19. März 2011

Vierzig Kilometer von Wien entfernt liegt das Dörfchen Zwentendorf, in dem Österreichs einziges Atomkraftwerk steht, baugleich mit Fukushima. Der Widerstand der Bevölkerung provozierte einen Volksentscheid am 5. November 1978, der zugunsten der AKW-Gegner ausfiel. Das fertig gebaute Kraftwerk wurde nie in Betrieb genommen. Österreich hat ein Atomsperrgesetz ("Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich") erlassen. Das unbenutzte Kraftwerk kann bis in den Reaktor-Kern besichtigt werden und dient zu Schulungszwecken für Ingenieure (es gibt in Deutschland fünf baugleiche Kraftwerke). Auf dem Gelände befindet sich mittlerweile eine Photovoltaik-Anlage, die Sonnenenergie produziert und zugleich ein Forschungsprojekt darstellt, in dem getestet wird, welche Solarzellen-Paneele am effizientesten für die Bedingungen in Österreich sind.

Ich habe gestern eine äußerst sehenswerte ORF-Dokumentation über die Historie des Widerstands in den siebziger Jahren in Zwentendorf gefunden, hier in vier Teilen zu sehen:

"Die Akte Zwentendorf "

[ Teil 1 ] [ Teil 2 ] [ Teil 3 ] [ Teil 4 ]
kid37 - Sa, 19. Mär, 17:57

Wenn man bedenkt, was Protest möglich macht. Hier in der Bretagne sollte ja Frankreichs Nuklearhalbinsel entstehen. Vor allem die Frauen der Region heizten über Jahre den Widerstand dagegen an. Das ist eine bildschöne Region mit einem riesigen Vogelschutzgebiet, in der Tourismus eine wichtige Einnahmequelle bietet. Nicht auszudenken, stünden da die ganzen Strahlekuppeln.

g a g a - Sa, 19. Mär, 18:18

Dabei finde ich die Architektur von Atomkraftwerken oft in Teilen sehr gelungen. Gerade diese Kuppelbauten. Als Kind habe immer fasziniert aus dem Autofenster geschaut, wenn man in Ferne der Autobahn solche komischen Bauwerke sah. Weil sie futuristischer ausschauten, als alles andere, gefielen mir die Halbkugeln in der Landschaft schon als Kind. Ich wusste damals nicht, wofür das gebaut wurde. Auf Nachfrage bei den Eltern sagte meine Mutter dann so ungefähr "Ach, das ist ein Kraftwerk". Aber das Wort Atom kam nie in der Antwort vor.

Das besonders sehenswerte an der Dokumentation ist nicht nur der historische Wert und die nostalgisch verblichenen Bilder sondern genau diese Botschaft und damit Inspiration für die Gegenwart, dass Widerstand nicht vergeblich ist. Ich hatte in meinem Kopf eigentlich nur letztlich erfolglose Widerstandsbewegungen in Deutschland abgespeichert. Man sieht hier, wie sich das Aufbegehren durch alle Generationen und Gesellschaftsschichten zog. Es ging nicht um Widerstand um des Widerstands willen von irgendwelchen gelangweilten, rebellischen Jugendlichen. Interessant auch, wie Bruno Kreisky, der das Atomkraftwerk stark befürwortete, begriff, dass er über den Widerstand nicht hinweggehen kann und der Durchführung des Volksentscheides freie Bahn gab. Ich finde das Atomsperrgesetz geradezu sensationell.

Aber Österreich ist nicht so einsam mit dieser Entscheidung, wie man meinen könnte. Vielleicht dachten andere, ähnlich wie ich, dass es wahrscheinlich mehr oder weniger in jedem europäischen Land Atomkraftwerke gibt. Das ist durchaus ein Irrtum. Im Bündnis KOALA (Koalition atomfreier Länder) haben sich atomfreie Staaten zusammengeschlossen um besser auf den Rest der Welt mit ihrer Haltung einwirken zu können:

http://www.unet.univie.ac.at/~a9406114/aai/koala/koala.html

"Atom(kraft)freie Staaten in Europa sind Dänemark, Estland, Griechenland, Irland, Island, Italien, Lettland, Luxemburg, Malta, Norwegen, Polen, Portugal, Jugososlawien, Bosnien/Herzegowina, Kroatien, Mazedonien und die meisten Nachfolgestaaten der UdSSR.

Von allen Ländern der Erde verfügen nur 31 über Atomkraftwerke. Innerhalb der Europäischen Union betreiben Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Schweden, Spanien, Belgien, Finnland und die Niederlande Atomreaktoren."
g a g a - Sa, 19. Mär, 19:30

[...]

g a g a - So, 20. Mär, 20:52


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