09. November 2012

Verrauscht. Bestimmt auf dem Sprung und keine Zeit genommen, die Empfindlichkeit optimal einzustellen, gedacht, was soll's, ein Bild, das letzte geht ja einigermaßen, reicht, Plan erfüllt. Wie schnell man sich zuweilen eine Marotte zulegen kann. Wenn die Motivation groß genug ist, legt man sich von heute auf morgen die verrücktesten Gewohnheiten zu. Ich überlege gerade, welche Gewohnheiten ich gerne ablegen würde, man sagt ja immer der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Eigentlich keine. Aber wenn ich nicht alleine wohnen würde, würde ich mir einiges abgewöhnen und zwar sofort. Aber im Grunde nicht wirklich gerne. Ich kenne das aus Erfahrung. Ich hatte immer mit Männern zu tun, die leidenschaftlich gerne zwei bis drei Stunden in meiner durchaus sehr gemütlichen Küche gefrühstückt haben. Ich hörte Ihnen auch immer gerne zu, alle redeten viel und gerne. Ich schon auch. Aber mehr hörte ich Ihnen zu. Die Nachfragen kamen eher von mir. Und die Kommentare von mir bezogen sich hauptsächlich auf Angelegenheiten und Themen, die sie auf den Frühstückstisch brachten. Wenn ich alleine in meiner Wohnung bin, also weitgehend alleine lebe, habe ich völlig andere Rituale, die nicht zu einer Beziehung passen würden, und die ich auch dann nicht kultivieren wollte, wenn diejenigen davon wüssten. Zum Beispiel das erwähnte, von mir sehr geliebte morgendliche Ritual mit meiner Psyche am Küchentisch zu sitzen und Kaffee zu trinken und mir die Haare zu föhnen und mich zu schminken und dabei Musik zu hören. Das wäre mir viel zu intim. Ich mag es nicht, wenn mir jemand zuschaut, wenn ich mich fertig mache. Maximal, wenn ich mich anziehe, das ist weniger intim. Das ist mir zu unromantisch, zu profan. Wenn ich freiwillig Gesellschaft suche, bin ich sehr zugewandt, wenn es mir zuviel wird, ziehe ich mich zurück und pflege wieder meine Marotten. Dann ist der Küchentisch außer zu diesem morgendlichen Ritual und zum Einkaufstüten darauf auspacken, verwaist. Aber wenn es sich selten einmal doch ergibt, ergeben sollte, kann ich den Tisch decken wie im feinsten Restaurant und lege auch alle erforderlichen Tisch-Manieren an den Tag. Ohne mich dabei anzustrengen oder zu verstellen. Das ist dann wie Tanzen gehen. Was tanzen wir heute? Drei oder fünf Gänge? Und zum Nachtisch? Was schreibe ich da denn wieder. Wahrscheinlich wollte sich von göttlicher Hand das Statement manifestieren, dass ich keine hoffnungslose TV-Dinner-Adeptin bin. Man arbeitet ja immer daran, ein tolles Bild von sich abzugeben, da gehören natürlich auch Tisch-Manieren dazu. Ich spare mir aber, ein Opus mit weißer Tischdecke, Stoffservietten und polierten Gläsern zur Beweisführung zu fabrizieren. Bzw. hätte das nur Sinn mit einem adäquaten Gegenüber, von wegen zugehöriger gepflegter Tisch-Konversation. Ich könnte natürlich einen Spiegel auf dem Tisch platzieren und mir gepflegt zuprosten. Zum Wohl, Frau Nielsen. Das wird dann doch etwas sehr Charlie Chaplin-mäßig. Vielleicht aber auch lustig. Ich wäre dann auch sicher ein wenig betrunken. Aber mit sich selber spricht man ja nicht wie mit einem Mann. Daran könnte es scheitern. Natürlich könnte ich mich auch verkleiden und beide Rollen spielen! Oder ich stopfe mein Charlie Chaplin-Shirt mit meinem Bettzeug aus und setze ihn mir gegenüber. Charlie hätte bestimmt amüsante Sachen zu erzählen. Wahrscheinlich würde er von seinen tollen nächsten himmlischen Filmprojekten erzählen. Ich würde ihm dann super Tipps geben, wie er das ganze noch erfolgreicher machen kann und ihn dabei fotografieren, von seiner besten Seite. Er würde mich dankbar angucken. Und mich nichts über mich fragen. Da bin ich mir sicher.
g a g a - 9. November 2012, 23:57
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