7. oktober 2007
Dings
Fünfzig Minuten bis zum Ticketschalter. Ich lese in einem Buch Erklärungen von Leni Riefenstahl. Sechzehn Uhr fünfzig bis achtzehn Uhr zwanzig warten bis zum Einlass. Freundliche Freiluft-Bewirtung an Imbissbuden, Einsteinkategorie. Zehn Minuten Schlange Garderobe. Treppe nach unten. Das neunzehnte Jahrhundert, um das es geht, interessiert mich nicht mehr so sehr. Mit Pergolesis Stabat mater in den Ohren laufe ich gleich in den letzten Raum. 1905. Links schreit mich unerwartet ein elektrischer Matisse an, nie gesehen. Hätte ich sehr gerne um mich. Drei Bonnards gefallen mir doch, obwohl ich die Impressionisten freundlich hinter mir ließ. Modigliani. Ausreißer. 1917. Aus irgendeinem Grund dachte ich plötzlich, ich sollte mir die Modiglianis aus der Nähe ansehen. Perfektionismus.
Monatelang hat mich die Ausstellung kalt gelassen. Dann erzählt mir jemand, da hingen drei Modiglianis, die ich in einer Ausstellung über Malerei des 19. Jahrhunderts nicht erwartet hätte. Da dachte ich, ich wäre dumm, mir seinen Farbauftrag nicht aus der Nähe anzuschauen. Sie hingen am Ende des Rundganges, im letzten Raum, gegenüber von den drei Picassos. Seit ich die Ausstellung betrat, waren gerade fünfzehn Minuten vergangen. Ich ging ganz nah ran. Merkwürdig. Wieso hätte ich nicht erwartet, dass er die Konturen vorzeichnet. Man kann es erahnen. Geht man sehr nah an die Bilder, schimmert die vorgezeichnete Kohleskizze durch. Ich verliere ein bißchen die Ehrfurcht. Ich gehe in die Knie, um die Textur in einem anderen Lichteinfall zu sehen. Er hat eine wesentliche Linie korrigiert. Die Ölfarbe war schon trocken und der Pinselstrich geht quer. Die neue Kontur darüber diagonal. In meine Ehrfurcht mischt sich ein vertrautes Gefühl. Er wird sich geärgert haben. Wenn das Licht sitzt, merkt man es nicht. Das Licht ist genau richtig. Man darf nur nicht in die Knie gehen. Mein Blick streift die drei kleinen Picassos. Wie dicht die blauen Pigmente miteinander tanzen. So virtuos wie bei dem kleinen Matisse, den ich noch nie sah und ich sah vieles von ihm. Deshalb hat es sich gelohnt. Zweieinhalb Stunden warten auf diese Minuten.
g a g a - 7. Oktober 2007, 02:17
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