12. Dezember 2010



"Die weisse Hölle vom Piz Palü". Gleich im Vorspann beeindruckend: Photographie: Sepp Allgeier. Richard Angst. Hans Schneeberger. Herrliche Aufnahmen. Kerniger Bursche. 2:42 (!) 6:29

g a g a - So, 12. Dez, 21:12

Das ist ein ausnehmend schön gefilmter und zu Herzen gehender Film. Heute Teil eins bis fünf geschaut. Sehr bewegend in Teil fünf, wie der Bergführer (gefühlvoll von dem mir bislang unbekannten, ausnehmend attraktiven Gustav Diessl dargestellt) verzweifelt seine in die Gletscherspalte gefallene, junge Frau Maria sucht und immer wieder nach ihr ruft. "Deutschlandpremiere war am 15. November 1929 in Berlin. Der Film wurde in den ersten vier Wochen nach seiner Premiere von mehr als 100.000 Menschen im Berliner UFA-Palast gesehen. Der Film wurde auch international ein Erfolg." Morgen schau ich weiter.

kid37 - So, 12. Dez, 21:38

Den Film habe ich mal als Kind gesehen. Einer dieser Sonntagsfilme. Ich erinnere mich an den Auftritt von Ernst Udet, mit dem ich zu dieser Zeit natürlich nichts weiter verbinden konnte, als daß er offenbar ein Flieger-As war. Ich glaube, aus der Zeit rührte meine lange gehegte Idee, Postflieger zu werden.
kid37 - So, 12. Dez, 21:44

Ach, und der Titel hat mich ebenfalls fasziniert. Die weiße Hölle vom Piz Palü. Hölle! Da wußte man als Katholik gleich, hier geht es zur Sache. Aber wer oder was war dieser oder dieses "Piz Palü"? Ein Mensch, ein Land, ein Monster? "Piz Palü", eine geheimnisvolle Alliteration, mit merkwürdigen Erinnerungsechos. Stand nicht auf den Flaschen mit der Sonnenmilch "Piz Buin"? Aber was zur Hölle hatte das wieder mit dieser Eiswüste zu tun? Eine fremde Welt, fürwahr.
g a g a - Mo, 13. Dez, 05:50

In den sechziger und siebziger Jahren hatte der Film noch die zensierte Fassung von 1935. Die verlinkte Version da oben ist die Rekonstruktion des Originals, über zwei Stunden lang. Sie müssen das sehen.

"Der Film wurde 1935 gekürzt (unter anderem fielen die Szenen mit dem bereits emigrierten jüdischen Schauspieler Kurt Gerron heraus) und zu einer Tonfassung mit illustrativer Musik von Giuseppe Becce umgearbeitet. Die Originalfassung von 1929, war bis 1996 verschollen. Die aufbereitete Originalfassung ist seit 1998 im Handel erhältlich. Sie enthält auch die vormals entfernten Szenen mit Kurt Gerron. Darüber hinaus wurde sie mit einer neuen Filmmusik unterlegt, die von Ashley Irwin komponiert und vom Deutschen Filmorchester Babelsberg eingespielt wurde." Wikipedia

Im Film wird auch an einer Stelle erklärt, dass Piz Palü der bleiche Berg heisst. Dann heißt Piz Buin vielleicht der braune Berg*. Oder so. Ja, es ist ein Geistername. Ich habe mir immer so ein weißes riesiges Bettlaken-Gespenst vorgestellt. Das ist einer der Filme, deren Titel man schon seit Gedenken immer gehört hat, aber kaum einer hat ihn gesehen. Ich bin sehr fasziniert von der sehr poetischen Kameraführung. Und die Zwischentitel rühren mich jedesmal. Und dieser schöne Bergführer. Und im ersten Teil, wie das frisch verheiratete Paar übermütig im Schnee spielt. Ach.

*) Wiki weiß wieder einmal mehr: Der Piz Buin ist der höchste Berg Vorarlbergs und liegt in der Silvrettagruppe an der Grenze von Graubünden (Schweiz) zu Vorarlberg (Österreich). Seine Höhe beträgt 3.312 m ü. A. Piz Buin ist ein rätoromanischer Name und bedeutet „Ochsenspitze“; er wird PIZ BU-INN ausgesprochen. (Aber ob das alles so stimmt, können meine Leser aus der Schweiz vielleicht besser einschätzen.)
kid37 - Mo, 13. Dez, 11:22

Danke für diese Bergführung. Mir war und ist das ja eine weitgehend fremde Welt. Wie Kapitän Haddock immer sagte, Berge? Die seien zu nichts gut, da prallen nur die Flugzeuge gegen. Die Fotografie bei Franck ist berückend, Schatten von Weiß.

Am 1. Januar läuft in der ARD übrigens Nordwand, mal so zum Vergleich. Erstaunlicherweise für eine eher Action-orientiertes Bergdrama aus deutscher Produktion recht gelungen. Irre (wahre) Geschichte auch. Und eine tolle Wokalek.
g a g a - Mo, 13. Dez, 19:27

Ja, berückend. Auch dieses Draufhalten auf die Zeit, auf den Schnee, der langsam in der Pfanne auf dem Herd zu Wasser schmilzt und diese wiederholte Metapher mit dem tropfenden Eiszapfen und dazu die Musik. Wenn man es beschreibt, ist es kitschig. Man muss es sehen. Ich bin auch überhaupt keine passionierte Bergsteigerin, obwohl ich gerne in den Bergen herumlaufe (nicht annähernd kraxeln), wenn zufällig gerade welche da sind. Meinethalben könnte das Drama genauso gut in der Wüste spielen. Aber das Licht. Das Licht. Noch scheint die Sonne, im ersten Drittel des Films, Winter der sonnig wie Sommer ausschaut, nur mit Pulverschnee. Jetzt schaue ich weiter. Bei einem Drama muss sich ja zwangsläufig das Wetter drehen. Gelitten wird im Film bei strenger Witterung, das ist Naturgesetz. Was mich auch merkwürdig berührt, sind die Alltagsgegenstände in der Hütte. So einfach und zeitlos. Und die traumwandelnde Unschärfe der Innenaufnahmen. Kostümfilme, zeitgenössische Darstellungen vergangener Epochen berühren mich selten, und wenn, dann nicht wegen der Ausstattung, sondern wegen der Geschichte oder wegen einer intensiven Darstellung, die die Kostümierung nebensächlich erscheinen lässt. Ich will lieber eine zeitauthentische Ausstattung sehen, die in der Zeit des Entstehens als auf der Höhe der Zeit galt. Da wirkt etwas anderes. Die Wahrhaftigkeit der Requisiten, die Gegenstände, die aus der damaligen Gegenwart stammten und die Selbstverständlichkeit, damit umzugehen.
g a g a - Mo, 13. Dez, 23:58

(Morgen weiter.
Vor lauter Erinnern und Schreiben den Berg aus den Augen verloren.)
kid37 - Di, 14. Dez, 12:45

Diese Ausstattungsfilme verfallen leicht in dieses Theaterhafte, wo Kostümschneider und Schuhmacher, Requisiteure und Bühnenbauer aus dem Vollen schöpfen können. Die Kamera legt darüber ihren Schmelz aus leicht entsättigten Farben oder gleich einen Sepiaton - und schon ist man im Nachgestellten. Ja, das stimmt schon. (Andererseits kann man sich ja auch nicht sattsehen, an schweren Stoffen - und damit meine ich die Mäntel - Holz und Leder.) Franck und später Riefenstahl arbeiteten ja noch entdeckerisch mit dem Licht und der Landschaft. Sieht man unter anderem deshalb schon selten, weil heute ja alles auf den TV-Bildschirm passen muß.

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