22. juni 2005

huehnergott
hühnergott von sprengisandur

22. juni 2005

auster
paul auster, die erfindung der einsamkeit

22. juni 2005

am wannsee riecht die luft nach sommerferien, nach wasser und bäumen, nach wald und blüten und neugieriger aufbruchstimmung an sommerlichen bahnhöfen. mexikoplatz. lindenthaler allee. um richtung zoo zu fahren oder wittenbergplatz. ich lief heute von nikolassee bis zum waldfriedhof in zehlendorf, einen weg, den ich noch nie gelaufen war. und erkannte ihn doch. so war es, durch den sommer zu laufen. was für eine ecke. ich war ganz durcheinander vor lauter schönheit. die bäume sind nicht um die häuser gepflanzt, sondern die häuser zwischen die bäume. man erkennt noch den wald und doch ist es licht. zwischen gepflasterten alten wegen eine große naturgeschützte wiese. kopfsteinpflaster. ein paar dauerläufer. keine erbärmlichen einheits- kleinwagenkolonnen am wegesrand. das blech in kaum erkennbaren garagen. man muß sich nicht entschuldigen, weil man verwunschene villen lieber mag, als drittklassigen altbau. ich liebe vogelgezwitscher.

und dann - wieso hat es am s-bahnhof wannsee nur so unfassbar gut gerochen. ich meine - ich erkannte den geruch, ich hatte es einfach vergessen. ich stieg gedankenlos aus dem bus, um zur s-bahn zu gehen und da war dieser betäubende blütenrausch mit diesem besonderen geruch von nahem wasser. beinah hätte ich mich auf eine der bänke gesetzt und ein bier bestellt, um die kribbelnde luft zu inhalieren und eine plötzlich auftauchende euphorie zu füttern. und dann dachte ich... wo wohne ich eigentlich.

20. juni 2005

suedwestkorso

noch vor wenigen jahren hätte ich kaum geglaubt, dass ich eines tages auf dem weg vom südwestkorso zur stubenrauchstraße derart sentimentale gefühle bekommen könnte. vielleicht, weil es so ein warmer sonntagnachmittag war und so ein unerwarteter frieden in den hier so breiten straßen. und die luft so lau. straßen, breit genug, um in der mitte der beiden spuren wilde rosen wachsen zu lassen. ein weg, an dem keine stadtrundfahrt entlangfährt.

sieben jahre hatte ich eine zweizimmerwohnung mit balkon in einer parallelstraße. bis es mir in verschiedener hinsicht zu ruhig schien und ich unwiderstehliche lust bekam, den ruhelosen osten zu entdecken. und jetzt laufe ich an den alten häusern entlang und mag die spürbare abwesenheit von trendgebildeten überspanntheiten. die abwesenheit der medial fixierten effekthascherei, die in den lebensadern mitte-zuge- wandter bezirke pulsiert.

west-berlin. ein warmes gefühl. ungefragt und unberufen, macht sich unversehens breit. was für ein schöner später frühsommertag, um den friedhof in der stubenrauchstraße nach vielen jahren wieder zu besuchen. ich überlegte noch während der fahrt mit der s-bahn, eine blume zu kaufen, aber als ich das blühen um mich sah, pflückte ich lieber eine wilde weiße rose.

das grab, das ich nicht gleich fand, liegt nur wenige gräber neben marlenes. helmut newton hat einen sanften platz in der sonne. ein efeugrab. heiter und friedlich. und so war mir, als ich den alten friedhof zwei stunden später verließ und das alte mietshaus mit dem sonnen- schirm auf dem balkon fotografierte.

unweit dieser gegend, in der innsbrucker straße vierundzwanzig, wurde helmut newton geboren. eine straße weiter, in der verkehrsrei- chen bundesallee lebte marlene viele jahre, bis sie in der premieren- nacht des blauen engels, am zweiten april neunzehnhundertdreißig, ihr schiff nach amerika bestieg. damals hieß die große befahrene straße kaiserallee. nummer vierundfünfzig.

vor meinen jahren in dieser ecke lebte ich wiederum sieben jahre in schöneberg, in der straße, die später nach dem widerstandskämpfer julius leber benannt wurde. als marlene dort geboren wurde, hieß die straße sedanstraße. ich wohnte in nummer vierundfünfzig.

ein paar meter weiter, schräg gegenüber, nummer fünfundsechzig, steht marlenes geburtshaus, das haus, in dem sie ihre kindheit ver- brachte. ich wusste es, weil ich es in verschiedenen biographien über sie gelesen hatte und lief damals immer wieder an dem unspekta- kulären mietshaus vorbei und wunderte mich, dass es keine würdi- gung gab. dann starb marlene und seither gibt es eine gedenktafel.

als ich im flirrenden sommerlicht zurückschlenderte, war mir, als wäre die zeit für eine kleine weile stehengeblieben. als hätten laute uhren aufgehört, furchtbar wichtig zu ticken.

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