16. März 2014

"Bei der Auswahl der Werke, welche unsere Ausstellung schmücken, war nur das Talent, in welcher Richtung es sich auch offenbarte, ausschlaggebend. Wir sind ebenso stolz darauf, die Werke eines Menzel als die des Böcklin dem Publikum zeigen zu dürfen. Für uns gibt es keine allein seligmachende Richtung in der Kunst, sondern als Kunstwerk erscheint uns jedes Werk – welcher Richtung es angehören möge –, in dem sich eine aufrichtige Empfindung verkörpert. Nur die gewerbsmäßige Routine und die oberflächliche Mache derer, die in der Kunst nur die milchende Kuh sehen, bleiben grundsätzlich ausgeschlossen. Auch sind wir uns wohl bewußt, daß wir von Seiten des Publikums, welches in der Kunst ungern von liebgewonnenen Gewohnheiten läßt, vielfachen Anfeindungen ausgesetzt sind. Doch im Vertrauen auf die siegreiche Kraft der Jugend und das wachsende Verständnis der Beschauer haben wir ein Unternehmen ins Leben gerufen, das einzig und allein der Kunst dienen will." M. Liebermann 1899; Pr. Gutenb.



Ewige goldene Worte, stammend von Max Liebermann in seiner Eröffnungsrede anlässlich der Ausstellung, mit der im Frühling 1899 die Berliner Secession aus der Taufe gehoben wurde. Alfred Flechtheim griff im Dezember 1913 diese Zeilen in seinem Vorwort des Katalogs zur Eröffnung seiner ersten eigenen Galerie auf. ["Es ist was Wahnsinniges mit der Kunst - Alfred Flechtheim, Sammler, Kunsthändler, Verleger" S. 86/87 v. Otffried Dascher, Nimbus 2011]
arboretum - Mo, 17. Mär, 14:44

Von Max Liebermann schaute ich mir gerade vorgestern Die Rasenbleiche (1882) im Wallraf-Richartz-Museum an. Ursprünglich waren auf dem Bild noch zwei Wäscherinnen mehr, eine direkt am Bottich vorne, eine zweite schaute hinter dem schrägen Baum hervor. Nachdem das Bild in einer großen Ausstellung in Paris verrissen wurde, hat Max Liebermann das Bild überarbeitet und unten beschnitten. Die verschwundene Wäscherin ist nur noch auf Röntgenbildern zu sehen.

Ich fand das hochinteressant, wie er auf die zum Teil sehr beißende Kritik reagiert hat, andere wären da womöglich tief gekränkt oder frustriert gewesen. Tatsächlich ist das Bild so viel, viel besser.

Liest sich die Flechtheim-Biographie genauso aufregend wie dessen Leben war?

g a g a - Mo, 17. Mär, 17:24

ich denke gerade, was für ein akribischer Arbeiter Liebermann doch war. Diese unzähligen Details... (ich finde das Bild in der neueren Version auch stimmiger).

Die Flechtheim-Biographie ist extrem kleinteilig recherchiert. Der Autor hat acht Jahre daran gearbeitet, Zugang zu sämtlichen Quellen erhalten, mit den Nachfahren Kontakt gehabt. Es kann ohne Übertreibung als das ultimative Werk über das Leben von Flechtheim bezeichnet werden. Die geringste Handlung im Kontext als Sammler und Galerist und Verleger wird vermerkt, auch private Hintergründe. Es liest sich eher wie ein sehr, sehr langer Wikipedia-Eintrag. Auf dramaturgische Finessen wurde verzichtet. Fakten, Fakten, Fakten.... Ich bin noch nicht an dem Punkt seiner Biographie, wo er zum Salon-Löwen wurde und diese zahllosen (auch glamourösen) Kontakte pflegte. Ich bin eben genau an dem Punkt der Eröffnung seiner ersten Galerie in Düsseldorf. Wir sind noch lange nicht in Berlin. Aber ich gebe zu, ich habe es mir vor allem wegen seiner Zeit in Berlin zugelegt. Jedoch lese ich immer noch anderes parallel, kein Buch für unterwegs, dafür ist es zu schwer (physikalisch gemeint). Ich lese also in seltenen Momenten, wo mir zuhause nichts besseres einfällt. In vielen kleinen Pausen. Ich würde das Buch nur jemandem empfehlen, der ein intensives (kunst-)historisches Interesse an der tragischen Figur Flechtheim, der Zeit der letzten Jahrhundertwende in der Kunst bis zu den unseligen Dreißiger Jahren, oder an einem Alphatier unter den Galeristen hat. Und Berlin... Ich freue mich schon auf die Kapitel, wenn er endlich in Berlin ist, dann habe ich wieder eine sinnlichere Vorstellung von den Straßen und Adressen und Protagonisten.... wie etwa Renée Sintenis, die er auch vertrat. Und überhaupt das gesellschaftliche Leben, diese vielen kleinen Details, die man nicht mehr so einfach irgendwo nachlesen kann, außer eben in so einem Buch. Die gesellschaftlichen Verflechtungen von Flechtheim sozusagen. Wie diese ganzen Netze früher gesponnen wurden und zusammenhingen...
arboretum - Mo, 17. Mär, 21:41

Solche Akribie ist im Sinne der Wissenschaft sehr lobenswert. Aber es ist schon schade, dass sich das nur wie ein sehr, sehr langer Wikipedia-Eintrag liest. In der Lebensgeschichte von Flechtheim steckt doch mehr drin. Na ja, vielleicht schreibt das Buch dann mal jemand anderes auf der Grundlage dieser Faktenfülle.
g a g a - Mo, 17. Mär, 22:02

Vielleicht entwickelt es sich ja noch atmosphärisch, wenn die Berliner Zeit kommt und damit auch das Potenzial für ein bißchen mehr Fleisch und Blut, durch die an verschiedenen Ecken dokumentierten Erinnerungen und Anekdoten. Im Moment ist es halt noch sehr buchhalterisch, wie standen die Finanzen, woher kam das Geld in seiner Familie und der seiner Frau, wie realisierte er seinen Traum, beruflich nur noch mit Kunst zu tun zu haben. Was kaufte er, wen sammelte er... die Anfänge waren eben auch noch nicht die Ära, als er Hof hielt, aber er hatte einen frühen Riecher für Picasso, zeigte ihn erstmalig in Deutschland, wenn ich es recht erinnere. Interessant, wie er sich von seinem Instinkt leiten ließ. Wenn ich demnächst eine besondere Passage lese, die sehr inspirierend ist, kann ich ja wieder ein bißchen was zitieren.
arboretum - Di, 18. Mär, 11:16

Oh ja, bitte.
schneck08 - Mo, 17. Mär, 23:20

Hick-Hack, damals wie heute. Und übrigens, den hier hat der Liebermann auch mitgegründet. Den gibt's immer noch, das gefällt mir, solch eine Tradition.

g a g a - Mo, 17. Mär, 23:47

Ja. (zu beidem: Hickhack und enorme Tradition)
Ich lese diese Entwicklung eines hingebungsvollen, ja manischen Bewunderers und Sammlers auch interessiert in dem Kontext zum gegenwärtigen Geschehen. Dass das alles mehr als hundert Jahre her sein soll, zeigt mir, wie zeitlos Inspiration und Empfinden ist. Nichts wirkt altbacken oder merkwürdig. Die finanziellen Zwänge waren nicht viel anders als heute. Und das Vernetzen. Kontakte... Pipapapo. Die Details helfen mir, dichter in die Epoche einzutauchen. Es gibt auch Fotografien von Flechtheims Wohnräumen in Berlin. Alles sehr schön...
arboretum - Di, 18. Mär, 11:30

Ein ziemliches Hick-Hack gab es übrigens auch zwischen Max Liebermann und seinem Malerkollegen Lesser Ury, Liebermann verhinderte, dass dieser in der Secession ausstellen durfte und hielt ihn auch erfolgreich aus allen anderen Künstlervereinigungen draußen. Ury war wohl auch kein ganz einfacher Charakter.

Ury zog in seiner Kindheit aus der Provinz nach Berlin und wie Sie liebte er die Stadt sehr. Er malte viele Kaffeehaus- und Straßenszenen (er besaß ein Atelier unterm Dach). Man sieht seine Werke nur selten in Ausstellungen, soweit ich weiß, befindet sich viel in Privatbesitz. Ich hatte das Glück, 1995 die Ausstellung "Lesser Ury. Zauber des Lichts" im Kollwitz-Museum zu besuchen.
g a g a - Di, 18. Mär, 22:16

Interessant, danke...bei Urys Bildern denke ich an Fotografie. Ein guter, ja virtuoser Fotograf in der Malerei. Wie Renoir und Lautrec... das Zerwürfnis zwischen Liebermann und Ury scheint sich in erst in den letzten Jahren zugetragen zu haben... da zuvor von gegensteitiger Bewunerung und Protektion durch den längst arrivierten Liebermann die Rede ist.
arboretum - Mi, 19. Mär, 09:53

Ja, das stimmt. Ich las irgendwo einmal, Ury habe an Liebermanns Bildern herumgenörgelt. Obendrein soll Ury eine Miturheberschaft an einem Liebermann-Gemälde behauptet haben. Woraufhin Liebermann gesagt haben soll:

Ury sagt, er hätte meine Bilder malen helfen; mir macht das nichts aus, wenn er das so sagt. Wenn er aber hingeht und sagt, ich hätte seine Bilder gemalt, gehe ich vor Gericht.

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