22. mai 2005
der himmel im osten, zwischen nacht und tag. vier uhr, vorgestern. es ist der blick über die dächer durch eines der beiden fenster zur joachimstraße, das zimmer, in dem ich das hier schreibe. die beiden anderen fenster und ein in das dach geschnittener balkon im süden gehen zur auguststraße. so wohne ich, genau genommen, in zwei straßen. es ist ein eckhaus. dann gibt es noch einen kleinen grünen balkon im nordwesten zum innenhof. ich wollte dem himmel nah sein.
ich fand die wohnung vor sechs jahren an einem regentag. und als ich sie betrat, war mir, als ob es heller wurde, als ob die sonne schiene. ich war ganz aufgeregt, als ich den kleinen quadratischen südbalkon im dach, mit dem blick auf die türkisblaue kuppel des berliner doms und die großen bäume sah, uneinsehbar. nachdem ich anfängliche jahre in berlin in ersten eigenen schattigen schöneberger hinterhof- wohnungen verbracht hatte, später sonniger in wilmersdorf, doch mit blick auf allzu nahe gegenüberliegende häuserwände, war das wie ein geschenk.
eine junge frau besichtigte gleichzeitig mit mir die kleine wohnung und stellte der maklerin viele vernünftige fragen wie, ob es einen fahrradkeller gäbe. nein? wie? gar keinen keller? betriebskosten? ich taumel- te mit kleinen sonnen in den augen durch das nest mit den schiefen wänden und hoffte, dass die maklerin merken würde, dass die woh- nung doch eigentlich zu mir gehört. es schien mir vollkommen un- wichtig, ob keller oder nicht.
die forsche mitinteressentin betonte beim abschied mit scharfem ton und seitenblick in meine richtung, dass sie definitiv an der wohnung interessiert sei. ich sagte gar nichts weiter, und gab der maklerin nur mit etwas bangem lächeln und einem kindisch aufgeregt gestammelten "die wohnung ist ja schön" meine karte. sie erwähnte, dass es noch einen weiteren besichtigungstermin mit zwei interessenten am nächsten tag geben würde und lächelte warm. den keller habe ich noch nie vermisst.
g a g a - 22. Mai 2005, 13:48
Ich war aber auch von Beginn an sehr angetan von meiner Wohnung. Als ich damals ausziehen mußte, um Leib und Seele zu retten, war mir doch klar, daß ich nicht in einem dunklen, engen Loch enden durfte. Sonst... nun ja. Es hat dann doch einige Zeit länger gedauert als ich dachte, hämische Witze wurden schon gerissen ("Ob der noch mal auszieht, hähä.") - aber das mußte sein. Dann fand ich diese spektakulär geschnittene, helle und direkt am Wasser gelegene, im Hinterhaus versteckte Wohnung unterm Dach - und wußte: Die ist meine.
Zum Glück ist hier keines der beliebten Hamburger Szene-Viertel. Da gab es kaum Konkurrenz. Jetzt, wo auf der anderen Seite vom Wasser alles Grün ist und die Sonne mein Zimmer wärmt, weiß ich, ich habe richtig entschieden.
ich kenne ja das foto
j a .
(in meinem atelier vermeide ich dinge abzustellen. da gibt es nur leinwände, farbe, kaffee, tee, klopapier und ein paar weiche kissen. obwohl ich dort einen ziemlich geräumigen hängeboden und einen keller habe - ungenutzt. ich finde, ich habe noch viel zu viel überhaupt - in meiner wohnung, überall. so wird man keine echte nomadin...)
ich habe herausgefunden, dass die dinge, die in früheren wohnungen im keller waren, von mir gar nicht mehr gebraucht wurden - ich hätte sie ebensogut sofort zum sperrmüll packen können. ich muß mal ein bißchen ausmisten, in meiner wohnung (was mir schwer fällt). am besten, ich fange mit dem kleiderschrank an. das sollte noch einfacher sein. weg mit dem plunder.
aber eine dunkelkammer ist schon was tolles. es hat etwas irreales, wenn beim wässern die kontraste immer schärfer werden (ich hatte im zarten alter von fünfzehn das vergnügen in einem schullabor abzüge zu vergrößern)