Noch so ein Lieblingsbild von mir, das Original ist irgendwo in Privatbesitz.
André Lhote hat es gemalt. Er wurde 1885 in Bordeaux geboren und starb 1962 in Paris und wird gerne in die Kubisten-Schublade gesteckt, aber ich finde, das wird ihm nicht gerecht. Seine Bilder würden auch gut ins Berliner Brückemuseum passen. Dieses prachtvolle Werk heißt
„L’Atelier sur la terrasse de Mirmande“ und ist aus dem Jahr 1957. Lhote unterrichtete auch Malerei, unter anderem die legendäre Tamara de Lempicka, was insofern interessant ist, als ich bislang dachte, der unverwechselbare Stil von Lempicka sei originär ihr ureigener. Wenn man aber Bilder von Lhote aus früheren Jahren sieht, tritt zutage, dass Lempicka offenbar von ihm inspiriert wurde. Er hat im Laufe seines Lebens, wie die meisten großen Maler, in verschiedenen Richtungen stilistisch experimentiert. Dieses farbenfrohe Gemälde von Mirmande habe ich als kleineren, schön gerahmten Druck in meinem Atelier, weil es mich so inspiriert. Auch niemals in echt gesehen. Ich weiß nicht einmal, welche Größe das Original hat, ich kann nur vermuten. Vielleicht 60 x 80 cm. Oder größer. Oder kleiner. Keine Ahnung.
Manchmal stellt man sich Bilder größer vor, als sie tatsächlich sind. Beispielsweise die Gemälde von Frida Kahlo. Weil ihr plakativer, großzügiger Stil nach Größe schreit und die Bilder ab einer gewissen Größe auch gut wirken würden, dachte ich immer, sie müssten groß sein. Habe nie auf die Maßangaben geachtet, wenn ich einen Bildband durchblätterte. Als ich dann viele ihrer bekannten, zentralen Werke bei einer Retrospektive im Gropius Baus ‚in echt‘ sah, war ich bei fast allen von der Kleinformatigkeit enttäuscht. Geradezu läppisch klein sind die meisten Bilder. Teilweise sind die Abdrucke auf Kalenderblättern größer als die Originale. Eine Enttäuschung. Aber auch wieder erklärbar durch ihre Körperbehinderung. Im Bett auf dem Rücken liegend, kann man schlecht große Formate bearbeiten. Das ist schon bei guter Gesundheit eine gymnastische Herausforderung, da braucht man einen gesunden Rücken.
Zurück zu Lhote, den viele gar nicht kennen, und auf den ich selbst auch erst recht spät aufmerksam wurde, nämlich durch die Beschäftigung mit dem Meisterfälscher Beltracchi, der gerne auch mal den einen oder anderen Pseudo-Lhote auf den Kunstmarkt geschmissen hat. André Lhotes Gemälde „La danse au bar (Gypsy Bar)“ wurde 2007 bei Christie’s in New York für 2,7 Millionen Dollar verkauft, was bei aktuelleren Verkäufen so aufgerufen wurde, finde ich auf die Schnelle nicht, aber eher selten fallen die Preise für solche Meisterwerke ja. Beltracchi hat zudem für eine zusätzliche Popularität des einen oder anderen Malers gesorgt. Wenn ich das Bild also mein eigen nennen dürfte, hätte ich ein weiteres Werk im Wert einer feudalen Immobilie in meinem Heim. Es wäre schon eine sehr feine Sammlung. Na ja, Träumen kostet ja zum Glück nichts.