an diesem fünfzehnten Mai, von der Liebermann-Villa kommend, immer am Großen Wannsee mit seinen Segler- und Ruderclubs entlang, auf dem Weg zur S-Bahn war, hatte ich nicht daran gedacht, dass ich ganz in der Nähe von Kleists Grab am Kleinen Wannsee war. Selbst wenn es mir präsent gewesen wäre, hätte ich mich nicht eigens auf den Weg dorthin begeben, obwohl ich es immer schon einmal besuchen wollte. So viel Ausflug und Eindrücke hatte ich, dass es für drei gereicht hätte. Ich schaute hinunter zu den weißen Booten in der Bucht vom Kleinen Wannsee und freute mich an dem Flirren und Blühen und war im Geiste schon halb auf dem Bahnsteig, als ich unwiderruflich zum Greifen nah, ein Schild zu meiner Rechten sah. Und obwohl ich in all den Jahren schon so oft in dieser Ecke war, hatte ich mich nie dahin verirrt. Ich war so übervoll von Eindrücken, dass nicht mehr viel in mich hineinzupassen schien, aber die Füße taten mir noch gar nicht weh und müde war ich auch noch nicht, und die Kamera machte mit, also warum nicht noch dieser eine kleine Spaziergang.





Ich wusste schon so in etwa um das Schicksal von Heinrich von Kleist und seiner Geliebten, aber genauer habe ich mich erst danach mit den beiden und seinen Motiven befasst. Es ist schon traurig, weil er auch das Paradiesische auf Erden erkennen konnte, das ihm aber nicht in aller Fülle zuteil wurde. Er hatte es schwer als Dichter, konnte kaum davon leben und wurde sehr zensiert und kritisiert. Der einzige Text von ihm, den ich genauer kenne, sogar recht gut, ist der Auszug aus Penthesilea, mit dem dieser Eintrag beginnt, und den ich sehr liebe, weil er mir in einer schweren Zeit aus dem Herzen gesprochen hat und mich getröstet. Obwohl das nicht das richtige Wort ist. Es gab keinen Trost, aber er hat zauberhafte Worte für das Unsägliche gefunden. Das ist meine Verbindung zu Heinrich von Kleist. Ich war überrascht, wie hügelig es dort ist, wo er liegt. Eine Allee mit Kopfsteinpflaster führt dorthin. Ein bißchen verwunschen ist es auch, dort am Kleinen Wannsee. Und danach bin ich aber wirklich zu S-Bahn und heimgefahren.




Zum zweihundertsten Todestag von Heinrich von Kleist
Heinrich von Kleist im Projekt Gutenberg
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