13. Januar 2013
Weiter. Immer der Nase nach, am Reichstagsufer entlang. Gerade noch im ARD-Hauptstadtstudio, stehe ich auf einmal vor dem Grundgesetz. Gleich hinter den ehemaligen Reichstag, heute deutscher Bundestag, das Dings mit der gläsernen Kuppel. Der schöne moderne große Platz dahinter, mit der großen Treppe zum Spreeufer heißt Friedrich-Ebert-Platz. Welches brandneue politische Amt hatte Friedrich Ebert? Erster Reichspräsident der neugeborenen Weimarer Republik! Vorher hatten wir einen Kaiser! (...) "Die letzte, von den Ereignissen bereits überholte Initiative Wilhelms war der am späten Vormittag des 9. November [1918] gefasste Entschluss, zwar als Kaiser, nicht aber als preußischer König abzudanken. Die Revolution hatte mittlerweile Berlin erfasst. Während in Spa an einer entsprechenden Abdankungsurkunde gearbeitet wurde, traf die Nachricht ein, dass Max von Baden seinerseits die Abdankung Wilhelms als Kaiser und König bekanntgegeben und Friedrich Ebert das Amt des Reichskanzlers übertragen hatte. Durch dieses Manöver versuchte der badische Prinz in letzter Minute, den revolutionären Druck zu kanalisieren und die faktisch schon nicht mehr bestehende Monarchie als solche zu retten. Am selben Tag riefen Philipp Scheidemann von der SPD und Karl Liebknecht vom Spartakusbund die Republik aus." Wenn man bedenkt, dass man solche Sachen halbwüchsigen Kinder nahezubringen versucht, die vollauf beschäftigt sind, sich mit der Gesetzgebung der realen Familien-, Kultur-, Bildungs- und Wirtschaftspolitik ihrer Eltern auseinanderzusetzen, wundert mich nicht, dass sich das keiner so genau merkt, in dem Alter. Ich jedenfalls nicht. Ja freilich, der Name und die grobe Funktion ist natürlich schon ein Begriff, aber die Details und Ursachen der Historie? Das sind bei mir schon sehr grobe Erinnerungsbrocken. Wenn man nicht gerade Geschichte auf Lehramt studiert oder bei Günther Jauch zum Millionär werden will. Na gut. Ich muss mich jetzt natürlich wieder eindringlicher damit beschäftigen, schließlich muss ich ja wissen, was die Amtsvorgänger geleistet haben. Aber damit soll es hier auch schon wieder genug sein, mit gebührenfreiem Nachhilfeunterricht. Der Sommertag steht dem Platz gut. Und mir auch. So wie in der Ecke stelle ich mir ein bißchen Sidney vor. Ich war da noch nie, aber bestimmt ist Berlin nirgendwo mehr Sidney als hier. Dass die grausamsten, revolutionärsten und Fortschritt verheißendesten Schlüsselereignisse der jüngeren deutschen Geschichte konzentriert in Berlin geschehen sind, ist keine hingebungsvolle Übertreibung. Wenn man sich gerne auf geschichtsträchtigem Terrain bewegt, ist man dort, und in Berlin überhaupt, goldrichtig. Man sollte unbedingt an einem sonnigen Tag einmal den ganzen Spreebogen entlanglaufen, so wie ich auf meinem Weg zum Kanzleramt. Mit jedem Schritt zeigt sich die Architektur futuristischer, und das Kanzleramt setzt dem Ganzen die Krone auf. Dazwischen liegt noch das Paul-Löbe-Haus. Man sieht in der Strecke da oben schon den linken Flügel. Viele Bilder, auch noch davon. Ich mache das ja nur einmal in so umfassender Weise. Ich habe nicht vor, das noch weitere Male ausgiebig zu dokumentieren. Aber sicher werde ich nicht das letzte Mal dort entlanggelaufen sein. Man kann dort gut Luft holen, die Weite eines großzügigen urbanen Raumes unter großem freien Himmel spüren. Wie man es sonst nur von den weiten Ebenen einer Wildnis oder Wüsten kennt.
g a g a - 13. Januar 2013, 22:37
Trackback URL:
https://gaga.twoday.net/stories/233328014/modTrackback