25. September 2011



Je länger ich mich beobachte, umso theatralischer komme ich mir vor. Dieser Selbstdarstellungsdrang. Nicht einmal gespielt oder verstellt, aber dieser Drang, sich darzustellen. Wenn ich das sachlich diagnostiziere, frage ich mich, ob das einfach von Hause aus stärker in meinem Charakter angelegt ist, oder ob es sich um eine eigenmächtige Wiedergutmachung aufgrund zu geringen Zuspruchs in prägenden Kindheits- und Jugendjahren handelt. Wie auch immer - irgend etwas daran scheint heilsam zu sein. Man sagt das auch Menschen nach, die ins Schauspielfach streben, ohne den vordringlichen Ansatz, Menschen unterhaltsam beglücken zu wollen. Sie wollen gesehen werden. Angeschaut werden. Liebende, zugewandte Blicke in hoher Dosis empfangen. Diese Energie von Blicken ist keineswegs zu unterschätzen. Lebenselixier. Was richten strenge oder argwöhnische Mütter- und Väterblicke an. Oh Gott. Ich will das Thema gar nicht weiter ausführen. Absatz.

Chronologisch ordentlich wie ich bin, beginnt auch die nächste Entdeckungsreise, zu einem mir überraschend wichtig gewordenen Ort in Berlin, zuhause. Ich überlege, was ich anziehe, wenn ich einen Ort aufsuche. Was ist atmosphärisch angemessen. Bequem soll es sein. Denn meine Ausflüge dauern immer ein paar Stunden. Wenn man sich nicht rundherum wohl fühlt, sieht man auch auf den Bildern ein bißchen verklemmt aus. Eingeklemmte Taille und eingezwängte Füße ist nach Adam Riese eingeklemmtes Lächeln, eingezwängte Psyche. Zu Riefenstahls Drehzeiten dort, wo ich mich auf den Weg hinmachen würde, trug man in jenem heißen Sommer 1936 auch Brillen gegen die blendende Sonne. Aber die Fassungen waren doch eher aus Metall als aus Kunststoff. Filigrane Modelle. Ein bißchen wie meine Kenzo-Brille mit den blau verspiegelten Gläsern. Derlei Extravaganz hat es da freilich nicht gegeben. Als ich ebendort in einem Ausstellungsraum war, sah ich Leni Riefenstahl zufällig auf einem alten Foto mit einer Schirmmütze. Hatte ich gar nicht erinnert. Na ja. Ich habe mein Bestes gegeben um keinen unangemessenen ästhetischen Bruch vor Ort zu verursachen. Und das ist mir auch gelungen. Morgen oder übermorgen geht es weiter. Das Bild da oben ist schon kurz vor dem Ziel. Es stammt aus der S-Bahn. Irgendwo zwischen Hackeschem Markt, Berliner Hauptbahnhof und Olympiastadion. Da ging es nämlich hin. Aber das kommt dann morgen. Oder übermorgen. Oder Überübermorgen. Eins nach dem anderen.



Jetzt muss ich schlafen gehen, weil ich viel um die Ohren habe, in diesen Tagen. So viel, dass ich seit Freitag sogar das Telefon ausgestöpselt habe, weil ich so erholungsbedürftig bin. Man vergebe mir und gewähre mir ein paar geruhsame Stunden daheim.

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