05. Juli 2014
Wien, Vienna. Tuchlauben. Das wird es dann auch gewesen sein, mit Pferde- und Fiakerbildern. Aber so als atmosphärischer Einstieg ist es schon angemessen, mit einem der bekanntesten Klischees aufzuwarten. Man muss aufpassen beim Bloggen, dass man eben nicht den Fehler (im wahrsten Sinne des Wortes, es würde fehlen) macht, die Klischees akribisch auszusparen, um aus einer unvirtuosen Profilierungsambition eine irgendwie andere Sicht auf einen bekannten Ort zu präsentieren. Das kann man vielleicht machen, wenn das Publikum alles bis zum Überdruss kennt, aber davon kann man nicht ausgehen. Ich meine: ich kannte es nicht, wenigstens nicht ausführlich, weil ich noch nie vorher in Wien war.
Also bitte: was will man sehen? Graffiti-Mauern, wo man nicht mehr sicher ist, ob man ein Foto aus Berlin vor sich hat oder von sonstwo? Nein! Ich will die Innere Stadt sehen, das was die österreichische Metropole so unverwechselbar, nicht austauschbar macht. Den Otto-Wagner-Krempel und die Klimt-Sachen. Und die Kaffeehäuser. Und die Pferde, und die Kutschen und den ganzen Stuck, und alles andere habe ich hier. Sonst hätte ich nicht nach Wien gebraucht. Also bitte. Und jetzt Tuchlauben. Das hört sich erst einmal nicht wie ein Name von einer Straße an, ist aber so. Es ist nicht die Tuchlaubenstraße oder die Tuchlaubenallee oder die Tuchlaubengasse oder die Tuchlaubenchaussee, nein: Tuchlauben, nichts weiter. Am Stephansplatz bin ich herausgekommen und dann irgendwie nach Lust und Laune weitergelaufen, ohne auf den Stadtplan zu schauen, mit dem einzigen Ziel, mich treiben zu lassen. Da war auf einmal die Ecke mit dem Café Korb. Es war so ein gemischtes Wetter, mal wolkig, mal schon ein bißchen Sonne. Ich blieb kurz stehen, Brandstätte Ecke Tuchlauben. Irgendetwas gefiel mir an dem Café, aber dann dachte ich, es wäre doch etwas früh, um eine Pause einzulegen, wo ich noch gar nicht viel gesehen hatte. Also bin ich weiter. Die Ecke mit dem "Actors Studio" angeschaut, da ist ein Kino drin. Der Yves Saint Laurent-Film lief gerade, den ich mir auch noch irgendwann einmal anschauen will.
Es ist also kein Ableger von der Schauspielschule in New York, wie man vielleicht denken könnte. Dann bin ich weiter, immer der Nase nach, eine Kutsche kam vorbei, ich ging in einen Hinterhof, aus Neugier. Da, wo das Schild mit der Stiege war, der runde Innenhof. Im Durchgang stand ein Handwerker, ein Maler und wartete auf irgendwas, später hat er telefoniert. Ich bin wieder aus dem Hof gegangen und weiter, Richtung "Gunkel". Ein uraltes Geschäft! (Motto: "Wäsche so fein, die kann nur von Gunkel sein!") Schon seit 250 Jahren oder so ähnlich gibt es den Laden. Im Schaufenster war Bettzeug, so Haushaltsachen. Ich dachte, vielleicht haben sie auch so Küchenzubehör, ich hätte für unsere Ferienwohnung gerne so eine Kaffeekanne zum Pressen gehabt, wo man heißes Wasser aufgießt und dann runterdrückt. Mir fällt der Name wieder nicht ein. Es gab zwar eine Kaffeemaschine in der Wohnung, aber so eine mit so einem blöden Kapselsystem, die kann ich gar nicht leiden, ja ich möchte sagen, sie sind mir zutiefst unsympathisch. Für jede einzelne Tasse so ein Plastiktöpfchen-Müll, das ärgert mich direkt! Ich hatte auch ein Päckchen Kaffee von daheim mitgenommen, aber wegen der Kapselmaschine konnte ich den gar nicht verwenden. Und dann waren auch Kapseln vorrätig und wir haben eben dann doch damit Kaffee gekocht. Das war aber an dem Morgen, bevor wir los sind, noch eine Wissenschaft. Weil Duke auch nicht gewusst hat, wie das funktioniert, haben wir erst einmal auf youtube ein Video suchen müssen, wo man sieht, wie man so eine Maschine bedient. Für alles waren Betriebsanleitungen in der Wohnung, aber nicht für die blöde Kaffeemaschine! Wir haben also zweimal ein Lern-Video auf youtube angeschaut, und uns noch dabei über uns selber kaputt gelacht, weil wir soviel Zeit damit vertrödelt haben. Blöde Witze gemacht, etwa sinngemäß: "Wenn wir Nichts von Wien gesehen haben, können wir es ja damit entschuldigen, dass wir es nicht zu den Sehenswürdigkeiten geschafft haben weil wir stundenlang auf youtube Tutorials anschauen mussten, in denen erklärt wird, wie die Kaffeemaschine funktioniert!". Langer Rede kurzer Sinn: ich bin also zu Gunkel rein, um nach so einer Pressmaschine zu schauen. Kaufhäuser waren mir bis dato nämlich noch nicht über den Weg gelaufen, später haben ich dann gelernt, dass es Kaufhäuser, wie man sie aus Deutschland kennt, hier gar nicht gibt. Gunkel hat zwei Etagen und ist riesig! Riesig ist auch die Belegschaft, wenigstens ist es mir so vorgekommen. Überall, an jeder Ecke stand eine Verkäuferin in einem gelbschwarzen Kittel, glaube ich. So eine Verkaufsuniform wohl. Und überall hieß es: "Grüß Gott!". Ein richtiger Grüß-Gott-Chor hat mich empfangen, das war etwas ungewohnt. Ich habe dann auch einen Gruß vernehmen lassen, war mir aber sehr unsicher, ob es unschicklich ist, wenn ich auf Grüß Gott mit "Guten Tag!" antworte. Vielleicht komme ich dann ja in die Gunkel-Hölle. Ich habe mich ein bißchen beobachtet gefühlt. So war es wahrscheinlich auch. Viele Kunden waren nicht im Geschäft, so hat sich die ganze Konzentration auf mich fokussiert, quasi. Ich wurde dann auch gefragt, ob ich Hilfe bräuchte, was ja eigentlich gestimmt hätte, aber ich habe dankend abgelehnt, weil ich die Befürchtung hatte, dass man mir ein ähnliches Produkt präsentiert, aber nicht das, was ich will und brauche und es dann aus lauter Höflichkeit kaufe, um die beflissene Verkäuferin nicht zu enttäuschen. Ich bin dann alleine durch die vielen Auslagen flaniert und habe recht bald gemerkt, dass es zwar silberne Salz- und Pfefferstreuer und Kerzenhalter gibt und jede Menge Tisch- und Bettwäsche, aber nicht so etwas konkret Praktisches für die Küche, also jedenfalls keine Kaffeekoch-Gerätschaften oder andere kannenartigen Behältnisse. Aber ich war mal bei Gunkel! Als ich gegangen bin, habe ich mich artig von allen Verkäuferinnen mit "Auf Wiedersehen" verabschiedet. Zumindest von denen, die mich im Fokus hatten. Als ich wieder draußen war, war ich direkt ein bißchen erleichtert. In so einem Traditionsgeschäft bewegt man sich doch ein bißchen wie in einem Kirchenschiff, man möchte nicht wegen Fehlverhaltens unangenehm auffallen. Also ich jedenfalls nicht. Draußen habe ich mich dann ausgiebig den blechernen, runden Markisen vor den Gunkel-Fenstern gewidmet. Bildschöne Konstruktion. Ich konnte gar nicht genug Fotos davon machen, wie man sieht. Sind aber auch schöne Bilder. Nicht weit von Gunkel, schräg gegenüber, ist mir der Mattoni-Hof aufgefallen, gleich fotografiert, also die Fassade. Und dann wurde es richtig schick, da bei Miu Miu, wo es zum Tuchlauben-Hof geht, da wo demnächst auch Alexander McQueen posthum einziehen wird. Die Baustellenverkleidung mit dem Jahrhundertwende-Pärchen und der Aufschrift "Goldenes Quartier" hat mir dann schon so eine Idee vermittelt, welchen Stellenwert die Ecke ungefähr hat, wo ich mich gerade befinde. Also nicht im blechernen oder Alteisen-Quartier, sondern im Goldenen Quartier! Da, wo man ein teures Geschäft aufmachen kann. Was das genauer ist, habe ich dann wieder erst daheim in Berlin ausgetüftelt und recherchiert. Jetzt bin ich schlauer. Ich weiß nun Bescheid, insidermäßig! Ach ja, ich wollte ja noch erzählen, warum ich alleine rumgelaufen bin, was aber sehr super war, weil ich es ja sonst auch immer so halte, also meinem Naturell entspricht, sozusagen. Als wir morgens in der Küche youtube-Videos über die Kaffemaschine geschaut haben, wurde nebenher auch noch verabredet, dass wir nach der Fuchs-Villa verschiedene Sachen machen. Duke hat sich in einem Café zum Wiedersehen mit seiner früheren Frau verabredet und wir haben dann gesagt, dass ich ihn später da abhole, so gegen siebzehn Uhr, also gut drei Stunden später. Darauf war ich auch schon sehr gespannt, weil ich dann ja auch mal eine Wienerin treffen würde. Ich habe mir schon gedacht, dass ich bestimmt keine Probleme hätte, die drei Stunden alleine herumzugondeln, und so war es dann ja auch. Duke wird jetzt also auch erstmalig durch die Bilder sehen, wo ich überall war. So kann man ein bißchen mit mir mitflanieren und sehen, was mir angenehm ins Auge gestochen ist. Ach ja, zum Café Korb wollte ich noch schreiben, dass ich mich schon wieder ein bißchen geärgert habe, dass ich vorher nicht gewusst habe, dass ich da vielleicht doch hätte hineingehen sollen, weil ich die Inhaberin, die Frau Widl, so interessant finde. Na ja, nun ist es zu spät. Im Keller soll auch ein modernes Klo sein, das einen Design-Preis bekommen hat. Also die ganzen Toiletten- Räume unten, ultramodern. "Dieses WC ist einen Besuch wert!" Aber oben, im Gastraum, wohl die original alte Fünfziger-Jahre-Einrichtung, von der Grundrenovierung. Na ja, ich kann es nicht beurteilen, ich war ja nun leider nicht drin! Das nächste mal dann.
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g a g a - 5. Juli 2014, 23:57