24. April 2012



Ich will kurz für Kenner der Materie erklären, warum der furiose DHM-Anbau, die gläserne Spirale von Ieoh Ming Pei in meinen Bildstrecken vom Deutschen Historischen Meusum keine Rolle spielt. Wer es nicht kennt, wer Berlin nicht kennt, weiß freilich nicht, wovon ich rede. Hinter dem alten Zeughaus gibt es eine den Zeughaushof überdachende Glaskonstruktion, die in diesen wunderbaren Ausstellungsanbau mündet, der Skulptur einer gläsernen Spirale. Grandios. Genau genommen zog mich dieses Stück neuer Architektur noch mehr an - visuell - als die historischen Exponate. Zumindest eingangs - im wahrsten Sinne des Wortes. Die Spirale ist nur der Eingang. In diesem Neubau sind wechselnde Ausstellungen, im alten Zeughaus die ständige Ausstellung über die deutsche Geschichte bis 1994. Nun war es nicht der hellste Nachmittag, an dem ich hinging. Schon während ich die Spirale fokussierte, dachte ich bei mir, ungünstigere Lichtverhältnisse hätte man sich nicht aussuchen können. Bedeckter Nachmittag. Na ja. Ich fotografierte die gläsernen Wände gegen den düsteren Himmel, was auch interessant war, aber nicht eigentlich, was ich wollte. Ich dachte, gut - ich versuche was geht und dann irgendwann eben noch mal bei idealem Licht.



Ein bißchen ging mir der Gedanke aber doch quer, weil ich allenthalben einen unheimlichen Drang nach effizienter und abschließender Vorgehensweise habe. Man könnte auch sagen, ich lote Sachen gerne vollständig aus und hake sie dann ab. Wie man Länder abhakt, die man einfach mal gesehen haben will. Ich bin überhaupt kein Typ, der Sehnsucht nach einem Ferienort hat, den man Jahr für Jahr immer wieder aufsucht. Da bin ich doch eher Schwester im Geiste mit Farin Urlaub, der sich zum Ziel gesetzt hat, alle 194 Länder der Erde in seinem Leben zu bereisen, so viel wie nur möglich zu sehen. Um seinen inneren Horizont zu weiten. Also gut. Um es kurz zu machen: ich hatte Bilder davon, sie waren nicht schlecht, sie waren auch charismatisch und atmosphärisch aber ich habe sie - ja - das passiert alle zwei drei Jahre mal - versehentlich gelöscht. Und ich hatte keine Lust auf diesen Wiederherstellungszirkus auf der Festplatte. Das Spielchen kenne ich schon. Dann dachte ich auch: eigentlich auch o.k. - jetzt habe ich eine viel größere Motivation, mir dieses wunderbare Stück Architektur noch einmal extra vorzunehmen. Und deswegen betreten wir zwar das alte Zeughaus durch diesen Anbau, aber man sieht so gut wie gar nichts davon. Wir konzentrieren uns also hingebungsvoll auf das alte Zeughaus. Man geht durch das neue Gebäude, wo man auch die Eintrittskarte ersteht, über eine Treppenunterführung wieder nach oben in den überdachten Zeughaushof und schreitet über einen langen roten Teppich zum Eingangsportal des alten Zeughauses, wo uns die deutsche Geschichte erwartet. Ich hatte keinerlei Vorstellung, was die Ausstellungsarchitektur angeht, ich war völlig unvorbereitet und es war ein idealer Zeitvertreib für einen Sonntagnachmittag im Februar.



Und wenn ich durch das Portal gegangen sein werde, werden wir uns im Foyer befinden, das ebenfalls eine eigene Strecke verdient. Wegen der Treppe und - für mich nach der Lektüre von Albert Speers Erinnerungen von besonderem Interesse - wegen einer Figur von Arno Breker, einer Replik einer verschwundenen heroischen Skulptur aus der Neuen Reichskanzlei. Ich mag rote Teppiche, stelle ich fest. Es fühlt sich überhaupt gut an und eigentümlich selbstverständlich über den Hof zu gehen. In solchen feudalen Stätten empfinde ich selten ein Gefühl von Ehrfurcht. Ich freue mich über den architektonischen Aufwand, der früher getrieben wurde, die Großzügigkeit, die baulichen Details, die Arbeit der Stukkateure. Man könnte auch sagen, ich laufe nach Gutsherrenart durch solche Objekte. Das amüsiert mich, seit ich denken kann. Dann fällt mir wieder ein, dass ich mir schon als Kind, wenn es einen Ausflug in ein Ludwig-Schloss gab, überlegte, dass als König arbeiten auch vorstellbar wäre, wenn ich dann mal groß wäre. Also König. Nicht Königin. Niemals Prinzessin. Eindeutig König. Aber nicht als ersehnte, verklärte und unerreichbare Wunschvorstellung, sondern handwerklich gedacht, "da wüsste man dann wenigstens, wie das geht, das ist nicht so schwer". So ein König-Ludwig-König, romantisch und visionär, der verantwortungsbewusst seiner Vorbildfunktion und seinen in Gottes Namen anstehenden Repräsentationsverpflichtungen zum Wohle des Landes und seines hochgeschätzten Volkes mit Anstand, Würde und modernem Gedankengut Folge leistet. Weiß der Henker, woher das kommt. Deswegen neulich auch die Idee mit meinem Vorschlag ich als Bundespräsident. Präsidentin muss es wohl heißen. Ist ja auch wurscht! Ich wäre eine gute Repräsentantin für dieses Land. Das glaube ich wirklich. Mal schauen, auf was für Ideen ich noch komme und wo es mich hinverschlägt! Man darf gespannt sein. Oder wie der gute Farin sagt, "Das Schönste am Reisen ist, das man nicht weiß, was als Nächstes passiert."

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Margarete 20. Dezember...
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Saskia Rutner Sieht...
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