22. November 2025

Unglamouröser Sonnabend, putze die "Kunststein"-Fliesen vom Küchenboden. Teufelszeug. Dachte seinerzeit, wenn ich etwas auf diese fußkalten Fliesen lege, die so so kalt sind wie Marmor, aber eine Oberfläche haben, die Gestein nur imitiert, werden sie ja auch geschont und ich muss das Imitat weder sehen noch fühlen. Auf die Idee, dass sich Latexunterboden von Seegras-Auslegware nach einigen Jahren auflöst und krümelt und eine krustige Vermählung mit den Scheiß-Fliesen eingeht, wäre ich im Traum nicht gekommen. Bräunliche, betonharte Schlieren und Punkte, denen ich nur mit dem Ceranfeldschaber beikomme. Schrubben hat nichts gebracht. Da die Oberfläche der Fliesen auch sauber nicht glatt ist, sondern - mir fehlt das Adjektiv - es ist wie ein Relief aus tausend Pünktchen - für einen matten Effekt vermutlich - kann ich mit dem Schaber nicht zügig drüber, sondern kratze tw. mit den Ecken in die Vertiefungen um die Latexsommersprossen wegzukriegen. Hatte auch schon den Zauberschwamm versucht, Spülmittel, Topfreiniger, WC-Reiniger, Badreiniger, Alkohol, Öl, bringt alles so gut wie nix. Die meisten sind sauber, noch ca. fünf übrig. Das Geräusch ist auch unangenehm, ich hoffe, es dringt nicht zu den Nachbarn durch, ich kratze schon so behutsam wie möglich.

Und dann muss ich noch den neuen Seegrasbelag zuschneiden und darunter diesmal einen weiteren Zuschnitt von so einer Antirutschmatte, die dann beim nächsten Auflösungsprozess mit dem Latex Verlobung feiern kann. Ok, 26 Jahre waren auch lang. Muss nun auch noch denken, dass wenn ich überhaupt noch so lange lebe und hier sein sollte, das jetzt mit Sicherheit meine letzte Aktivität in der Richtung ist. Schon komische Gedanken.

Außerdem denke ich dauernd, wirklich permanent, an diese bemerkenswerten Kessler Zwillinge. Ob sie sich noch mal schön gemacht haben, an ihrem letzten Tag, ich denke schon. Die waren ja so gepflegt und wenn man Besuch zu Hause erwartet, macht man sich ja zurecht. Und ob sie in einem der beiden Schlafzimmer zusammen waren, im selben Bett oder in einem der Wohnzimmer unten. Ich stelle mir vor, sie haben sich an den Händen gehalten. Es soll ja wahnsinnig schnell gehen, sobald das Narkotikum fließt. Zwei Minuten, und weg. Eingeschlafen. Ich verstehe auch, das sie keine Freunde dabei haben wollten und es denen auch nicht gesagt haben, wann genau sie sich verabschieden. Das hätte die nur belastet. Würde ich auch nicht machen. Meine Mama hätte auch gerne so einen Abschied genommen, ich wusste damals gar nicht, dass es inzwischen diese legale Möglichkeit in Deutschland gab. Aber bin auch froh, dass ich nichts in die Wege leiten musste.

Gut zu wissen, dank der umfangreichen Berichterstattung zu den Zwillingen, dass es diese Hilfestellung gibt. Man wüsste ja gar nicht genau, wie man das selbst dosiert und die Kanüle legt. Nur die Preise finde ich einigermaßen übertrieben, angesichts des geringen Preises des Mittels. Na gut, die Beratung und die Gutachten und der Jurist und der Arzt, die haben auch ihren Stundensatz, aber viertausend Euro pro Nase ist schon happig. Man will doch nur schmerzfrei gehen. Jetzt ist da dieses Haus, das sie samt ihrer sonstigen Besitztümer vermutlich zum Verkauf angedacht haben und der Erlös wird dann auf die im Testament verfügten Erben, diverse gemeinnützige Einrichtungen und Vereine verteilt. Aber wer kümmert sich um das Nachlassverfahren? Und die Organisation der Beisetzung? Freundin Carolin? Es gibt wohl keine Angehörigen, jedenfalls keine die nah genug wären, um da angesprochen zu werden. Das ist sicher nicht im Preis der Erlösung inbegriffen gewesen. Ich weiß, dass das Amtsgericht einen Testamentsvollstrecker berufen kann. Das ist eine Funktion innerhalb des Nachlassgerichts. Ich hab mich damit beschäftigt, als ich verschiedene Auskünfte im Nachlassverfahren meiner Mama brauchte, um das ich mich gekümmert hatte. Vielleicht aber haben sie doch eine Vertrauensperson namentlich benannt, der sie es zutrauten. Also das geht mir so alles durch den Kopf dieser Tage.

21. November 2024

Eben gelesen, eine langjährige Freundin von Alice und Ellen Kessler, Gabriele Gräfin zu Castell-Rüdenhausen (eine der zwei Töchter von UFA-Filmstar Luise Ullrich) erinnert sich: „Wir sind jahrelang jeden Samstag joggen gegangen. Und zwar so schnell, dass keiner mithalten konnte. Einmal war sogar Carlos Kleiber, der Dirigent, dabei – der hat gleich aufgegeben“, erinnert sie Gabriele Castell. „Wissen Sie, die beiden waren so rein, in ihrem Erscheinen, wie in ihren Gedanken. Nur ihre Witze waren dreckig.“

20. November 2025

Dr. Nicolai van der Meer wirkte ganz anders, als ich aufgrund seines Fotos erwartet hatte. Introvertierter. Mir sehr angenehm. Er ist vollumfänglich im Thema. Interessant, dass er meinte, es gäbe seines Wissens sehr viele Neurologen, die selbst unter Migräne leiden. Ich erwähnte den Hirnforscher, der u. a. identifiziert hatte, dass bei Migräne-Patienten durchgängig höhere Gehirnaktivitäten messbar seien, wie ein unausgesetzter Starkstromfluss. Bzw. bemühte jener Forscher den Vergleich eines Porsche im Kopf, der permanent die Höchstgeschwindigkeit ausfährt; van der Meer ergänzte, dass ein weiterer kleinster gemeinsamer Nenner sei, dass es sich um extrem gewissenhafte Personen handele. Wenn ich mir diejenigen vor Augen führe, von denen ich weiß, dass sie damit zu tun haben, fällt mir die eng getaktete Wahrnehmung von allem, was sich in der Umgebung tut auf, als ob ständig ein 360-Grad-Scan stattfindet. Das Gegenteil von jemandem, dem ganz viel schnuppe ist. Ergebnis des heutigen Besuchs: zwei andere Triptane testen, inclusive Spray und Hausaufgabe Kalender führen.

19. November 2025

Die 'California Girls' - jetzt mit Foto!

18. November 2025



Oh... so lasziv hab ich die beiden in ARD und ZDF nie gesehen. "The Danny Kaye Show" feat. the "Kessler Twins" 1966, CBS.

17. November 2025



Farewell, Alice und Ellen Kessler. Berührt mich, die heutige Nachricht von ihrem gemeinsam gewählten Abschied vom Leben.

17. November 2025



MANGO-MUFFLON MARLENE. Handtaschenverschlussteile, Budapester Schuh-Fragmente, Rotwein-Etikett, Samtband, Leder-Schnürschuh-Fersenstücke, Ess-Stäbchen, dunkelgrüne Blumentopf-Stäbchen, Griffe von drei abgearbeiteten Pinseln, Furnierholz-Brett von Mango-Schrank-Verpackung, Kleber, 50 cm x 90 cm, 25. und 28. August u. 6. September 2023, Staatliche Museen von Gaganien. Ausstellung Jan. 2025, Sevenstar Gallery.



NEMRUT. Unterlagekarton Pouring Mitte August bis September 2019, Finish: Acryl, Goldmarker, Blattvergoldung Rahmen, 26. und 27. Oktober 2019, 45 x 55 cm, Staatliche Museen von Gaganien

16. November 2025







GAGA-ECHSE. Königreich Gaganien, 21. Jh., Rahmenrückwand, Metallteile vergessener Herkunft, gold-gesäumte Spiegelpaillette, allerletztes 10-Pfennig-Stück, Verpackung von YSL-Lippenstift, YSL-Puderrouge, YSL-Nagellack, YSL-Wimperntusche, 29 cm x 35 cm, 7. April 2002 Auguststraße, Staatliche Museen von Gaganien. Ausstellung "Welcome to Gagania", Jan. 2025, Sevenstar Gallery.



15. November 2025



"Noch im Schlaf versuchte sie immer wieder, ein Stück der Decke an sich zu ziehen, aber er hatte sie ganz für sich genommen, lag in sie eingewickelt, leicht schnarchend, abgewandt. Sie fror, zog die Beine an sich und erwachte, als etwas ihr Gesicht streifte, nicht seine Lippen oder seine Hände, sondern die Gardine im Morgenwind. Graues Licht vom Fenster her begann in sie heineinzufließen und die träumerische Wärme abzukühlen. Das war unangenehm, etwa wie das langsam Einfließen kalten Wassers in ein warmes Bad. Sofort kniff sie die Augen wieder zu und versuchte, in den Leib des gemeinsamen Schlafes zurückzukriechen. Behutsam zerrte sie die Decke unter seiner Seite hervor und schmiegte sich eng an seinen gekrümmten Rücken, machte sich ganz breit, flach und porös, um soviel wie möglich von seiner Haut zu berühren, Wärme und Schlaf mit den Poren zu trinken und das Wehen des Schlafatems in sich hineinzunehmen. ...................................................... Aber es ging schon nicht mehr. Zuviel Haut dazwischen, zuviel Schlaf auf seiner, zuviel Wachheit auf ihrer Seite. In die Zärtlichkeit bei der Berührung ihrer kühl gewordenen mit seiner warmen Haut mischte sich eine Spur Dégoût, eine ganz leise Regung von Aversion. Dabei wartete sie schmerzlich darauf, daß er sich umwende und unter schläfrigem Gemurmel Brust und Schoß mit seinen Händen umschließe und sie so wieder annähme und dem grauen Licht entzöge, aber schon trieb die gewendete Strömung sie von ihm weg. Kühl blinzelte sie über seine Schulter, den schwärzlichen Flaum, der sich im Wind ihrer Atemzüge bewegte und nahm stückweise mit wachsendem Widerwillen die Details der ausrinnenden Nacht zur Kenntnis: Die beiden Gläser Rotweinrest, Aschenstange der vergessenen Zigarette, deren Erinnerung als fade parfümierte Süßigkeit im Dunstgemisch der Gerüche hing, verstreute Kleider und Wäschestücke, von Hand und Fuß fiebernd in die Nacht geschleudert und nun kläglich und deformiert wieder auftauchend, wie Trümmer und Tang aus der zurückweichenden Flut. Verstreut auch sie: Hand vom Bettrand herabhängend, Brust achtlos vor den Spiegel geworfen und im Glas wiederholt, Haar auf der Schwelle verschüttet, Augen wie abgestreifter Schmuck aus Bodenritzen leuchtend. Wahrhaftig, man sollte Ordnung herstellen, ehe der Tag die Decke wegzieht. Sie rückte heftig von ihm ab, die winzige Flamme träger Zärtlichkeit in ihrem Schoß erlosch unter einem kalten Guß, denn nun saß sie aufrecht, umfaßte alles mit einem Blick, auch ihn nur als ein Stück Trümmer im allgemeinen Verfall, und nahm sich entschlossen heraus, mit steilem Rücken und wachsam erhobenen Kopf, die Haare mit dem wiedergefundenen Band so fest zurückbindend, daß es wehtat."



Ruth Rehmann, Illusionen, 1959 bei Suhrkamp erschienen, S. 102, 103. Passage aus dem Kapitel "Das erste Kleid", das sie 1958 beim Treffen der Gruppe 47 in Großholzleute las und dafür beinah den Preis der Gruppe bekommen hätte. Günter Grass las auch, aus der unveröffentlichten Blechtrommel, erhielt den Preis. War aber knapp. Anhand der Rezensionen, die betonen, dass es sich um eine Art Portrait der Wirtschaftswunderzeit handelt, hatte ich nicht mit derart intensiven emotionalen Notizen und für mein Gefühl völlig zeitlosen Empfindungen gerechnet. Gefällt mir sehr.

15. November 2025







Bemerkenswertes Buch. Der lieblose Einband gefiel mir gar nicht, die obere Schicht abgezogen. Nehm es jetzt viel lieber in die Hand.






21.47
a
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