01. Oktober 2025

Der Klenderhof. Die "Springer-Burg" am nördlichen Rand von Kampen. Von weit unten, einem Weg namens Grönning, nach weit oben geblickt, gesehen. Nah am Watt, auf direkter Sichtachse der Galloways (oder doch Angus - whatever), genau gegenüber der grasenden Herde. Möglicherweise das teuerste Reethaus auf Sylt. Es ist im Vergleich mit den anderen, ebenfalls stattlichen Häusern in Kampen unvergleichlich auffallend. Selbst wenn man nichts darüber weiß, ist man beeindruckt und fragt sich, wem das wohl gehört. Gehörte. Was sich dort abspielt. Sofort der Gedanke: "eine Burg", obwohl ich da noch nicht wusste, dass die Sylter vom Klenderhof bis heute von der "Springer-Burg" sprechen. Das geschichtsträchtige Ensemble hat einen Wikipedia-Eintrag:

"Geplant (...) im Jahr 1932 vom Berliner Architekten Otto Firle im Auftrag von Charlotte Baldner, einer Tochter des jüdischen Warenhausbesitzers Leopold Lindemann, der seine 17 Kaufhäuser an Karstadt verkauft hatte. Den ersten Entwurf hatte Firle auf der Rückseite einer Speisekarte des Kampener Kurhauses skizziert. Die Bauherrin schenkte die Anlage ihrem Mann, dem renommierten Cellisten Max Baldner, der mit dem Klingler-Quartett internationale Bekanntheit erlangt hatte. Am Tag der Machtergreifung durch Hitler, war der Rohbau fertig, im Herbst 1933 zog die Familie Baldner ein. (...) Wahrzeichen des reetgedeckten Klenderhofs war der Turm mit dem nur über eine Holzbrücke zu erreichenden Haupteingang und einem runden, bis in die Giebel ragenden Musikzimmer des Hausherrn darüber. Daran schlossen sich im Norden und im Westen zwei mächtige Flügel an, dazwischen ein windgeschützter Innenhof. Da das Gebäude mehr einer Burg als einem Sommerhaus ähnelte, wurde es fortan auf der Insel die Baldner-Burg genannt. (...) Einer der ersten Bewunderer des Hauses war Nazi-Größe Hermann Göring, der das Anwesen am 31. Juli 1933 inspizierte. Charlotte Baldner bereute es später, ihn hereingelassen zu haben. Der Besucher war aber so begeistert, dass er Firle beauftragte, ihm auf der Ostsee-Halbinsel Darß ein ähnliches Haus zu errichten. Dieses Haus brannte 1945 ab. 1937 ließ Göring außerdem auf Sylt das Haus Min Lütten errichten. In der Folgezeit besuchten viele illustre Gäste den Klenderhof (...). 1936 wurde Max Baldner aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen und bekam Berufsverbot.

Seine Frau erhielt einen sogenannten Judenstempel in ihren Reisepass. Ihre Kinder wurden der Schule verwiesen. Juden wurde der Aufenthalt auf Sylt verboten und der Klenderhof stand leer und verwaist am Watt. In der Reichskristallnacht wollten SA-Leute die „Judenburg“, wie sie den Klenderhof nannten, anzünden. Couragiertes Eintreten Sylter Bürger und Gäste verhinderte die Brandstiftung im letzten Moment. Im Krieg wurde Baldner aufgefordert, sich von seiner Frau zu trennen, damit er wieder auftreten könne. Der Cellist lehnte jedoch ab und wurde in ein Arbeitslager der Leuna Werke bei Halle eingewiesen, das er als schwer kranker Mann verließ. Er verstarb 1946 im Alter von 59 Jahren. (...) Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus konnte die inzwischen verwitwete Charlotte Baldner ihren Besitz wieder übernehmen. Sie vermietete das Anwesen zunächst an den Verlag der Wochenzeitung Die Zeit. Hausverwalter war der Schriftsteller Ernst von Salomon, der mit seinem Buch Der Fragebogen" den ersten Bestseller der Nachkriegszeit schrieb. Den Roman in Form einer Autobiografie hatte er in Kampen konzipiert. Nach der Währungsreform leitete Charlotte Baldner das Haus wieder in eigener Regie und nahm zahlende Gäste, wie die Underbergs, Bertha Krupp von Bohlen und Halbach und Ernst Rowohlt auf. Gegessen wurde an einer gemeinsamen Tafel. Ende der 1950er Jahre kaufte Axel Springer den Klenderhof von Charlotte Baldner. Er ließ das Haus modernisieren und richtete eine Tagungsstätte für Verlagskonferenzen ein. Diese wurde auch zur geselligen Begegnung zwischen Politikern, Wirtschaftlern, Künstlern und Publizisten seiner Blätter genutzt. Am 5. August 1973 stand der Klenderhof in Flammen. Unbekannte Täter hatten Brandsätze im Reetdach und im Innern entzündet. (...) Springer ließ den Klenderhof in seiner alten Form wieder aufbauen. Nach seinem Tod '85 verkaufte seine Witwe Friede Springer den Klenderhof an die Schweizer Familie Theler und den Münchner Architekten Victor Erdmann, der in jedem Sommer zu rauschenden Partys einlud."

Hier endet die Eigentümer-Historie im Wikipedia-Eintrag. Aber jede Änderung der Eigentümerverhältnisse war früher oder später eine Nachricht bei Bild oder der Welt. Offenbar ging die Ära der Schweizer Eigentümer-Gemeinschaft 2001, also fünfzehn Jahre nach Erwerb von Friede Springer (im Todesjahr von Axel Springer 1985), zu Ende. Die Welt vermeldete im August 2001: "(...) Nun will sich die Eigentümergemeinschaft von dem Prestigeobjekt trennen: Zwei in Kampen ansässige Immobilienmakler wurden beauftragt, den "Klenderhof" mit seinen 600 Quadratmetern Wohnfläche und das 20 000 Quadratmeter große Grundstück für 22 Mio. DM auf dem Markt anzubieten." Das mit dem Verkauf schien sich aber eine ganze Weile hinzuziehen, da die gut informierte Kampen-affine Welt-Reporterin Inga Griese (selbst dort ansässig) zwei Jahre später, Ende Juli 2003 ausplauderte: "(...) Wenn Victor "Peanuts" Erdmann, im wahren Leben Architekt aus München, in Kampen Teil der "Schweitzer" vom Klenderhof und eine der letzten überlebenden Partylegenden, mit seinem Motorroller durch Kampen knattert und die Freunde abklappert, um zum Essen einzuladen, dann weiß man, dass die "Festwochen" wirklich begonnen haben." Erst weitere zwei Jahre später, offenbar um 2005, ging der Verkauf über die Bühne, und zwar an den Hamburger Immobilien-Entwickler Wolf-Peter Schneider, der den stark renovierungsbedürftigen Klenderhof gekauft hatte und umfassend renovieren ließ. Schneider: „Der Klenderhof ist jetzt ein Neubau im Altbau.“ Auf der Internetpräsenz von Schneider finden sich auch endlich einmal Bilder, wie das Objekt aus der Nähe und aktuell von innen aussieht. Nach Fertigstellung der Modernisierung wurde Engel & Völkers 2007 beauftragt, das Objekt zu verkaufen.

Und wieder hat sich ein Eidgenosse dafür erwärmt. Bild vermeldet im Juli 2007 den Kaufabschluss: "(...) Der neue Besitzer wird den Bau als privates Ferienhaus nutzen, im Oktober einziehen. Wer der neue Herr des Klenderhofs ist, verrät Schneider nicht. Nach Informationen von BILD ist es der Schweizer Unternehmer Dr. h.c. Thomas Straumann, Gründer einer Firma für Zahnimplantate und Besitzer von Luxus-Hotels in Basel und Gstaad. In seinem neuen Ferien-Domizil stehen ihm 17 Zimmer (allein sieben Schlafräume!) mit 800 Quadratmetern Wohnfläche und ein 20 000 Quadratmeter großes Grundstück zur Verfügung." Aber auch Chefreporterin Inga Griese kommt ihrer Berichterstattungspflicht für die Welt zeitgleich am 29. Juli 2007 nach und meldet den Verkauf und nennt launig Ross und Reiter, Familienstand inclusive: "Nicht mittellos ist auch der Schweizer und vierfache Vater Thomas Straumann, 44, der nun den Klenderhof, das berühmteste Haus auf der Insel, gekauft hat. Für mehr als 20 Millionen Euro, die genaue Summe wird nicht verraten. Damit hat der Heidefunk ein beliebtes Thema verloren. Schließlich ist das ehemalige Gästehaus von Axel Springer ein legendäres Gebäude. Als der Hamburger Architekt und Immobilienentwickler Wolf-Peter Schneider den Klenderhof vor zwei Jahren von "den Schweizern" um die Familie Theler und Victor "Peanuts" Erdmann kaufte, wurde wild darüber spekuliert, was er mit dem denkmalgeschützten Haus vor und ob er sich da mal nicht überhoben habe. Wer sollte 800 Quadratmeter Wohnfläche und 20 000 Quadratmeter Grund kaufen? Herr Fielmann? Die Begum?? Russen?!? Zu früh geunkt. Das Haus ist ein Traum geworden und der Kaufpreis wahr. Und ab Oktober weht wieder die Schweizer Flagge. Jetzt müssen wir Herrn Straumann nur noch erklären, dass am 1. August alle in seinem Garten stehen und Nationalfeiertag feiern wollen." Nun wird es noch einmal interessant. Offenbar weiß auch bei der Welt nicht immer die linke, was die rechte (Hand) macht, denn vier Tage nach der umfassenden und eloquenten Mitteilung vom 29. Juli 2007 von Frau Griese für die Welt, schreibt Gisela Schütte am 3. August 2007, ebenfalls für Welt, gleichfalls vom Verkauf des Klenderhofs, nur nicht so kenntnisreich und detailverliebt, den vergleichsweise blutleeren Artikel "Traditionsreicher Klenderhof verkauft". Nun musste man nach dem für Oktober 2007 anberaumten Einzug in den Klenderhof durch Familie Straumann fast ganze zwei Jahre auf eine neue Mitteilung über die gute alte Springer-Burg warten.

Am 1. September 2009 war es dann endlich wieder so weit: Baby Schimmerlos aka Michael Graeter wusste für die Münchner Abendzeitung von einer feierlichen Buchpräsentation in exclusiven Kreisen der Münchner Schickeria zu berichten: "Ein Erinnerungsband an das Springer-Gästehaus weckt Sehnsüchte (...) Graeter kann es nachfühlen. Der AZ-Kolumnist über turbulente Zeiten im Sylter Sandschloss (...): Wohl aus Sehnsucht nach vergangenen Zeiten, die vermeintlich prickelnder schienen, kommen immer mehr kostbare Privatbücher in den Umlauf, die nicht zu kaufen sind. Nach dem grandiosen Fotoband von Henkel-Erbin Antje Debus, bei dem selbst Annie Leibovitz blass vor Neid geworden wäre, ist jetzt das 144-seitige Erinnerungsalbum „Klenderhof“ (Produktion: Heino Stamm) von Flensburg bis Garmisch an den befreundeten Jetset verschickt worden. Zum Schwelgen in Erinnerung, die schönste Lektüre. Das ehemalige Gästehaus von Großverleger Axel Cäsar Springer in Kampen auf Sylt, das einmal bei einem Brandbomben-Anschlag auf Ex-Minister Karl Schiller zerstört wurde, war von 1982 bis 2005 fest in Schweizer Hand. Zusammen mit dem Münchner Lagerhallen-Lord Pini Erdmann fungierten die unternehmungslustigen Eidgenossen Chrigl Hardmeyer, Rolex-Ruler Jörg Bucherer, Baumwoll-König Oli Stahel und Versicherungs-As Dr. Rene Theler als Wake-up-Quartett auf Hamburgs Haus-Insel. Die fantastischen Vier sorgten auf Sylt die ganzen Jahre für Furore, wie einst Brigitte Bardot für St. Tropez. Wenn sie da waren und am 1. August eine Art Silvester feierten, war der Sand auf Sylt heiß, sehr heiß. Die turbulente Zeit im reetgedeckten Sandschloss ist leider vorbei und manche schauen schon von oben herab (...) Zeitlos-Playboy Gunter Sachs und Frau Mirja, Verleger-Witwe Friede Springer und Freundin Florentine Pabst, Journalist Claus Jacobi (steuerte ein paar Zeilen für den „Klenderhof"- Bildband bei), Bild-Chefredakteur Peter Boenisch, Kunstsammler Frieder Burda (überholte mit seinen Gemäldesammlungen sogar Bruder Hubert). (...) Designer Reimer Claussen, Hairstylist Gerhard Meir, Interieur-Designer Heino Stamm, (...) Möbel-Kreateur Rolf Sachs mit Frau Maryam, Tennis-Crack Boris Becker, Sängerin Vicky Leandros, Prinzessin Elisabeth von Sachsen-Weimar, Fürst Ferdinand und Fürstin Elisabeth von Bismark, Sportfabrikant Willy Bogner und Frau Sonia und manchmal auch meine Wenigkeit zu Gast waren." Usw. usf. mindestens F. J. Raddatz dürfte da fehlen. Mittlerweile hatte sich Familie Straumann fertig eingerichtet und sehr gut auf dem Kampener Klenderhof am Norderende 1 eingelebt. Nur die Straßenverhältnisse vor der Haustür - da war noch Luft nach oben.

Im März 2011 vermeldete die Schleswig-Holsteinische Zeitung die großzügige Kostenübernahme durch einen Anwohner i. H. v. 350.000 Euro, für Straßenausbauarbeiten am Norderende. Der Artikel hat eine Bezahlschranke, so ist mir nur die Überschrift und die Bildunterschrift zugänglich. Ich habe da aber so eine Vermutung. (Blick zum Klenderhof). Daneben ein anderes schönes Anwesen. Auch imposant und einladend. Adresse Hans-Hansen-Wai. Aber ohne Wikipedia-Eintrag und Zeitungsberichterstattung. In der Ecke ist aber noch ein weiteres, häufiger zitiertes Haus unter Reet. Im Hobokenweg, in den alle gerne wollen. Wohl Hausnummer 13. Dort befindet sich das ehemalige Haus von Verlagsgründer Peter Suhrkamp. Die Historien des Suhrkamp-Hauses im Hobokenweg und vom Klenderhof werden teilweise durcheinandergewürfelt. Beiden ist gemeinsam, dass sie prominente Eigentümer hatten und das Haus im Hobokenweg 13 befand sich ebenfalls im Besitz von Axel Springer. Die Eigentümergeschichte ging so: 1927 erwarb der Musikwissenschaftler Anthony van Hoboken eine Villa, die er seiner Frau schenkte. Nach der Scheidung heiratete diese, nämlich Annemarie Seidel, Schauspielerin, Lektorin und Übersetzerin, Peter Suhrkamp und das Haus wurde als Gästehaus genutzt. Fortan gaben sich die Größen der Kunst- und Literaturszene in Kampen die Klinke in die Hand. Auch Max Frisch schrieb Erinnerungen an seinen dortigen Aufenthalt nieder. Bis der Verleger Suhrkamp 1953 Geld brauchte, um die deutschen Rechte an Marcel Proust zu erwerben. Um das Vorhaben zu finanzieren, verkaufte er das Anwesen im Hobokenweg an Zeitungsverleger Axel Springer. Denkbar, dass Springer das Haus behielt, als er den Klenderhof erwarb. Vielleicht hielt es seine Witwe Friede auch noch gleichzeitig im Familienbesitz. Spätestens 2015, vielleicht früher, ging es in den Besitz des Unternehmers Ralph Dommermuth (Inhaber von 1&1, gmx, web.de etc.) über, der das Haus dreifach unterkellern ließ, um auf einer der drei Etagen seine Oldtimer- und Ferrarisammlung unterzubringen, auf der zweiten einen Weinkeller, und in der dritten Kelleretage ein riesiges Aquarium einbauen zu lassen. Aufstockungen und Anbauten wären unzulässig gewesen. In seinem Wikipediaeintrag ist ein Foto der Baustelle von 2015. Also alles kein Herrschaftswissen, was ich hier kolportiere, aber feinsäuberlich zusammengegoogelt und verlinkt. Wegen der Parallele, dass Axel Springer einst Eigentümer der beiden zu Ruhm gelangten Häuser Klenderhof und Hobokenweg 13 in Kampen war, generiert die google-AI bei der Frage nach dem Besitzer des Klenderhofs auch schon mal Herrn Dommermuth. Wobei ich natürlich nicht weiß, ob nach dem Erwerb Anno 2007 des Klenderhofs durch den Schweizer Dental-Unternehmer mit den vier Kindern, nicht noch ein Verkauf stattgefunden hat. Aber ich glaube es eher nicht, denn das hätten wir doch bestimmt längst aus allererster Hand von Bild und Welt erfahren. Aber still ruht der See, seit der Straßenausbesserung am Norderende 1. Insofern…

g a g a - 1. Oktober 2025, 23:50
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