29. November 2013

Es ist nach Mitternacht. Ich spüre einen Drang zu bloggen, habe jedoch keinerlei Mitteilung zu machen. Irgendwie unangenehm. Wahrscheinlich bin ich einfach bei der Auswahl des Sujets, wie wir Spitzen-Profischreiber gerne sagen, zu anspruchsvoll. Was hindert mich eigentlich, hier zu vermerken, dass - zum Beispiel - gestern gegen ca. 17:00 Uhr mein Stolz verletzt wurde, durch eine völlig unangemessene Beurteilung, in der kaum ein Superlativ vorgekommen ist, hier und da mal ein warmes Wort, keine nennenswerte Kritik, da es ja auch an Substanz dafür fehlt, hier und da "über den Anforderungen", aber nicht in komplett spektakulärem Ausmaß. Natürlich anders formuliert, aber ich wusste die nebulösen Adjektive schon zu deuten. Diese Schieflage der Betrachtung führte zwangsläufig dazu, dass ich meinem Gegenüber attestieren musste, dass seine Beurteilungskompetenz unterhalb von 100 Prozent, nämlich bei 75 liegt. Aber ansonsten kriegt er gerne von mir 125, wie ich ihm - ich möchte jetzt nicht sagen gönnerhaft - aber wohlwollend mitteilte. Er sieht recht gut aus und hat Umgangsformen und ist eigentlich normalerweise ganz scharfsinnig. Aber was die Einschätzung von mir angeht, muss er noch Schularbeiten machen. Na ja. Gut. Schön, dass wir mal drüber gesprochen haben. Eintrag für meinen privateren Kalender.
schneck08 - Sa, 30. Nov, 01:29

recht so!

arboretum - Sa, 30. Nov, 08:42

Stand etwa ein Mitarbeitergespräch an?

g a g a - Sa, 30. Nov, 14:15

Ich glaube, man nennt das Verurteilungsgespräch oder so ähnlich. Neulich habe ich erst erfahren, dass heutzutage bereits die kleinen Kinder in der dritten Klasse, oder noch früher womöglich, zum Schuljahrsende ein Gespräch mit dem Herrn Lehrer oder der Frau Lehrerin haben, in dem sie sich selber mit einem Entchen einschätzen 'dürfen'. Kleines Entchen, kleiner Schüler, mittleres Entchen, mittlerer Schüler, großes Entchen, großer Schüler. Als ich das hörte, wusste ich wieder, warum mir der Zirkus seit Anbeginn einigermaßen kindisch vorkommt. Ich kenne den Quatsch aus eigenem Erleben jetzt seit rund einer Dekade und die Relevanz erschließt sich mir immer weniger. Ein weites Feld, das ich hier aber nicht weiter abhandeln möchte. Ich kann nur sagen, falls jemand ein Unternehmen hat und mit dem Gedanken spielt, so etwas einzuführen - reine Zeitverschwendung. Um sich ein Bild von der Qualität eines Mitarbeiters zu machen, braucht man keine im Kalender festgesetzten Gespräche, sondern Zusammenarbeit, eine kontinuierliche Nähe, um den alltäglichen Flow mitzukriegen, wie jemand repräsentativ agiert, Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Das ist bei meiner Konstellation eben nicht der Fall. Ich habe ihm zur Entwicklung seiner Beurteilungskompetenz angeboten, eine Kamera bei mir zu installieren, da er ja auf seiner fernen Insel offenkundig sehr wenig mitbekommt. Immerhin hat ihm das ein Lächeln abgerungen. Aber genug davon. Ich habe das jetzt abgehakt, zack. Ich muss dazu außerdem sagen, dass ich ein echtes Arbeitstier bin und es mir nicht um durch geschickte Verhandlung erschlichene Lorbeeren geht. So einen effizienten Perfektionismus hält er wahrscheinlich nicht durchgängig für möglich. Ich jammere hier auf hohem Niveau, nebenbei. Aber es kratzt schon an meinem Ego.
kid37 - Sa, 30. Nov, 22:14

Methoden! Diese Brille muß ihm noch gezogen werden! Selbst ich kann das aus der Ferne beurteilen. (Können sich gerne auf mich berufen. Kid37 hat das gesagt.)

g a g a - Sa, 30. Nov, 23:13

Ich vermute, ich habe es insgeheim mit einer speziellen Variante des "Forced Ranking"-Modells zu tun, das verhindern soll, dass Führungskräfte das Bewertungsdurchschnittslevel zu hoch hieven. Oder so ähnlich. Es ist zumindest nicht ganz an den Haaren herbeigezogen. Aufgrund des (durchaus mit Bauchschmerzen) gelebten Halbwissens über die tatsächliche Leistungsbereitschaft u. -fähigkeit und der komplizierten Parameter diese zu messen (leider keine Brezelbäckerei, räumliche Distanz, keine 360-Grad-Beurteilung), wird dann gerne über einen mittelmäßigen (durchaus "guten") Kamm geschert, von dem man annimmt, dass er schon keinem weh tun wird und irgendwie so grob auf jeden passt.
g a g a - Sa, 30. Nov, 23:30

P.S. Microsoft hat Forced Ranking wieder aufgegeben, wie ich gelesen habe.
kid37 - Sa, 30. Nov, 23:59

In unserer Fabrik drohen solche Bögen mit womöglich ähnlicher Zielsetzung. Glücklicherweise haben wir (noch) einen starken Betriebsrat, der das abwenden konnte. (D.h. es sollen abgemildetere Bögen zum Einsatz kommen, die hier vor Jahren mal entwickelt wurden.) Leider stehe ich ja aus verschiedenen Gründen weiter vorne im Zielgebiet. Sollte es mal kälter werden.

g a g a - So, 1. Dez, 00:15

Und ich habe ja nach all den Jahren gehofft, dass sich diese unselige Mode bald wieder erledigt. Ich glaube, es sind sogar mehr als zehn Jahre, dass ich diesen Zirkus mitmache. Die Variante des Beurteilungsbogens war diesmal neu, im Sinne von "alter Wein in neuen Schläuchen". Ein Dezimalsystem wurde durch prozentuale Bewertungsstufen ersetzt, etwas vergröbert in der Konsequenz, und als neues Instrument die Möglichkeit des Verhandelns während der Festlegung der Bewertung eröffnet. Und ich habe gehandelt. In einigen Punkten hat er nachgegeben, aber in einem nicht, mir war das Gefeilsche dann auch irgendwann zuviel, um nicht zu sagen entwürdigend. Ich bin ja nun kein Orientteppich, dessen Qualität in Sachen regelmäßige Schlaufenführung bewiesen werden muss. Aber schön für die unregelmäßiger gewebten Teppiche, dass auch die Unregelmäßigkeiten nicht mehr großartig ins Gewicht fallen. Denn niemand wurde ja, wie er sich verplappert hat, unter meiner prozentualen Bewertungsstufe abgefrühstückt. Leider, leider, leider, war ich dann rein rechnerisch im Ergebnis bei 124 Prozent (bei einer Spanne von 100 bis 124 Prozent) und bei 125 beginnt die nächsthöhere Stufe. Dumm gelaufen! Haha. So viel wollte ich nun gar nicht darüber schreiben, aber es fuchst mich doch! Kleiner Tipp, wenn so ein System droht: jegliches positive Feedback, das man normalerweise als einfach nur angenehm und normal betrachtet, dokumentieren. Irgendwann kommt man sich dabei nicht mehr blöd vor. Man lernt ja leider nicht von Kindesbeinen an, mit postivem Feedback hausieren zu gehen, ich zumindest nicht. Aber von nichts kommt nichts. Es ist eben doch wie beim Teppichhändler. Wie man sieht, war ich ja zum Beispiel in den letzten zehn Jahren auch zu blöd "Blogmarketing" zu betreiben, sonst stünde ich heute wo anders!
kid37 - So, 1. Dez, 03:09

Genau. Wo die anderen alle Porsches fahren, hätte man Ihnen wenigstens einen Mercedes Benz anbieten können. Aber Sie haben eben nix gesagt. Übrigens finden solche Business-Ereignisse immer Freitag nachmittags statt. Damit man das übers Wochenende mit Hilfe seiner Bloggerkollegen schön verdaut und durchkocht - und dann montags wieder 1a Miss-125-Prozent am Platz ist. Briefe vom Amt kommen deshalb auch immer samstags.
g a g a - So, 1. Dez, 12:41

War in meinem Fall Donnerstag. Ich konnte mir den Termin unter fünf anderen oder so aussuchen. Ich war keineswegs mucksmäuschenstill. Ich hatte dieses (kraftraubende) Verhandeln vielmehr schon so weit ausgereizt, dass es sein Part gewesen wäre, bei so einem lächerlichen Rechenergebnis zu sehen, wo da nachgebessert wird. Man kann dann Widerspruch einlegen, formal, mit breiter gestreuter Unruhe. Genau darauf habe ich keine Lust, das ist es mir nicht wert. Das wäre ja noch unwürdiger, meine Qualitäten wie Sauerbier bei noch weiteren Personen anpreisen zu müssen, die noch weniger mit mir zu tun haben. Es gibt dann da so Gremien. Es würde wirklich zu weit führen, wenn ich noch mehr ins Detail gehe. Insgesamt bin ich in keiner schlechten Position, dass es im Verhältnis stehen würde. Ich schrieb ja bereits oben, ich jammere auf hohem Niveau. Das ist insgesamt kein Saftladen. Ich habe keine Motivation in eine aggressive "denen zeig ich's jetzt mal"-Schiene zu gehen. Mir ist es im Übrigen mehr Genugtuung zu bemerken, dass nicht nur ich am Ende etwas dumm aus der Wäsche geschaut habe. Mir geht es nicht mal um Geld, das bißchen, was dann mehr dabei rauskommt. Ich habe ein ziemlich starkes Ego und bin in verschiedener Hinsicht etwas traumatisiert, was dessen Würdigung angeht. Das Seltsame ist, dass die ab und zu ausbleibende Würdigung nie dazu führt, dass ich an mir oder meiner Leistung oder meinem Wert zweifle, wie das bei anderen der Fall wäre, sondern an der Zurechnungsfähigkeit der anderen. Ich merke, ich bin auch ziemlich stolz und vielleicht auch etwas eingebildet, muss ich ehrlicherweise sagen. Und ich wünsche mir, dass unterschiedliche Leistung wahrgenommen wird. Nicht nur meine. Um Anerkennung zu "kämpfen", die nicht aus freien Stücken kommt, wäre wie bei einem Geliebten um ein Kompliment oder Zuwendung zu betteln. Eine grausame Vorstellung. Anerkennung muss freiwillig kommen, sonst ist sie nichts wert.

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