07. März 2010

Lange tot und tiefverschlossen
Grüßt mein Herz die schöne Welt
Seine Zweige blühn und sprossen
Neu von Lebenskraft geschwellt
O! ich kehre noch ins Leben
Wie heraus in Luft und Licht
Meiner Blumen selig Streben
Aus der dürren Hülse bricht
Die ihr meine Klage kanntet
Die ihr liebezürnend oft
Meines Sinnes Fehle nanntet
Und geduldet und gehofft
Eure Not ist aus, ihr Lieben
Und das Dornenbett ist leer
Und ihr kennt die immertrübe
Kranke Weinende nicht mehr
Wie so anders ist's geworden
Alles was ich haßt und mied
Stimmt in freundlichen Akkorden
Nun in meines Lebens Lied
Und mit jedem Stundenschlage
Werd ich wunderbar gemahnt
An der Kindheit goldne Tage
Seit ich dieses Eine fand
Diotima! selig Wesen
Herrliche, durch die mein Geist
Von des Lebens Angst genesen
Götterjugend sich verheißt
Unser Himmel wird bestehen
Unergründlich sich verwandt
Hat, noch eh' wir uns gesehen
Unser Wesen sich gekannt
Da ich noch in Kinderträumen
Friedlich wie der blaue Tag
Unter meines Gartens Bäumen
Auf der warmen Erde lag
Da mein erst Gefühl sich regte
Da zum erstenmale sich
Göttliches in mir bewegte
Säuselte dein Geist um mich
Ach und da mein schöner Friede
Wie ein Saitenspiel, zerriß
Da von Haß und Liebe müde
Mich mein guter Geist verließ
Kamst du, wie vom Himmel nieder
Und es gab mein einzig Glück
Meines Sinnes Wohllaut wieder
Mir ein Traum von dir zurück
Da ich flehend mich vergebens
An der Wesen kleinstes hing
Durch den Sonnenschein des Lebens
Einsam, wie ein Blinder, ging
Oft vor treuem Angesichte
Stand und keine Deutung fand
Darbend vor des Himmels Lichte
Vor der Mutter Erde stand
Lieblich Bild, mit deinem Strahle
Drangst du da in meine Nacht
Neu an meinem Ideale
Neu und stark war ich erwacht
Dich zu finden, warf ich wieder
Warf ich meinen tragen Kahn
Von dem toten Porte nieder
In den blauen Ozean.
Nun, ich habe dich gefunden
Schöner, als ich ahnend sah
In der Liebe Feierstunden
Hohe Gute! bist du da
O der armen Phantasien
Dieses Eine bildest nur
Du, in deinen Harmonien
Frohvollendete Natur
Hab', ins tiefste Herz getroffen
Oft um Schonung sie gefleht
Wenn so klar und heilig offen
Mir ihr eigner Himmel steht
Wenn die Schlacken, die mich kümmern
Dieses Engelsauge sieht
Wenn vor meines Friedens Trümmern
Dieser Unschuld Blume blüht
Habe, wenn in reicher Stille
Wenn in einem Blick und Laut
Seine Ruhe, seine Fülle
Mir ihr Genius vertraut
Wenn ihr Geist, der mich begeistert
An der hohen Stirne tagt
Von Bewundrung übermeistert
Zürnend ihr mein Nichts geklagt
Aber, wie, in zarten Zweigen
Liebend oft von mir belauscht
Traulich durch der Haine Schweigen
Mir ein Gott vorüberrauscht
So umfangt ihr himmlisch Wesen
Auch im Kinderspiele mich
Und in süßem Zauber lösen
Freudig meine Bande sich
Friedrich Hölderlin
φ
g a g a - 7. März 2010, 15:31