09. Juni 2014
So ein Visconti-Gefühl stellt sich ein. Welches Jahrhundert? Wo sind wir? Ich weiß es nicht. Gleich kommt der junge Helmut Berger durch die Flügeltür zu uns in den Großen Salon. Er zieht eine kleine, verächtliche Schnute, weil in der Kristallkaraffe mit dem alten Cognac nur noch eine kleine Pfütze ist, die gerade den Boden bedeckt. Das muss das Personal doch bemerken. Nun gut. Wir sagen nichts. Helmut setzt sich in eines der zierlichen Art Nouveau-Sesselchen, schlägt die Beine in hohem Bogen übereinander und zündet sich eine Zigarette an, die er ein bißchen affektiert zwischen Zeige- und kleinem Finger hält. Bei jedem anderen wäre man genervt von einer derartigen Haltung, aber bei Helmut ist es anders. Es passt einfach zu ihm, zu seinen virtuosen Extravaganzen. Dafür lieben wir ihn. Nein, jetzt lieber doch keine Musik. Wir lassen ihn besser eine Weile alleine, er muss sich erholen, der gestrige Abend war sehr lang, ein bißchen arg viel Champagner vielleicht. Mit schweren Lidern, dem Blick eines Reptils, das absolut alles gesehen hat, streift sein Blick durch die großen Fenster zur Terrasse und bleibt am Arsch der dicken Frau hängen. Nur ein wenig erholen, etwas ausruhen. Wir verständigen uns wortlos und gehen behutsam nach nebenan, ins Kaminzimmer.
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g a g a - 9. Juni 2014, 17:33
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