01. April 2011

Max Deibert, 16 Jahre:
Die Moral ist im Arsch.


"(...) Wer Hausaufgaben macht, braucht ein Blatt Papier, eine Internetflatrate und einen Drucker. Nach fünf Minuten hat man einen Text von irgendeinem hobbylosen Vollidioten aus dem Netz kopiert und kann danach in aller Ruhe mit Freunden chatten oder Zombies töten. Dass hinter den Texten, die man mal eben kopiert, viel Mühe und Herzblut steckt, interessiert den Dieb wenig. (...) wie man zuletzt am Fall Guttenberg beobachten konnte. Dieser ist leider kein deprimierter Zehntklässler, der endlich eine Freundin haben will, sondern war unser Verteidigungsminister, ausgestattet mit einem Adelstitel, 30 Vornamen und einem Lächeln wie Florian Silbereisen. Werde ich beim Schummeln erwischt, habe ich nicht die Möglichkeit, nach Amerika zu reisen und meinen Papa das hier für mich regeln zu lassen. Auch würde mir die Bildzeitung nicht unterstützend unter die Arme greifen und von meinem Comeback fantasieren. (...)"

Auszüge aus dem Artikel "Die Moral ist im Arsch" des 16-jährigen Berliner Schülers Max Deibert, erschienen im Berliner Tagesspiegel in der Rubrik "Schüler über Guttenberg"

01. April 2011



Einigermaßen überraschender Kommentar in der heutigen B.Z.:

German Angst.


"(...) Aber wie reagieren andere Nationen auf so etwas? Tanzen sie erst einmal Sirtaki, um die mediterrane Lässigkeit zu feiern? (...) "Typisch deutsch": Dieser genervte Seufzer ist mir in letzter Zeit andauernd begegnet. Ausgestoßen wird er grundsätzlich von Deutschen, die ihre Landsleute wahnsinnig kleinkariert und peinlich finden. Sie selbst sind natürlich ganz anders, sonst würden sie ja nicht so darunter leiden ..."Typisch deutsch" - so wird zurzeit auch die neue Atomkraft-Debatte geschmäht. Über die Gefahren nachzudenken, wird als "German Angst" belächelt. Während sich etwa die Franzosen die Laune nicht verderben lassen, nehmen die Deutschen das Unglück in Japan doch tatsächlich zum Anlass, ihr eigenes Konzept zu hinterfragen" Stephanie Jungholt, B.Z. vom 01.04.11

[ durchaus.]

29. März 2011


Das Schiff war fertig am siebenten Tag bei Sonnenuntergang. Was immer ich hatte, lud ich darein: was immer ich hatte, lud ich darein an Silber, was immer ich hatte, lud ich darein an Gold, was immer ich hatte, lud ich darein an allerlei Lebenssamen: steigen ließ ich ins Schiff meine ganze Familie und die Hausgenossen, Wild des Feldes, Getier des Feldes.


Kaum, daß ein Schimmer des Morgens graute, stieg schon auf von der Himmelsgründung schwarzes Gewölk. Eragal reißt den Schiffspfahl heraus, Ninurta geht, läßt das Wasserbecken ausströmen, die Anunnaki hoben Fackeln empor, mit ihrem grausen Glanz das Land zu entflammen. Die Himmel überfiel wegen Adad Beklommenheit, jegliches Helle in Düster verwandelnd; das Land, das weite, zerbrach wie ein Topf. Einen Tag lang wehte der Südsturm. Eilte dreinzublasen, die Berge ins Wasser zu tauchen, wie ein Kampf zu überkommen die Menschen. Nicht sieht einer den andern, nicht erkennbar sind die Menschen im Regen.


Vor dieser Sintflut erschraken die Götter, sie entwichen hinauf zum Himmel des Anu. Die Götter kauern wie Hunde, sie lagern draußen. Es schreit Ischtar wie eine Gebärende, es jammert die Herrin der Götter, die schönstimmige: "Wäre doch jener Tag zu Lehm geworden, da ich in der Schar der Götter Schlimmes geboten! Wie konnte in der Schar der Götter ich Schlimmes gebieten, den Kampf zur Vernichtung meiner Menschen gebieten! Erst gebäre ich meine lieben Menschen, dann erfüllen sie wie Fischbrut das Meer! Die Anunnaki-Götter klagen mit ihr, die Götter sitzen da und weinen.


Sechs Tage und sieben Nächte geht weiter der Wind, die Sintflut, ebnet der Orkan das Land ein. Wie nun der siebente Tag herbeikam, schlug plötzlich nieder der Orkan die Sintflut, den Kampf, nachdem wie eine Gebärende sie um sich geschlagen. Ruhig und still ward das Meer, der böse Sturm war aus und die Sintflut. Ausschau hielt ich einen Tag lang, da war Schweigen ringsum, und das Menschengeschlecht war ganz zu Erde geworden Gleichmäßig war wie ein Dach die Aue. Da tat ich eine Luke auf, Sonnenglut fiel aufs Antlitz mir; da kniete ich nieder, am Boden weinend, über mein Antlitz flossen die Tränen.




1973

Nach Ufern hielt ich Ausschau in des Meeres Bereich: auf zwölfmal zwölf Ellen stieg auf eine Insel, zum Berg Nißir trieb heran das Schiff. Der Berg Nißir erfaßte das Schiff und ließ es nicht wanken; einen Tag, einen zweiten Tag erfaßte der Berg Nißir das Schiff und ließ es nicht wanken; einen dritten Tag, einen vierten Tag erfaßte der Berg Nißir das Schiff und ließ es nicht wanken; einen fünften und sechsten erfaßte der Berg Nißir das Schiff und ließ es nicht wanken. Wie nun der siebente Tag herbeikam, ließ ich eine Taube hinaus; die Taube machte sich fort und kam wieder: kein Ruheplatz fiel ihr ins Auge, da kehrte sie um. Eine Schwalbe ließ ich hinaus; die Schwalbe machte sich fort und kam wieder: kein Ruheplatz fiel ihr ins Auge, da kehrte sie um. Einen Raben ließ ich hinaus; auch der Rabe machte sich fort; da er sah, wie das Wasser sich verlief, fraß er, scharrte, hob den Schwanz - und kehrte nicht um.


Da ließ ich hinausgehn nach den vier Winden; ich brachte ein Opfer dar, ein Schüttopfer spendete ich auf dem Gipfel des Berges: sieben und abermals sieben Räuchergefäße stellte ich hin, in ihre Schalen schüttete ich Süßrohr, Zedernholz und Myrte. Die Götter rochen den Duft, die Götter rochen den wohlgefälligen Duft, die Götter scharten wie Fliegen sich um den Opferer. Sobald wie die Mach herzugekommen, hob sie die großen Fliegengeschmeide empor, die Anu ihr zum Vergnügen gemacht: "Ihr Götter hier, so wahr des Lasuramuletts an meinem Halse ich nicht vergesse, will ich die Tage hier, fürwahr, mir merken, daß ewig ihrer ich nicht vergesse! Die Götter mögen nur kommen zum Schüttopfer! Doch Enlil soll nicht kommen zum Schüttopfer, weil er unüberlegt die Sintflut machte und meine Menschen dem Verderben anheimgab.


Ea tat zum Reden den Mund auf und sprach zu Enlil, dem Helden: "O Held, du Klügster unter den Göttem! Ach, wie machtest unüberlegt du die Sintflut?! Seine Sünde leg auf dem Sünder! Seinen Frevel leg auf dem Frevler! Lockere, daß nicht ganz abgeschnitten werde; Ziehe hin, daß nicht getötet werde! Statt daß eine Sintflut du machst, mag ein Löwe aufstehen, die Menschen zu mindern! Statt daß eine Sintflut du machst, mag ein Wolf aufstehen, die Menschen zu mindern! Statt daß eine Sintflut du machst, mag eine Hungersnot gesandt werden, das Land zu fällen! Statt daß eine Sintflut du machst, mag Era aufstehen, die Menschen zu erwürgen! Nicht aber enthüllt' ich der großen Götter Geheimnis! Den Hochgescheiten ließ ich schaun einen Traum! So vernahm er der Götter Geheimnis; schaffet nun für ihn Rat!"


Da hat Enlil das Schiff bestiegen, meine Hand gefaßt, mich einsteigen lassen, lassen einsteigen, knien mein Weib neben mir, hat berührt unsre Stirn, zwischen uns stehend, uns segnend: "Ein Menschenkind war zuvor Utnapischtim; uns Göttern gleiche fortan Utnapischtim und sein Weib! Wohnen soll Utnapischtim fern an der Ströme Mündung!" Da nahmen sie mich und ließen mich fern an der Ströme Mündung wohnen.



[ Fragmente des Gilgamesch-Epos / 11. Tafel. 2100 - 600 v. Chr. aus dem Raum Babylonien bis Kleinasien überliefert, von Prof. Dr. Albert Schott übersetzt und in das von ihm vermutete Versmaß gesetzt. ]

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