31. mai 2005
gerade eben aus dem badezimmerfenster, 20:08 uhr, blickrichtung norden, die wolkendecke bricht auf. die wände sind nicht so düster, wie sie auf dem bild wirken, das haus in dem ich wohne, ist in einem sehr hellen gelb gestrichen, auch der innenhof und die terrassen- wände. das späte nordlicht schlägt graue schatten. mir gefällt auch diese schattige seite. in der mittagssonne, wenn der himmel tiefblau ist, wird das zarte gelb beinahe weiß. dann denke ich manchmal an griechenland. und dass ich wieder unter so einen himmel müsste, die einfachen weiß verputzten häuser. das schöne klischee, das gut tut. lange her. nie wurde ich herzerwärmender in ruhe gelassen, als in griechenland. wunderbar unbehelligt, wenn ich es wollte.
g a g a - 31. Mai 2005, 20:21
Du hast schon mal so schön von Griechenland geschrieben, dass Du dort diese Ruhe verspürt hast. Mein einziger Trip nach Griechenland war ein Fiasko. Wir haben Familie dort besucht. Mein Vater war Halbgrieche, aber mit dem Zweig gibt es kaum Kontakt. Vielleicht sollte ich mal wieder fahren, anstatt zu überlegen,wie ich meinen Resturlaub vom letzten Jahr nur verbraten soll. Das Geröll von den Wurzeln fegen.
meine griechenland-zuneigung
dann meinte er, er hätte aber eine vergleichbare insel für mich. eine insel, die er selbst am häufigsten besucht, aber in deutschland so gut wie nie gebucht wird. sie liegt neben hydra im saronischen golf, ohne autoverkehr, heißt spetsai und ist die mutter der familieninsel des sich pikanterweise in einem bereits jahrzehnte währenden konkurrenz- kampf mit onassis befindlichen niarchosclans: spetsopoula. der kauf von spetsopoula war unter anderem ein schachzug von niarchos, nachdem onassis skorpios gekauft hatte. man erreicht sie mit dem schnellboot von athen, in eineinhalb stunden. ich fackelte nicht lange, weil mir alles daran gefiel und weil ich sofort erinnerte, dass melina mercouri immer die ferien ihrer kindheit dort verbracht hatte, da spetsai (in manchen karten heißt es auch spetses) die traditionelle ferieninsel ihrer familie war (melina mercouris vater war bürgermeister von athen).
ich mietete ein ferienhaus für drei wochen und genoss jede sekunde. mein häuschen lag in einem verwunschenen garten neben einer alten villa, die einer nicht gerade armen familie aus athen gehörte. die insel war wie ein schlaraffenland. ich wurde in die familie aufgenommen, wenn ich es wollte, und saß in den nächten mit zikadenmusik auf der terrasse der villa und hörte mir familienanekdoten an, probierte selbstgemachte kulinarische spezialitäten, wir sprachen englisch. ansonsten wurde ich komplett in ruhe gelassen. im yachthafen lagen die großen schiffe des niarchosclans und seiner besucher. manchmal zeigte mir ein skipper aus spaß eine der yachten von innen. mir gingen die augen über.
und ich hatte eine wunderbare affaire mit einem barkeeper, stavros. was dazu führte, das ich allnächtlich in den sündhafteuersten nachtclub umsonst konnte. ein heißer sommer. sehr leichtfüßig. mir fiel auf, wie wohlerzogen griechische männer aller altersgruppen sind. wie unaufdringlich - und doch wird man durchaus wahrgenommen. das hat sich mir tief eingeprägt. ich fühlte mich sehr sicher dort, alleine.
ich erinnere eine nacht, in der ich in einer griechischen kneipe mit einem der söhne der familie unterwegs war, sie hatten spaß daran, mich mit ihren freunden bekannt zu machen, meist andere athener, die ihren urlaub dort verlebten. es gab live-musik, rembetiko und andere traditionelle sachen. und ich glaube fast, ich war die einzige deutsche auf der ganzen kleinen insel. ein paar briten, aber die sind ja überall. ein paar franzosen, aber vor allem griechen im eigenen urlaub. auf der bühne bildete sich vor den musikern im übermut ein kreis, der geschlossen wurde, indem jeder jemanden links und rechts von sich umarmte. ich hörte nur noch griechisch, verstand kein wort, mochte aber die rhythmen und die sprache. sie zogen mich in ihren kreis und ohne je vorher diese schritte gemacht zu haben, tanzte ich mit. dann diese befeuernden rufe, diese kraft in der musik. zu diesen tänzen gehört es, das jemand an einem bestimmten punkt den kreis verlässt, in die mitte tanzt und von den anderen bis zu einer art ekstase angetrieben wird. alle singen, klatschen, stampfen. plötzlich war ich in der mitte. und es war schön. ich wirbelte herum und am ende klatschten sie und lachten und ich konnte gar nicht glauben, dass ich das gemacht hatte. und wir fielen uns in die arme. was für eine nacht. eine archaische kultur trat zutage.
das war mein erster und eindringlichster eindruck von griechenland. später stellte ich fest, dass jede insel einen eigenen charakter hat. dass es einen großen unterschied ausmacht, ob man sich unter griechen bewegt, die schon mehr von der welt gesehen haben oder in eine vormals abgeschnittene inselidylle eindringt, wo ein großer teil der bevölkerung aus sehr alten schwarzverhüllten weiblein und männlein besteht, die einen eher misstrauisch taxieren, zunächst. auf santorin fiel mir der atmosphärische unterschied stark auf.
insgesamt aber, wenn ich diese nation mit - beispielsweise - süditalienern vergleiche - ich denke besonders an sizilien - fällt mir als größter unterschied die unberechnende gastfreundlichkeit auf. und wie erwähnt, die durch nichts zu überbietende diskrete höflichkeit griechischer männer. dagegen sizilianer... mein persönliches trauma. keinen schritt kann man alleine gehen, ohne einen schwall plattester und blödester anmachphrasen über sich ergehen lassen zu müssen. ich flirte gerne - aber das hat nichts mehr mit flirt zu tun, was diese sizilianer fabrizieren. dieses gezische und grobschlächtige gesülze aus prinzip. man fühlt sich gar nicht gemeint, weil es schon losgeht wenn sie nur von hinten erkennen, dass man kein mann ist.
aber eigentlich wollte ich ja nur erzählen, was mich nach griechenland zog, neben der ägäis, dem himmel und der architektur. man muß zur richtigen zeit am richtigen ort sein. das ist aber immer eine instinktfrage und lässt sich nicht pauschal mit einer ortsempfehlung abhandeln. immer der nase nach. meine nase führte mich später in andere länder, die mich ebenso glücklich machten, anders glücklich.