20. April 2014
Von wegen Auferstehung. Dass ich nicht lache. Voll der Vorfreude und Inbrunst hielt ich mich für die Auferstehung von meinem Heiland GRT896HP, meinem ersten Klapprechner namens Vaio bereit, der Anno 2009 in die Totenstarre fiel, nachdem ihn teuflische Werkzeuge Ungläubiger gemartert hatten. Ein böser Trojaner und ein ekelhafter Wurm namens Sasser. Sein kleiner Bruder hält mir seitdem tapfer die Stange und reicht mir die Hostien für die heiligen Internet-Messen. Aber heute, so dachte ich, wäre die Stunde gekommen, der Auferstehung beizuwohnen. Ich nahm die System-Wiederherstellungs-CD von 2003 aus der goldenen Reliquien-Schatulle und löschte die alten Schriften, um eine neue Ära einzuleiten. Den ganzen Nachmittag saß ich wie gebannt am Altar. Es war vollbracht. Ich schaffte es sogar ins Internet. Doch zu früh gefreut! Die Diener der heiligen Handlungen erinnerten sich nicht miehr an die Rituale, weil in den letzten sechs Jahren neue Gebete eingeführt wurden. Und mein aus der Totenstarre erwachter Heiliger, fand sich ohne Unterstützung der Messdiener nicht mehr in die Liturgie. Wenn Sie mir folgen können. Um es auf den Punkt zu bringen: auch ein verseuchter Rechner sollte mit Updates auf dem Laufenden gehalten werden. Zwar gibt es seit 8. April 2014 keine XP-Updates mehr, aber wenn ich mich mal vorher drum bemüht hätte, wäre vielleicht ein fast aktuelles veraltetes Betriebssystem drauf, und ich hätte ein Dings mit Funktionen, das noch aktuelle Programminstallationen ermöglicht - ach - hätte - ja. Hat nicht sollen sein. Ich hänge ein bißchen an dem alten Apparat. Vielleicht klemme ich ihn mir mal unter den Arm und gehe in den Fachhandel und die können dann da so ein Vista oder so ein Zeugs draufmachen, falls er das verträgt. Und die verbliebenen Wurmexkremente entsorgen. Also das war mein Ostersonntag. Aber ich habe es immerhin versucht. Dass ich es erst nach so vielen Jahren anging, hatte mit einem schwer zu sichernden, umfangreichen Mail-Schriftverkehr zu tun, der mir geraume Zeit zu heilig war. Aber alles versinkt ohnehin irgendwann. Auch ein Vorgeschmack, diese Erfahrung, auf etwas, was man selbst nicht mehr erleben wird. Alte Festplatten mit einst kostbaren Daten werden auf Flohmärkten feilgeboten werden. Wenn überhaupt. Jemand wird sie öffnen wollen und mangels Software keinen Zugang finden. Unfug. Niemand wird sie öffnen wollen. Es wird zu viele geben, und alle sehen gleich aus. Schwarze Kunststoff- und Metallkästen, die keinen Einblick, keinen Vorgeschmack gewähren, was einen erwartet. Anders als alte, lederne Fotoalben auf dem Flohmarkt am Siebzehnten Juni oder sonstwo. Darüber muss man sich klar sein. Wie lange werden unsere Internet-Offenbarungen sichtbar sein? Wenn das Dateiformat irgendwann nicht mehr angepasst wird? Muss man vielleicht lernen, sich nicht zu sehr an die schöne, allzu idealistische Idee zu klammern, dass man etwas Bleibendes hinterlässt. Mehr fällt mir dazu gerade auch nicht ein. Und jetzt wird es langsam dunkel. Aber soll nicht traurig gemeint sein, der Eintrag. Nur ein bißchen melancholisch gefärbt, zwischen all dem Frühlingsgrün. Ich brauche jetzt ein Osterwasser.
g a g a - 20. April 2014, 20:16