Hausaufgabe
Irgendwann braucht man nicht mehr viele neue Sachen. Lieber beseelte. Nahrung. Geist. Und was sich verbraucht. Einatmen, ausatmen. Bei einem oder zwei, oder allen vielleicht dann ein herzhaftes
Ja. Ich finde das heraus.
Ein komisches Spiel fällt mir da ein. Ich hatte eine Freundin als Kind, die ich nach der Schule fast immer besuchte. Ute wohnte um die Ecke, ich konnte zu Fuß hinlaufen. Vielleicht war ich sieben oder acht. Oder neun. Ich aß oft das warme Mittagessen, das ihre Mama kochte, weil es bei uns daheim erst am Abend warmes Essen gab. Vor allem wegen meinem Vater.
Ich erinnere mich an den Geruch im Flur. Nicht unangenehm, ein kleines bißchen süß aber nicht zu sehr, ganz appetitlich, vielleicht vom bestimmt guten Parfum ihrer Mutter oder noch eher von irgendeinem Weichspüler in frischer Wäsche. Nicht steril. Auch ein bißchen nach Essen. Und irgendein dunkelrotschwarzgrünkarierter Vorhang vor einem Schuhregal. Komisch, dass ich mich überhaupt nicht mehr erinnere, was es genau zu essen gab. Aber es waren andere Sachen als bei uns zuhause. Wenn ich darüber nachdenke, kommt es mir vor, als hätte sie oft bunte Nudel- und Reisgerichte gekocht, auch mit Käse. Und gefüllte Paprika, grün und rot und Eintöpfe mit Reis und Gemüse. Das Wort Risotto kannte damals kaum einer. Oder man hat das Wort nicht benutzt.
Dass sie eine echte Barbiepuppe hatte, ist gerade egal. Für uns war der Quelle-Katalog außer Malen, Barbie, Knetgummi und Geschichten erzählen das tollste Spielzeug. Es kommt mir vor, als hätten wir uns stundenlang damit beschäftigt, die Bilder anzuschauen. Das Spiel war, zusammen die nächste Seite umzublättern und so schnell wie möglich mit dem Finger auf die Sachen zu zeigen, die einem am besten gefallen. Ich weiß gar nicht mehr, ob es darum ging, dass eine von uns beiden schneller war. Eher kommt es mir vor, als wäre das Wichtigste der Spaß am schnellen Ausgucken gewesen, um zu sehen, ob die Freundin denselben Geschmack hat. Wenn man dann gleich schnell auf dasselbe getippt hat und sich die Finger berührt haben, haben wir vor lauter Begeisterung ganz aufgeregt gekichert. Man wusste ja so gut wie nie, was auf der nächsten Seite kommt, so dick war der Katalog. Es gab auch einen Otto-Katalog. Und noch einen von Schöpflin. Aber der Quelle-Katalog war die ungeschlagene Nummer Eins.
Ich würde gerne in die Vergangenheit schauen können und unsere Kindergesichter sehen, wenn wir die Seite umgeblättert haben, wo die rotschwarze Büstenhebe drauf war. Oder die komischen Sachen, die es auch beim Tina-Versand gegeben hat. Und Hunde waren im Katalog. Richtige echte Hunde! Einen Pudel oder einen Dackel oder einen Schäferhund konnte man sich bestellen. Und die ganz kleinen Hunde mit der Schleife oben, wo mir der Name jetzt nicht einfällt. Oder einen Cockerspaniel. Sogar ein Bernhardiner war dabei! Und ein Collie natürlich. Als Kind hat mir immer der Cockerspaniel, der Collie und der Bernhardiner am besten gefallen. Heute gefällt mir aus dem Sortiment am besten der Schäferhund.
Mittag bei Ute, 1973