06. Oktober 2011

Wenn man sich vorstellt, man hätte die freie Wahl zwischen einem beliebig kleinen und beliebig großen Aktionsradius, könnte man körperlich und mental erfahren, dass die Freiheit, den größten Radius auszuagieren, sehr viel mehr Krafteinsatz erfordert, als sich auf die "Bewirtschaftung" eines kleinen Kreises zu beschränken.

Eine großräumige Bewegung in der Welt schlägt größere Wellen im Ozean, reflektiert mehr Kraft, aber letztlich auch nicht mehr als in den ausschlaggebenden Impuls für die große Welle gegeben wurde. Wenn mit wenig Krafteinsatz eine kleine Welle angestoßen wird und im entsprechenden Maß zurückflutet, entspricht das demselben Erfolg. Anteilig. Verhältnismäßig. Wozu also eine große Welle machen? Eine kleine Welle ist für einen kleinen Menschen überschaubarer. Eine größere für einen größeren.

Schlau wäre herauszufinden, welche Welle die richtige Größe für einen hat, gerade dass man sich nicht ausbeutet, nach Einsatz der Kraft noch etwas übrig bleibt. Und das Kräftedepot von Tag zu Tag wieder aufgefüllt werden kann. Durch eine einzige Nacht mit gutem Schlaf. Raubbau über einen längeren Zeitraum auszubügeln ist sogar in der Ruhephase anstrengend. Die eigene Kraft real einzuschätzen und was mit möglichst geringem Kraftaufwand zu möglichst viel Futter für das Ego führt, ist eine Kunst für sich. Ich kann mich nicht erinnern, dass mich je jemand ermahnt hätte, weniger fleißig zu sein. Oder doch: das geschieht immer dann, wenn bereits unwiderlegbare Zeichen von Erschöpfung zu Tage treten. Als manifestiertes, diagnostizierbares physisches Krankheitsbild. Oder die sichtbare Vorstufe in Form eines unverholenen Nervenzusammenbruchs im halb-öffentlichen Raum.





Ich habe herausgefunden, dass ich viele Dinge in meinem Leben gut weglassen kann, die Krafteinsatz, Aufmerksamkeit gefordert haben. Dazu gehören auch Dinge, die andere als vergnügliche Freizeitgestaltung einstufen würden. Begegnungen mit vielerelei interessanten Menschen an vielerlei interessanten Orten. Wenn man außerdem an dem Punkt ist, wo man sich Events nicht mehr schön trinkt, reduziert sich die Fülle des substanziell Aufregung Verheißenden noch mehr. Mal sehen, was nach der Phase der Klausur kommt. Die Ansprüche werden ja nicht weniger. Gestern überlegt, ob man eigentlich auch als Frau bei der Freiwilligen Feuerwehr mitmachen kann. Irgendsoetwas zutiefst Sinnvolles. (Oder von mir aus auch Rettungshubschrauber-Pilotin Nielsen, wie Prinz William)

Feuerwehrleute beeindrucken mich ungeheuer. Eigentlich am meisten von allen. Die begeben sich selbst in Gefahr. Ein Rettungssanitäter macht auch beindruckende Arbeit, ist aber nicht so gefährdet dabei. Ich sehe ja ungern Verletzte. Das ist ein Haken. Unter anderem. Diese Retter-Berufe sind mir wohl auch nicht in die Wiege gelegt. Aber der Respekt davor ist groß. Die Bewunderung für weibliches, schulmedizinisches Personal hingegen bewegt sich eher im homöopathischen Bereich, da sind mir schon die kaltblütigsten Flintenweiber untergekommen. Krankenschwestern von geradezu feldwebelartigem Naturell. Abgebrüht und leicht genervt. (Meine diesbezüglichen Erfahrungswerte können aber auch an meiner Krankenversicherungs-Klasse gelegen haben. Ich war noch nie erster Klasse krank.) Nach meiner Beobachtung ist das herzensgute Helferpersonal vorwiegend unter den männlichen Pflegern zu finden. Der brillentragende Hesse-Typus. Pflegetechnisch kann man da unbedingt vertrauen. Aber Feuerwehrmänner sind meine Helden. Menschlich gesehen. Andere Berufsgruppen nicht. Die haben zwar auch Vorzüge (z. B. Koch: sehr guter Männerberuf!) und gesellschaftliche Verdienste, aber keinerlei nennenswerte, heldenhafte Leistungen vorzuweisen.
zuckerwattewolkenmond - Do, 6. Okt, 22:41

Die Bewunderung für weibliches, schulmedizinisches Personal hingegen bewegt sich eher im homöopathischen Bereich, da sind mir schon die kaltblütigsten Flintenweiber untergekommen. Krankenschwestern von geradezu feldwebelartigem Naturell.

Ich habe gerade schallend gelacht, als ich das las. Habe ja auch einige einschlägige Erfahrungen. ;o)

g a g a - Do, 6. Okt, 23:19

Danke für diesen hochqualifizierten Kommentar. Das beruhigt mich dann doch, das aus so berufenem Munde zu lesen. Ich bin ja vergleichsweise ein Grünschnabel. Meine Theorie ist, dass eine gewisse Gefühlskälte und Robustheit Voraussetzung ist, um körperlich und anderweitig lädierten Menschen, offenkundig von Gefühlen unbeeindruckt, Spritzen und andere Gerätschaften in den Körper zu rammen. Die Mär vom vorrangigen Helfersyndrom (beim weiblichen Teil dieser Berufsgruppe zumindest) ist Augenwischerei, ja Volksverdummung. Und an dieser Stelle sollten wir auch nicht länger großmütig darüber hinwegsehen, dass es sich um ein beruflich legitimiert kultiviertes Abhängigkeitsverhältnis zwischen einer dominanten weiblichen Machtperson und einem kindhaft hilflosen Schwächeren handelt. Der sozial ummäntelte Schwesternberuf als Schauplatz für die bezahlte Selbstbefriedigung einer herrschsüchtigen Persönlichkeitsstruktur! (ich glaube, ich steigere mich gerade in was hinein, das kann ich gut! Um nicht zu sagen: Super!)
zuckerwattewolkenmond - Do, 6. Okt, 23:41

So denke

ich mir das auch immer. Es ist wahrscheinlich überlebensnotwendig, daß man sich lernt vom Leiden der Patienten abzugrenzen. Sonst könnte man den Beruf auf Dauer gar nicht machen. Zum Teil spielt sicher auch die Routinierung eine Rolle, wie sie eigentlich in fast jedem Beruf vorkommt, aber sicher in einer so hierarchischen und großen Institution wie einer Klinik, in der mehr oder weniger eine Massenabfertigung stattfindet, noch viel mehr. Aber trotzdem glaube ich, daß trotzdem auch das Helfersyndrom unter medizinischem Personal weit verbreitet ist, vielleicht als innerster Antrieb, so einen Beruf zu ergreifen. Eigentlich muß man dazu schon recht idealistisch sein. Aber idealistisch ist fast jeder zu Berufsbeginn, bis er von der Realität des Arbeitslebens überrollt wird. Das kenne ich von mir selbst und auch von den vielen jungen Leuten, die ich als Praktikanten und Berufsanfänger bei uns gesehen habe. An der Fachhochschule wurde uns damals von einem Dozenten prophezeit, daß jeder von uns früher oder später innerlich kündigen wird. Ich habe es nicht geglaubt, dachte mir, so ein Quatsch, die Arbeit macht doch Spaß. Klar, so als Praktikant, wenn man das erste Mal merkt, daß man etwas leisten kann und gebraucht wird.. Sieben Jahre später habe ich schon ganz anders gedacht und heute weiß ich, daß mein Dozent Recht hatte und muß immer über den Idealismus der jungen Leute schmunzeln, wenn sie meinen, genau zu wissen, wo es langgeht und mir sagen wollen, wie ich arbeiten soll. Ein bißchen tut es mir auch leid, wenn man sieht, wie Leute in Hierarchien und Bürokratien verheizt werden, bis von der anfänglichen Motivation nichts mehr übrig ist.
g a g a - Do, 6. Okt, 23:56

Ein gerechtfertigt ernsthafter Kommentar. Ich habe das natürlich überspitzt formuliert, aber letztlich ist es eine Mischung aus verschiedenen Motivationen, warum man in so einem Beruf landet. Ich erinnere mich, als ich Kind, Mädchen war, antworteten viele Mädchen schon in der Grundschule, sie wollten gerne Krankenschwester werden. Aus grundguten Gründen wollten sie das. Aber sie wurden es natürlich nicht. Keine einzige von denen, die ich kannte. Das waren Kleinmädchen-Phantasien eines wenigstens vorstellbaren Berufs, wenn man mal groß ist, so ähnliche Sachen machen wie mit der Babypuppe. Nur halt "in krank". Baden, füttern, pflegen. Bestimmt hat auch jedes kleine Mädchen seiner Puppe mal einen Verband gemacht. Aus echtem Mull oder Klopapier. (Meine Puppe Michaela brauchte sogar einen echten, weil Bein ab.) Ich hatte eher das Gefühl, schon als kleines Mädchen, dass "Helfen" zwar gut ist, das hört man ja immer in Familien mit christlicher Konfession, fand aber tief im Herzen, dass es zu ähnlich dem "Mama-Spielen" wäre und darauf hatte ich auf Dauer keine Lust. Mit meinen Puppen hab ich eigentlich nie richtig Mama gespielt, sondern immer mehr so Freundin. Oder Fotografin und Fotomodell ;-)

Und ja: es ist manchmal schwer zu erkennen, wo das "verheizt werden" anfängt und die rechten, wirksamen Argumente zu haben, um dem Einhalt zu gebieten. Oft eine existentielle Frage, was man wagen könnte, dürfte, ohne die Existenzberechtigung (an einem Arbeitsplatz... aber auch in anderen Beziehungen) gleich grundsätzlich in Frage zu stellen. In der Hinsicht ist Älterwerden häufig hilfreich. Ein Zugewinn an Autorität und Spielraum. Und der zunehmende Mut, Grenzen zu setzen. Es zu wagen. Weil man eben doch nicht gleich in der Gosse landet.

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