25. Dezember 2013
Großartig. Selten. Ein Meisterwerk des Dokumentarfilms. Als roter Faden aus dem Off, im Hintergrund, die Stimme von Laurie Anderson. Das ist nur die erste Hälfte des insgesamt vierstündigen Films. Das ist erste Mal, dass ich mir restlos gebannt, eine DVD bestelle, um die fehlenden zwei Stunden sehen zu können, die nicht im Netz hängen. Nun hat sich mein HD-Fernseher doch amortisiert, auf dem man dankenswerterweise auch youtube sehen kann. Seit einigen Jahren, gibt es, wie ich beim Bestellen entdeckt habe, auch Andy Warhols Buch "Popism - the Warhol Sixties" in einer deutsche Übersetzung. Die habe ich auch bestellt, nachdem meine - ja, tasächlich, "eigene", Ende der Achtziger angefangene, nie fertig gestellt wurde. Ich hatte das Original aus den USA importiert und fing an, das Buch schriftlich zu übersetzen, so ausgehungert war ich nach diesen Berichten aus Andy Warhols erster Hand über die Factory. Ich trug mich mit der Idee, die fertige Übersetzung einem Verlag anzubieten, zweifelte dann aber am Interesse, war auch zu faul mich zu kümmern und hatte dann anderes zu tun und legte die Idee ad acta. Ich kam Ende der Achtziger auf Popism, weil Warhol es an irgendeiner Stelle in seinen Tagebüchern erwähnt hatte und ich war neugierig auf ausgiebige Details aus der Zeit vor den Siebzigern, denn das Tagebuch begann ja erst da. Also wartete ich nach meiner Bestellung in irgendeinem Laden am Savignyplatz die sechs Wochen, bis es endlich aus Amerika geliefert wurde. Mir war, als hätte ich einen Schatz in den Händen. Noch nie hatte ich gehört, dass jemand in meinem Umfeld dieses Buch gelesen hätte, selbst die absoluten Velvet Underground Fans hierzulande kannten es nicht. Das Tagebuch dagegen, gab es recht bald in einer deutschen Übersetzung.
Eine Vertraute von Warhol, Pat Hackett, hatte zwei Jahre nach seinem Tod Auszüge aus seinen Tagebüchern der Siebziger bis Achtziger Jahre veröffentlicht. Dieses unförmige, über siebenhundert Seiten dicke Monstrum ruht seit 1989 in meinem Schlafzimmer, rechts von meinem Bett, neben einer geflochtenen Truhe aus Afrika (wo ich nie war). Damals, 1989 war Velvet Underground noch ganz präsent in meinen Zellen, tief verwurzelt. John Cale hatte ich in den Neunzigern häufig live gesehen, vorher auch einmal Nico, ich glaube 1985, und erst viel später, etwa Ende der Neunziger und dann Zweitausendsechs, zweimal Lou Reed, obwohl er meine erste Begegnung mit dieser Dimension der Musikgeschichte war, seit 1980 hörte ich seine ersten Soloplatten und die alten VU-Aufnahmen ohne Unterlass. Für mich war und ist diese Welt wie Erinnerung an Heimat, wie für andere vielleicht die Erinnerung an Weihnachten. Die Entdeckung dieses Films gestern Nacht hat mich sehr berührt. Weil Andy Warhol in meiner Wahrnehmung nie zuvor in dieser Komplexität und Empfindsamkeit portraitiert wurde. Ein paar Jahre her, aber ich habe dieses Meisterwerk von Zweitausendsechs jetzt erst entdeckt. Mir fällt noch ein zweites Meisterwerk ein - Dream of Life, eine sehr persönliche Dokumentation über Patti Smith. Auch sehr besonders. Ich kann das ja alles nicht unerwähnt lassen. Für mich ist diese Entdeckung wie Weihnachten und Ostern zusammen.
g a g a - 25. Dezember 2013, 01:11