18. april 2004

eins nach dem anderen. nicht, dass mir gestern keine spektakulären makroaufnahmen unserer zauberhaften flora gelungen wären. aber vor allen anderen, möchte ich das nachfolgende schöne bild der welt unter keinen umständen vorenthalten:

strandjunge

was sehen wir? einen jungen mann an einem strand. einen sehr jun- gen mann am strand. nein. einen sehr, sehr jungen mann am strand. den ich nicht kenne. bis heute nicht. ich traf ihn gestern am flug- hafensee in berlin. ein unbekannter idyllischer ort, was der name nicht vermuten ließe. angrenzend an ein vogelschutzreservat. viele sanddü- nen. schwäne, enten. ein paar liebespaare. und ein paar nachwuchs- machos. hübsche kleine mädchen dabei. keck und selbstsicher. zwölf vielleicht, dreizehn. wie er da oben. noch nicht mal ein milchbart wächst ihm.

ich fotografierte nur die beiden stühle am strand und er fragte mich nach einer weile, ob er sich auf einen drauf setzen soll. da sage ich doch nicht nein. ich frage ihn: "willste mal gucken?" er sagt: "ey klar - cool, zeig mal!" (er duzt mich! - ich mag das ja - bei solchen gören...).

ich glaube, er hatte für sich beschlossen, dass ich irgendwie in ord- nung sein müßte, da ich ihn nur fragte, ob er eine mailadresse hätte, um ihm das bild zu mailen. er konnte sich leider nicht daran erinnern. der kleine frechdachs, mit seiner zigarette.

ich drehte eine ausgedehnte runde den strand entlang. kam zurück und er fragte nach mehr. fotos. ich sage: 'ist doch quatsch, wenn du dich an deine e-mail-adresse nicht erinnern kannst, kann ich sie dir doch nicht zuschicken, hm?' da grinst er und stammelt irgendwelche buchstaben und irgendwas mit gmx. kriegt es nicht mehr zusammen, der kleine. tschüs. die anderen aus seinem kleinen clan rufen mir auch noch ein tschüs hinterher. ich mag solche begegnungen.
rollinger - Di, 19. Apr, 13:00

ich weiß was Sie meinen. Das macht sehr viel Spaß. Ich komm mit den gleichaltrigen Kollegen zB auch nicht gut aus. Die hören Scheiß Musik, Scheiß Filme, Scheiß Meinungen. Wenn mein 20 jähriger Praktikant da ist, bin ich immer sehr froh.
Aber so die rumstreunenden Frühreifen find ich cool. Leider war ich nicht so in dem Alter, da sorgten schon die Eltern für, aber man holt das ja dann nach :-)
Haben Sie eine Nahaufnahme von ihm? Er sieht cool aus und ein wenig verschlagen.

schmerles - Di, 19. Apr, 16:10

am Sonntag scheinte wohl die Sonne in Balin kräftig.

brittbee - Di, 19. Apr, 16:21

Ein sehr charmantes Foto, liebe Gaga. Auf den ersten Blick mutete es wie eines aus den Fünfziger Jahren an, diese halbstarke Pose, die Haare...Bis mein Blick sich an den Stühlen (dieser internationalen Plage) irritierte. Ich mag sie auch, diese kecken Jungs. Uns sie mögen mich. Ebenso wie sie anscheinend Frau Gaga mögen.-B.

g a g a - Di, 19. Apr, 18:25

halbstark, baby baby, halbstark

der berliner nachwuchsplayboy von näher. sieht man auch die fluppe besser...

strandjunge2

(herr rollinger, ich fürchte, ich bin 'gleich alt'...)
der kleine da oben war beeindruckend ungehemmt. ich dagegen in dem alter... schüchtern, beim angesprochen werden, knallrot werdend, feuchte hände... na ja. hat sich ein bißchen gelegt, mit den jahren. glaubt mir heute immer keiner mehr. stimmt aber. ich war gleichzeitig äußerst verklemmt und äußerst widerspenstig.

herr schmerles, berlin ist nicht so scheußlich betoniert und kalt, wie es auf manchen mks-fotos aussieht - und wenn die sonne scheint, ist es wie urlaub. es gibt auch diese hässlichen ecken, aber die muß man wirklich nicht ständig aufsuchen. es gibt wunderschöne straßenzüge mit großartigen altbauten, gerade in charlottenburg, im nördlichen wilmersdorf und in schöneberg. es gibt idyllische villengegenden am wasser, es gibt im grunde jede variante von urbaner schönheit. berge gibt es keine und zum meer fährt man zwei stunden. aber sonst - alles da. ich habe einen bildband mit fotos von berlin, bevor es zerbombt wurde. deswegen war ich traurig, als ich paris in seiner unversehrtheit sah, wegen der großen ähnlichkeit. wie schön war der potsdamer platz mit haus vaterland - und heute... am besten konsequent meiden (es sei denn sie müßten dringend zur berlinale oder ins filmmuseum) - aber das ist nur ein winziger teil der stadt - unter ferner liefen. es gibt zahllose seen mit schilfrohr und sandstränden, den havelstrand mit seinem märkischen sand. oder die spree, weiter draußen. in erkner loslegen mit dem kanu, in den spreewald. berlin ist ja auf sand gebaut und ursprünglich auch sehr sumpfig, moorlandschaften. heute immerhin noch in den naturschutzgebieten in der ursprünglichen variante zu finden. ich fürchte, ich schreibe das so ausführlich, weil ich gerade über die berlinfotos so oft erschrecke.

liebe brittbee - über diese nullachtfuffzehn stühle habe ich mich früher auch aufgeregt. heute finde ich sie immer noch hässlich - aber ich nehme sie kaum mehr bewusst wahr. das kuriose an den dingern an gerade dieser stelle ist, dass sie wie entführt dort herumstehen, ein bißchen vergilbt und versifft, von irgendwem vergessen. beinahe schon strandgut. das ist nicht die art see, wo camper massenhaft mit mobiliar anrücken - eher ein kuriosum. und requisite in diesem zufälligen augenblick.
schmerles - Di, 19. Apr, 22:46

Ich war anfang der 90er öfter (und 95 zum letzten Mal) in Berlin. War immer schön an den von Ihnen gelobten Stellen. Aber sich über Berlin lustig machen und schimpfen ist auch sehr schön.
rollinger - Di, 19. Apr, 20:42

Das Schlimme an den Stühlen ist nicht nur das Aussehen, sondern vor allem daß Geräusch, daß sie auf Asphalt machen.

g a g a - Di, 19. Apr, 22:56

ja - macht es nur nicht besser

mich deprimieren ungefähr 95 prozent der berlinfotos auf mks. das ist ein scheißgefühl, weil es vorurteile schürt. ich fahre nicht nach marzahn um depressive ecken abzulichten. was soll ich da? was soll das sein? neorealismus?
(habe übrigens gerade schlechte laune gekriegt, von einem saudummen kommentar. ich glaub ich muß mal eine weile von mks und dem ganzen abstand nehmen. ich habe keine lust auf blödes geflapse, wenn dabei die bilder ignoriert werden)
schmerles - Di, 19. Apr, 23:04

Das wäre schade. Ich wollte gerade Sie anstiften, mal e-dyllisches Balin zu fotografiern, aber kein Zillezeugs, bitte.
g a g a - Di, 19. Apr, 23:09

was hab ich denn bitte mit zillezeugs am hut?

wissen sie was: meine idyllischen bilder lade ich lieber hier hoch. da kackt mir keiner darunter und daneben. (sie sehen, meine laune ist noch immer nicht besser geworden)

gleich muß ich lachen - stellte mir gerade vor, sie stellen sich vor, wie ich einen drehorgelmann mit affen auf der schulter fotografiere. meinen sie das mit zillezeugs? oder waschfrauen im hinterhof? gibts doch gar nicht mehr. wissen sie was: der ganze stadtfotokram kann mich mal kreuzweise. heute jedenfalls. mir ist nach was ganz anderem. da geile ich mich lieber an meinen blütenstengeln auf.
sky - Di, 19. Apr, 23:54

Ich mag die "neorealistischen", abgef***ten Bilder. Ich mag genauso die idyllischen oder lebhaften. Von Berlin und anderswo. Sie gehören doch allesamt zu "meiner" Stadt (sprich: wie die Fotografin/der Fotograf sie sieht) - und auch noch die abgerissensten Ecken z. B. vom Ruhrgebiet vermitteln mir ein Gefühl von Vertrautheit und Heimat.

(P.S.: Ihre Strandcollage vorne im Blog macht Lust, auf der Stelle ans Meer zu fahren und einen Nachmittag lang am Wasser entlangzulaufen.)

g a g a - Mi, 20. Apr, 00:12

lieber sky,

neorealismus ist für mich dann interessant, wenn er erstklassig fotografiert ist. man kann auch marzahn, beton und plattenbau gut fotografieren. aber da fängt wahrscheinlich die höhere kunst an. wenn das licht auf solchen aufnahmen noch beliebiger und undefinierter als in der grauen wirklichkeit ist, verliere ich die lust, mir das anzusehen. was mich langweilt, ist die tendenz zu einer eindimensionalen sichtweise. ich empfinde vieles als flach. aber das ist meine spezielle art, hin und wieder an der welt zu verzweifeln. für mich ist licht in der fotografie eine art fetisch. ich sehne mich in bildern (und wohl auch im leben) nach kontrasten, starkem licht, großen schatten, konzentration. selbst angesichts der trostlosigkeit erwarte ich noch eine art leidenschaftlichen zugang.

ich fürchte, heute ist nicht der beste augenblick um mich zu irgend- welchen statements zu verleiten. ich kann manchmal sehr radikale anwandlungen haben. morgen bin ich vielleicht wieder so sanftmütig wie die bilder da am wasser. (ein strand in berlin)
kid37 - Mi, 20. Apr, 00:18

Ich als Wuppertaler habe despektierliche Aussagen über meine kleine Stadt schon mit der Muttermilch aufgesogen. Berlin fordert es eben auch oft heraus (Große Klappe usw.). Ich glaube, man will Berlin nur zu mehr Bodenhaftung verhelfen, bevor es ganz abhebt.

(Und bei MKS gibt es ja auch viele Fotos, die Hamburg von seiner nicht so schönen Seite zeigen. Recht so ;-))

g a g a - Mi, 20. Apr, 00:28

mich nervt eine ganze menge in berlin - nicht an.

einflüsse, die nicht originär mit berlin zu tun haben, was für mich die stadt im positiven ausmacht. mich nervt allgemein eine modische sichtweise in bildern zum beispiel. ebenso nerven mich die modischen leute, die durch mitte scharwenzeln, mit kalten gesichtern und modischen henkeltäschchen. die in modischen agenturen modische fotografien modisch retuschieren. modische möbel in modischen läden kaufen und sehr kalt und wichtig dabei aus der wäsche gucken. das nervt mich. diesen visagen könnte ich links und rechts backpfeifen verabreichen, bis sie aus ihrer modischen gefühlsstarre aufwachen. ich habe übrigens nichts gegen mode - nur 'nur modisch' zu sein ist mir zu wenig. entschieden. aber ganz.

ich habe mich noch nie über wuppertal lustig gemacht. mein bezug dazu ist ausschließlich else lasker-schüler. ich kann mir eher vorstellen, dass irgendwelche wichtigtuer meinen, sich über den unbekanntheitsgrad sonstiger errungenschaften kleinerer städte erheben zu müssen. man assoziiert die schwebebahn und.... - aber dass sich jemand darüber lustig macht, habe ich noch nicht mitbekommen.

ich habe von je her eine art beschützerinstinkt dem verletzten berlin gegenüber entwickelt. für mich ist es ein großer organismus mit vielen narben und einer mich tief berührenden geschichte.

p.s. unglaublich aber wahr: ich war noch nie in hamburg. manche bilder zeigen bestimmte hafenecken, die auf mich reizvoll wirken. aber sonst sieht es via mks ziemlich kacke aus. aus irgendeinem grund ist mir die stadt aber sympathisch. warum davon gesprochen wird, dass es dort besonders schön wäre, erschließt sich mir aufgrund von mks-bildern definitiv nicht. aber ich mag gerne schiffe und wasser und den slang, vielleicht daher die sympathie. (ich besitze einen astrokartographen, eine weltkarte, auf die meine radixdaten übertragen wurden. darauf gibt es nur zwei schnittpunkte in deutschland: berlin und hamburg. seltsam - das gibt mir schon eine weile zu denken.)
schmerles - Mi, 20. Apr, 09:12

Radixdaten? Haben Sie Wurzeln?
g a g a - Mi, 20. Apr, 09:33

genau darum geht es ;-)

wo die wurzeln sind. ich habe eine dicke wurzel in berlin und scheinbar eine mir noch unbekannte in hamburg. aber auch eine in der sahara, in mauretanien, eine in tanzania und in arizona. in island gibt es auch so eine kleine, vom süden nach norden. so wie ein radi eben auch so seine wurzeln schlägt. man bezeichnet in der astrologie das horoskop der tagesdaten der geburt als radix. ich habe vor zweiundzwanzig jahren angefangen, mich damit zu befassen. heute ist es in den hintergrund gerückt. diese übertragung der daten auf die weltkarte habe ich erst im letzten jahr erhalten, durch einen freundlichen zufall. ich war schon leicht perplex über nur zwei schnittpunkte in deutschland, einer davon in berlin. deutschland ist ja groß. obwohl das meinem gefühl entspricht. da wird man stutzig. ich jedenfalls. ein kleines faszinierendes gedankenspiel.
schmerles - Mi, 20. Apr, 10:43

Frage: geht das "auf den Meter" genau? Ich meine, wenn Sie das wichtig nehmen, dann müssen Sie doch den Ort mal ansehen, mal aufsuchen. Waren Sie in B. schon dort?
g a g a - Mi, 20. Apr, 11:29

theoretisch schon

nur ist die mir zugekommene karte vom maßstab her nicht so detailliert. ich habe leider keinen zugriff auf das programm, das das berechnet, sondern nur das ergebnis, die landkarte. ich brauche jetzt aber auch keine angabe einer straßenkreuzung. man kann es eher so sehen, dass es eine atmosphärische qualität an bestimmten orten gibt, zu denen man einen aktiveren zugang hat, die eine bestimmte veranlagung in einem selbst reflektieren, aktivieren. es gibt so ein nettes schlagwort um es auf den punkt zu bringen: "erfolgreich in münchen, einsam in berlin" so hieß ein workshop zu dem thema (den ich nicht besucht habe). ich nehme diese dinge nicht bierernst, aber ich lasse mich gerne verblüffen und bin für verwegene gedankenspiele offen. sicher kennt jeder das gefühl, wenn man reist, dass man zu bestimmten orten aus dem bauch heraus eine größere oder geringere vertrautheit empfindet. oder sich auch anders erlebt. vielleicht in einem anderen land extrovertierter wird, oder leichtfüßiger.

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