16. Juli 2011



Juli in der Auguststraße. Da unten blüht tatsächlich der Holunder. Lob und Preis der Fliederbeere. Sie sehen eine echte Berlinerin, geboren in der Auguststraße in Mitte. Man sieht schon, sie hat diese gewisse Allüre. Etwas schicker als in anderen Ecken dieser Stadt. Ein stolzes Gewächs mit diesem gewissen Sinn für die rechte Mischung aus Eleganz und Hipness. (Das schreibt man mit einem p, hab gerade geguckt, wie es mit zwei ausschaut, aber das ist ja die Babynahrung). Ich verehre die Fliederbeere. Nicht nur die Schöne da unten. Seit ich im November plötzlich aufgehört habe, besten Bordeaux und andere Geistesgetränke zu mir zu nehmen, stellte sich die Frage nach einem adäquaten guten Tropfen mit entsprechenden Anti-Oxydantien, die mir ja jetzt leider durch das fehlende gute Tannin abgehen. Überkandidelt wie ich bin, musste es natürlich der Rolls Royce unter den alkoholfreien Traubenelixieren sein. Et voilà: Fliederbeersaft ist nun das Spitzengetränk meiner Wahl. Aber man soll jetzt nicht denken, das könnte man mal eben so selber zusammenbrauen. Wobei 'zusammen' Quatsch ist, der Saft hat ja keine Zusätze. Muttersaft natürlich. Das Heikle ist, man muss die Holunderbeeren nicht nur ausquetschen, sondern auf fünfzig Grad erhitzen. Darunter ist er giftig, der Saft. Wird er gekocht, verkochen die Zauberkräfte mit. Ich bin mittlerweile Spezialistin für sämtliche Bezugsquellen in Mitte. Am elegantesten ist die Flasche der "Privatkelterei" van Nahmen, die sich auf dem Tisch beinah wie eine Flasche Wein ausnimmt, das wirkt nicht so birkenstockmäßig asketisch, gesundheitsfanatisch. Außerdem hat der Nahmen-Saft den liebreizenden Namen "Haschberg-Holunder". Das ist natürlich für uns routinierte Hobby-Drogensachverständigen ein netter kleiner Anlass zum Zwinkern. Das edle Fläschchen hat freilich seinen Preis. Ich erinnere dunkel ungefähr 4,50 bis 4,90. Bei Galeria Kaufhof am Alex in der Schicki-Micki-Feinschmecker-Fressabteilung. Handelte es sich um Wein, würde man sich schämen, einen solchen Preis zu nennen.



Eine Zeit lang gab es bei Ullrich am Zoo Grünfink Fliederbeersaft zum Schnäppchenpreis von 1,90. Daran hat man schon gemerkt, dass der Einkaufsleiter den Schuss nicht gehört hat. Als der wundersam preisgünstige Saft nicht mehr verfügbar war, erklärte man mir, das wäre eh nur eine Aktion des Lieferanten gewesen, der gehört gar nicht zum Sortiment. Als ich dem Apotheker meines Vertrauens in der Großen Hamburger Straße in Mitte von diesem sagenhaften Preis erzählte, lachte er von Herzen. Bei ihm kaufe ich auch manchmal, hab die Marke vergessen, 3,90. Dann ist da noch so ein Bio-Supermarkt am Hackeschen Markt, in den mich sonst nichts treibt, die haben von einer Marke mit Antroposophen-Kritzel-Schrifttypen auf dem Etikett, Holundersaft für den sagenhaften Preis von 2,50 pro Flasche. Hab ich neulich mal probiert. Der hat mir bisher am wenigsten geschmeckt, ist aber vielleicht auch Einbildung, weil mir der ganze Laden nicht so herzenswarm entgegenkommt wie mein Apotheker. Und in dem altbackenen Reformhaus im S-Bahnhof Alexanderplatz gibt es auch noch welchen, ich glaube über vier Euro die Flasche, Marke vergessen, gehe ich aber selten hin, liegt nicht so oft auf meinem Weg. So, jetzt sind Sie im Bilde. Keiner kann nun mehr sagen, man hätte ja von nichts gewusst. Von wegen Schönheitselixier.


: : : : : : : : : : : : : : : : : : LOB UND EHR DER FLIEDERBEER! : : : : : : : : : : : : : : : : : :
arboretum - So, 17. Jul, 17:58

Im Garten meiner Kindheit gab es auch Holunderbeeren. Die Vögel mochten die auch, und kackten gern einmal auf die frischgewaschene Wäsche, die draußen auf der Leine hing.

Ich liebe Holunderbeergelee oder -marmelade, gekauft schmeckt es aber nie so gut wie von meiner Mutter damals.

g a g a - So, 17. Jul, 18:43

Ich höre oft davon, dass Mütter und Großmütter der älteren Generation noch Holunderbeeren eingekocht haben. Die meisten kennen den Saft nur in heißer Zubereitung als Erkältungsmittel, meistens mit Honig versüsst, weil er allgemein zu herb gefunden wird. Ich trinke ihn oft einfach wie er ist, auf jeden Fall immer gekühlt, unverdünnt und ungesüßt und manchmal mit anderen guten Säften vermischt. Holunder mit dem dunkelroten Triple Purple- oder Mango/Maracujasaft aus dem True-Fruits-Regal ist auch sehr delikat, eigentlich die beste Mischung, neben der Mischung mit Blutorangensaft. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Geschmack der Marmelade sehr reizvoll ist, der Kontrast der intensiven beerigen Säure zum Zucker. Wenn man eine Flasche geöffnet hat, entwickelt sich nach zwei bis drei Tagen ein leichter Gärungsprozess, das sieht man an dem leichten rosa Schaum an der Oberfläche. So wie bei Federweißem. Ist natürlich ein leicht alkoholischer Prozess. Aufregendes Geschmackserlebnis. Insofern kann ich nur sagen, ich habe keine handelsüblich als alkoholisch ausgwiesenen Getränke seit November zu mir genommen. Ich hatte schon vor Monaten meinem sehr erstaunten guten Freund Jan erzählt, dass ich überhaupt keinen Wein mehr trinke, stattdessen Holunderbeersaft und ihn bei einem Besuch gefragt, ob er kosten wollte. Da war gerade der Gärungsprozess eingetreten und ich servierte ihm ein rosa schäumendes Getränk, das ihn sehr begeisterte. Ich wollte ihm eigentlich die unvergorene Variante servieren, aber so hat es bestimmt beeindruckender geschmeckt. Man muss es sich vorstellen, wie einen rosaroter Beeren-Schaumwein. Es ist aber heikel, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen. Ein paar Stunden später ist es schon ungenießbarer sehr scharfer Essig. Sieht dann auch komisch aus. Flockt dann so leicht aus. Am fünften Tag nach Öffnen der Flasche ist er hinüber und muss weggekippt werden. Steht auch auf allen Flaschen drauf, dass man ihn schnell aufbrauchen muss, weil ja keine Konservierungsstoffe drin sind.

Und dann ist da ja noch dieser nette alte Volksglaube, dass ein Holunderbaum das Haus vor dem er steht, vor Unglück schützt. Übrigens hat die gute alte Hildegard von Bingen ein gestörtes Verhältnis zum Holunder gehabt, vielleicht weil er im germanischen Volksglauben so wichtig war und die Beeren unverarbeitet giftig sind. Sie hat sich offenbar nicht genug damit beschäftigt. Heute weiß man ja, dass in einem Glas Holunderbeersaft eine derart hohe Dosis an guten Stoffen für das Immunsystem drin ist, dass man von jedem anderen Saft die zwanzigfache Dosis oder mehr trinken müsste, um auch nur annähernd die Heilkraft der Holunderbeerzauberkraft intus zu haben. Deswegen sage ich auch beharrlich, das ist der Rolls Royce unter den irdischen Säften.

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