06. januar 2007
gestern. delphi. ich setze mich meistens in die zehnte bis zwölfte reihe oder weiter hinten, vorzugsweise die leerste. immer ganz an den rand, rechts. im delphi gleich beim ausgang. am äußeren rand hat man eine bessere wahrscheinlichkeit, dass kein kopf vor einem in die leinwand ragt. auf dem sitz links von mir mein zeug. sicherheitsabstand. schön leer meine reihe. die siebzehnuhrfünfzehn-vorstellung. ich bin kurz vorher da. bis halbsechs kommen noch einige besucher dazu.
jemand setzt sich zwei reihen vor mir, auch nah am rechten rand aber eher zur mitte. der kopf ragt ein wenig in die leinwand. mir dämmert, dass ich diesen kopf kenne. sehr gut kenne. oh je er. oder doch nur eine ähnlichkeit? der hinterkopf, die brille. das passt. eine flüchtige handbewegung, die ihn endgültig identifiziert. er streicht sich mit der rechten handfläche ein paar mal über den hinterkopf. eine geste, die ich oft an ihm sah. auf eine bestimmte art. so, wie sich manche räkeln.
er dreht sich nur einmal kurz um, um die ausgezogene jacke irgendwie auf den sitz zu drapieren. eine flüchtige bewegung. ich verdecke meine augen, mein gesicht mit der rechten hand, so wie man sich den kopf hält, weil er schmerzt. ich überlege, ob mir die distanz ausreicht. ob die wahrscheinlichkeit gering genug ist, dass er sich ein weiteres mal umdreht und mich erkennt. ich rutsche tiefer in den sitz. nein. das ist mir zu nah. viel zu nah.
ich muss jede möglichkeit einer begegnung auschließen. ich nehme mein zeug und gehe drei reihen weiter nach hinten. immer noch gute sicht. aber immer noch sein kopf in der leinwand. ausgerechnet. er ist nicht der größte für einen mann. so groß wie ich. irgendwas um eins- achtzig. muss mir jetzt ausgerechnet auch noch in den kopf kommen, wie es mit ihm in gewisser hinsicht lief. und wenn nichts mehr ging. das lief wie geschmiert. media luna nannte er mich dann, was eine versaute anspielung war, die man nicht ohne weiteres versteht. wie mir das gefiel. die erinnerung daran ist wie eine nötigung, die eine körperliche wahrnehmung beschwört, die mir lästig ist. ich muss mich schütteln. wie konnte ich. skorpion natürlich. 26. oktober 42.
dominante waage-zwillingsaspekte, so weit ich erinnere. ein hoch- gradig akademisch gebildeter, sinnenfroher schwätzer. treffliche belei- digung war, mir goldhagens willige vollstrecker zum geburtstag in die hand zu drücken. unverpackt. nichts gegen konfrontation mit dem horror und dem unsagbaren. aber nicht zum geburtstag. überhaupt bücher. jemand, der bücher verschenkt, die er selbst gerade unge- heuer bedeutend findet, ungeachtet der besonderen interessen des zu beschenkenden. über die weiße göttin von ranke-graves zu beginn des ganzen hatte ich mich noch halbwegs gefreut, aus neugier.
ich stehe wieder auf. gehe ganz weit nach hinten, wo alle reihen unbesetzt sind. in die vorvorletzte reihe. ach was. ich stehe wieder auf. wenn schon, denn schon. mal sehen, wie es in der letzten reihe mit der sicht ist. gut. erstaunlich gut. sein kopf ragt nicht mehr in mein sichtfeld. ich kann kaum mehr ausmachen, wo er sitzt. gut. sehr gut. schnell vergessen. er würde versuchen, so viel ist sicher, mich beso hier beso da, an sich zu drücken, mit laszivem augenzwinkern die laue temperatur zu erhöhen. schon aus prinzip, schon aus gewohnheit. bloß nicht. desinteresse. langeweile. zeitverschwendung.
gut da hinten. wie gut man sieht. ganz erstaunlich. bestimmt zehn reihen vor mir völlig leer. auf die entfernung ist auch drohendes geraschel und geknusper nicht mehr so stark zu hören. wie ich das verachte, diese uneingeladenen nebengeräusche körperlicher be- dürfnisbefriedigung. grobschlächtige naturen, die keine sekunde darüber nachdenken, welche geräusche sie produzieren, die den kinosaal mit ihrem verpupsten sofa zuhause verwechseln. guter platz. sehr, sehr guter platz. kaum werbung. dann der film.
ausgerechnet ein spanisch sprechendes kindermädchen taucht auf. deutsche untertitel. ich hatte gerade vergessen, wer da vorne sitzt, jetzt muss ich wieder daran denken. seine muttersprache ist spanisch. er wird da vorne sitzen und heimatgefühle haben, weil eine mexikanische kinderfrau in der sprache seiner mama auf der leinwand spricht. ich denke noch, wie absurd das leben ist, die situation, die befremdung darüber, dass man sich einst nah war. größte körperliche nähe zuließ. zum glück katapultiert der film kurz darauf jeden gedanken an meinen eigenen film weg. nichts bleibt davon übrig.
latent im hinterkopf, dass ich möglichst als letzte den saal verlassen muss. ich werde warten, bis er gegangen ist und noch eine kleine weile. es könnte sein, dass er unten kurz im wc verschwindet, oder im foyer bekannte entdeckt. er kennt ja gott und die welt. also nochmal gut fünf minuten dazu. abspann. er steht noch beim abspann auf, nimmt eilig seine jacke und ist weg. ich warte in ruhe den abspann ab, die musik ist ohnehin zum sitzenbleiben. ich stehe langsam auf, nehme meine handschuhe, ziehe den fellmantel über. reißverschluss. player an, auf die ohren. die schwarzen lederhandschuhe. tasche. über den weichen teppich zum ausgang.
jemand setzt sich zwei reihen vor mir, auch nah am rechten rand aber eher zur mitte. der kopf ragt ein wenig in die leinwand. mir dämmert, dass ich diesen kopf kenne. sehr gut kenne. oh je er. oder doch nur eine ähnlichkeit? der hinterkopf, die brille. das passt. eine flüchtige handbewegung, die ihn endgültig identifiziert. er streicht sich mit der rechten handfläche ein paar mal über den hinterkopf. eine geste, die ich oft an ihm sah. auf eine bestimmte art. so, wie sich manche räkeln.
er dreht sich nur einmal kurz um, um die ausgezogene jacke irgendwie auf den sitz zu drapieren. eine flüchtige bewegung. ich verdecke meine augen, mein gesicht mit der rechten hand, so wie man sich den kopf hält, weil er schmerzt. ich überlege, ob mir die distanz ausreicht. ob die wahrscheinlichkeit gering genug ist, dass er sich ein weiteres mal umdreht und mich erkennt. ich rutsche tiefer in den sitz. nein. das ist mir zu nah. viel zu nah.
ich muss jede möglichkeit einer begegnung auschließen. ich nehme mein zeug und gehe drei reihen weiter nach hinten. immer noch gute sicht. aber immer noch sein kopf in der leinwand. ausgerechnet. er ist nicht der größte für einen mann. so groß wie ich. irgendwas um eins- achtzig. muss mir jetzt ausgerechnet auch noch in den kopf kommen, wie es mit ihm in gewisser hinsicht lief. und wenn nichts mehr ging. das lief wie geschmiert. media luna nannte er mich dann, was eine versaute anspielung war, die man nicht ohne weiteres versteht. wie mir das gefiel. die erinnerung daran ist wie eine nötigung, die eine körperliche wahrnehmung beschwört, die mir lästig ist. ich muss mich schütteln. wie konnte ich. skorpion natürlich. 26. oktober 42.
dominante waage-zwillingsaspekte, so weit ich erinnere. ein hoch- gradig akademisch gebildeter, sinnenfroher schwätzer. treffliche belei- digung war, mir goldhagens willige vollstrecker zum geburtstag in die hand zu drücken. unverpackt. nichts gegen konfrontation mit dem horror und dem unsagbaren. aber nicht zum geburtstag. überhaupt bücher. jemand, der bücher verschenkt, die er selbst gerade unge- heuer bedeutend findet, ungeachtet der besonderen interessen des zu beschenkenden. über die weiße göttin von ranke-graves zu beginn des ganzen hatte ich mich noch halbwegs gefreut, aus neugier.
ich stehe wieder auf. gehe ganz weit nach hinten, wo alle reihen unbesetzt sind. in die vorvorletzte reihe. ach was. ich stehe wieder auf. wenn schon, denn schon. mal sehen, wie es in der letzten reihe mit der sicht ist. gut. erstaunlich gut. sein kopf ragt nicht mehr in mein sichtfeld. ich kann kaum mehr ausmachen, wo er sitzt. gut. sehr gut. schnell vergessen. er würde versuchen, so viel ist sicher, mich beso hier beso da, an sich zu drücken, mit laszivem augenzwinkern die laue temperatur zu erhöhen. schon aus prinzip, schon aus gewohnheit. bloß nicht. desinteresse. langeweile. zeitverschwendung.
gut da hinten. wie gut man sieht. ganz erstaunlich. bestimmt zehn reihen vor mir völlig leer. auf die entfernung ist auch drohendes geraschel und geknusper nicht mehr so stark zu hören. wie ich das verachte, diese uneingeladenen nebengeräusche körperlicher be- dürfnisbefriedigung. grobschlächtige naturen, die keine sekunde darüber nachdenken, welche geräusche sie produzieren, die den kinosaal mit ihrem verpupsten sofa zuhause verwechseln. guter platz. sehr, sehr guter platz. kaum werbung. dann der film.
ausgerechnet ein spanisch sprechendes kindermädchen taucht auf. deutsche untertitel. ich hatte gerade vergessen, wer da vorne sitzt, jetzt muss ich wieder daran denken. seine muttersprache ist spanisch. er wird da vorne sitzen und heimatgefühle haben, weil eine mexikanische kinderfrau in der sprache seiner mama auf der leinwand spricht. ich denke noch, wie absurd das leben ist, die situation, die befremdung darüber, dass man sich einst nah war. größte körperliche nähe zuließ. zum glück katapultiert der film kurz darauf jeden gedanken an meinen eigenen film weg. nichts bleibt davon übrig.
latent im hinterkopf, dass ich möglichst als letzte den saal verlassen muss. ich werde warten, bis er gegangen ist und noch eine kleine weile. es könnte sein, dass er unten kurz im wc verschwindet, oder im foyer bekannte entdeckt. er kennt ja gott und die welt. also nochmal gut fünf minuten dazu. abspann. er steht noch beim abspann auf, nimmt eilig seine jacke und ist weg. ich warte in ruhe den abspann ab, die musik ist ohnehin zum sitzenbleiben. ich stehe langsam auf, nehme meine handschuhe, ziehe den fellmantel über. reißverschluss. player an, auf die ohren. die schwarzen lederhandschuhe. tasche. über den weichen teppich zum ausgang.
g a g a - 6. Januar 2007, 19:38
Ihr Unbehagen kann ich sehr gut nachvollziehen. Und schon gar nicht will man, dass einem solche Leute um den Hals fallen.
Mit 64 ist er jetzt schon ein ziemlicher Greis. Passt auch gar nicht mehr zu Ihnen.
Den Grünäugigen habe ich bei unserer Trennung angefaucht: Wenn Du jetzt sagst Lass uns Freunde bleiben, knall ich Dir eine. Er hat dann ganz schnell wieder seinen Mund zugeklappt. Immerhin, als ich ihn nach Jahren auf jenem Polterabend wieder traf - er war kurz zuvor das erste Mal Vater geworden -, unterhielten wir uns auch einen längeren Moment allein. Ich konnte noch nachvollziehen, warum ich ihn damals mochte. Allerdings war ich auch heilfroh, nicht die Mutter seines Kindes zu sein. (Übrigens war er ebenfalls ein Skorpion, sie soll am selben Tag Geburtstag haben wie ich. Ihr war es, im Gegensatz zu mir, egal, wenn er herumvögelte, was er dann auch ausgiebig tat.)
Dass manche Leute aus ihren vergangenen Affären oder Lieben Freundschaften entwickeln, habe ich auch schon mit Verwunderung beobachtet - als hätten die irgendeinen Schalter, den sie nur umzukippen brauchten.
Bekanntenkreis, genau. Aber genauso gut kann man es dann eigentlich auch lassen.
I'd rather not see you for a really long time wie die Fine Young Cannibals in Funny how love is so schön sangen.