18. Juli 2024



Da bin ich wieder. Keine Fotos heute – oder doch, eins von gestern Abend. Ich kam erst sehr spät (es dunkelte schon) dazu, den Serverschrank zu fotografieren. Wollte ich heute noch mal bei Tageslicht, wieder nicht dazu gekommen

Heute Vormittag langes Telefonat mit der Pfarrerin, die den Trauergottesdienst macht, über das Leben meiner Mutter. Vorab hatte ich ihr gestern Nachmittag ihre Biographie mit wesentlichen Lebensstationen und Ereignissen in einer zweieinhalbseitigen E-Mail geschildert, damit sie beim Gespräch schon ein Bild hat. Fotos hatte ich ihr auch angehängt. Beim Gespräch bestätigte sie, dass sie alles gelesen hat. Und meinte dann, ihr fehlen ein bißchen die Worte, aufgrund der schweren Schicksalsschläge, die ich in der Mail erwähnt hatte.

Ich bin im Kopf einfach strikt biographisch vorgegangen, angefangen bei der Geburt, und dass sie ein absolutes Wunschkind ihrer Eltern war, das sich erst nach sieben Jahre Ehe einstellte. Das waren anfangs noch ganz schöne Erzählungen. Auch, dass mein Vater, dem gegenüber sie sich erst mal aus Prinzip etwas störrisch zeigte (weil er Musiker war in einer Swingcombo, und der Berufsgruppe in ihren Augen ein windiger Ruf vorauseilte), sie bei jedem Rendezvous mit einer Tafel Lindt-Schokolade becircte, jedes mal einer anderen Sorte. Dass es überhaupt zu den vielen Rendzvous kam, lag wohl an der Verliebtheit meiner Mutter, gegen die sie sich einfach nicht wehren konnte.

Auf jeden Fall ist die zweite Lebenshälfte sehr stark von den Verlusten meines Bruders und ihrem ersten Enkel geprägt gewesen. Über Krankheiten werde ich mich nicht ausbreiten, aber da war ab dem sechzigsten Lebensjahr einiges im Angebot. Also ein tiefes Gespräch mit der Pfarrerin.

Sie klagte mir u. a. ihre Betrübnis darüber, dass in der Gemeinde, wo die Trauerfeier stattfindet, von "der Gemeinde aus" (also der Verwaltung), eine Auflage besteht, dass Trauerfeiern in der Aussegnungshalle (oder wie sich dieser Raum auch immer nennt, wo das stattfindet) in zwanzig Minuten abgehandelt werden müssen. Das würde sie so strikt und geizig begrenzt von anderen Gemeinden, in denen sie tätig war, nicht kennen. "Ich weiß gar nicht, wo das alles noch hinführen soll!" wetterte sie.

Manche Familien buchen wohl deshalb ein doppeltes Zeitfenster. Hat mir niemand davon erzählt. Aber wie auch immer - vierzig Minuten schiene mir dann auch wieder lang. Und ich habe den letzten Termin, da kann man keine Einheit dran hängen, ist aber auch so nach hinten nicht sehr tolerant, höchstens 5 Minuten Kulanz.

Wir haben und drauf geeinigt, dass sie ihre Predigt mit allem gesprochenen Wort auf 7 Minuten beschränkt, so als Orientierungsmarke für mich, weil ich unbedingt in der Trauerfeierhalle oder wie dieser gottverdammte Saal heißt, die vier von mir gewählten Musikstücke drin haben will. Also muss ich zusehen, dass ich die auf 13 Minuten einkürze.

Jetzt ist die Dauer 15 Minuten und 35 Sekunden, ich kürze also gut zweieinhalb Minuten, wahrscheinlich bei der Callas Arie, da ist im letzten Drittel eine Stelle, wo das musikdramaturgisch und vom Takt her passt. Also da könnte die Arie auch zu Ende sein, wenn das Orchester und Maria nicht nochmal anheben würden.

Ich muss es noch mal kritisch durchhören. Wenn es mir doch unstatthaft vorkommt, müssen bei Morning of my Life ein paar Takte dran glauben. Ist ja eh der "Auszug der Urne". Da gibt es keine Vorgabe mehr, festgetackert auf dem Stuhl zu sitzen und bis zum letzten Takt zu hören. Eher Begleitmusik für den Aufbruch.

Das Lied hat ja auch Aufbruchstimmung, atmosphärisch. Ich habe das alles schon mit viel Bedacht und Hingabe gewählt. Was mir die Pfarrerin bestätigt hat. Sie meinte, das gäbe es nicht so oft, dass sich da jemand so viele Gedanken darum macht wie ich, mit dieser Liebe zu jedem Detail. Ist ja auch nicht so eine alljährlich wiederkehrende Sache wie Ostern oder Weihnachten, dass man seine Mutter zu Grabe trägt. (Hallo?)

Außerdem hab ich heute die Trauerpost eingetütet. Den Partezettel. Sagen wohl nur die Österreicher, ist mir aber näher als "Todesanzeige" Oder "Einladung zur Beerdigung". Oder wie immer das auch hierzulande heißt. Unter "Todesanzeige" verstehe ich so ein schwarz umrandetes Viereck in der Zeitung, wo der Name, Geburts- und Sterbedatum steht, ein Sinnspruch und wer die Hinterbliebenen sind und wo und wann die Beisetzung stattfindet. Und dann steht da meistens noch "anstatt Blumenspenden bitten wir um Spenden auf das Konto soundso für Hamster in Not" (o. ä.).

Bis auf das Letzte, steht das auch alles, was ich aufgeführt habe, auf dem von mir selbstgestrickten Partezettel für meine Mama. Ich habe aber auch noch eine Fotocollage auf der linken Seite gemacht und ein Zitat gibt es auf der Rückseite. Kann man so aufblättern wie eine Klappkarte. Ich bin jedes mal hingerissen, wenn ich das Zitat lese. Weil es so passt und so erhebend ist. Erzähle ich bei kommender Gelegenheit. Aber heute nicht mehr.

Ich stoß noch einmal mit mir an, was ich heute alles geschafft habe. Und zuguterletzt noch mit dem früheren Nachbarn meiner Mama telefoniert, der hatte auch Kontakttelefonnummern für mich. Eine war eine alte Freundin meiner Mutter, die ich auch immer sehr mochte. Die auch gleich noch vorhin spätabends angerufen. Wir haben uns richtig verquatscht.

Sie hatte sie mit ihrem Mann sogar vor acht Wochen noch mal besucht. Ich dachte, sie hätten sich aus den Augen verloren. War schön zu hören. Sie meinte "Karin wirkte richtig munter." Das war dann kurz vor ihrem Zusammenbruch Ende Mai. Also hatten sie einen schönen letzten Besuch bei ihr. Morgen muss ich Briefmarken kaufen, dann geht die Post ab.

: :

P.S. Entscheidung ist gefallen. An der Bellini-Arie von Callas wird nicht herumgeschnippelt. So viel Zeit muss sein. Auch nicht am letzten Stück von Esther & Abi, das kann hauchzart ausgeblendet werden, falls überhaupt nötig. Die zweieinhalb Minuten drüber sind ja wohl innerhalb der 5-Minuten-Kulanz in der Halle.
g a g a - Fr, 19. Jul, 02:20

Sebastian Rogler
hier wars so vor 5 Jahren: In der Kirche Beerdigungsgottesdienst mit Sarg, Blumen, einem großen Foto der alten Dame, alle Zeit der Welt und Singen und Ansprache zu Ingeborg und ihren Lebensstationen bzw. eine biografische "Predigt". Danach der gemeinsame Weg der Trauergemeinde hinter dem Sarg zum Gottesacker (300m) und dort dann die tatsächliche Beerdigung des Sarges hinab ins tags zuvor ausgebaggerte Grab (Erdbestattung) durch städtische Bedienstete mit langen Seilen. Am Grab dann die Worte der Pfarrerin, begleitet von einem seltsamen Aufbrausen der Winde... das war wirklich komisch und schön, wie im Film eigentlich. Als flog sie, die Seele der alten Dame, da tatsächlich nochmals an uns allen Anwesenden vorbei. / Stehen am offenen Grab dann, der Sarg herabgelassen, ein Blumenkorb, aus dem sich alle Anwesenden bedienen konnten und eine Blüte hinabwerfen, wenn sie es wollten, mit Gedanken und Zeit. Dann - das "Kondolieren - die Kirschkern, Frau Mullah und ich standen da und die Trauergäste, die, die es wollten, nahmen meine und des Kirschkerns und Frau Mullahs Hand im Vorbeischreiten, dazu ein Blick in die Augen. Es war sehr würdevoll und angemessen. So will ich das einst am liebsten auch mal haben, ohne groß Tamtam, aber auch nicht gänzlich negierend einen nicht unwichtigen Anlaß, nämlich das immerhin tatsächlich "Verstorben sein". /und ist danach ein Kaffee in einem nahen Café geplant? Hier sagt man "die Leich". Mit Kuchen, Snacks und v.a. Geschichten. Ich erinnere immer, wie die alte Dame mir zeitlebens erzählte, dass sie das damals nicht wollte, als ihr Mann (mein Papa) verstorben war viel zu früh. Frau Mullah berichtete jedoch aus ihrer Erfahrung als Pfarrerin, wie wichtig dies sei. Und obwohl ichs zunächst nicht wollte habe ich eine "Diashow" zusammengestellt, noch im Stress am Vorabend der Beerdigung der alten Dame, mit alten und aktuellen Fotos, bei Kaffee und Kuchen im ev. Gemeindehaus. Ich war sowieso fix und fertig, aber das war so wichtig im Nachhinein (man denkt immer ja, möge es sobald als möglich vorbei sein, so eine Beerdigung...), es waren aber so unerwartet viele zugegen und es wurden Geschichten getauscht, Erinnerungen geteilt und gelacht und geweint und so weiter. Es war der Verstorbenen sehr angemessen - und im Nachhinein war es so wichtig gewesen, dies auch noch auf sich/mich zu nehmen. Weil es einfach auch schön war. Und rund. Frau Mullah hatte recht gehabt. Bis heute würde ich es mir vorwerfen, hätte ich das nicht gemacht. / Man darf ja nie vergessen, man stirbt ja nur einmal. Und wenn die Beerdigung vorbei ist, dann trifft man sich nie wieder. / Alles Liebe, Schneck

Gaga Nielsen
"Meine" Pfarrerin meinte ja auch, da, wo sie vorher tätig war, hat es so lange gedauert, wie es eben gedauert hat. Wobei es da sicher auch irgendein gerastertes Zeitfenster gab, weil ja die nachfolgende Trauergemeinde auch pünktlich anfangen will, das mag mal großzüger und mal weniger großzügig gehandhabt werden.

Der Zeitrduck mit den zwanzig Minuten ist ja nur in der verdammten Halle, nicht draußen, wenn die Urne (auch mit Musik) runtergelassen wird und die Blütenblättlein gestreut werden. Nur kann man nicht die Musik für die Feier in der Halle zum Grab verlagern, das ist dramaturgisch unsinnnig.

Der Leichenschmaus (auf den ich sehr wohl Lust habe - und auch Zeit), stellt mich vor allem vor das Problem: WOHIN. Wenn die Beisetzung um ca. 14:45 Uhr beendet ist, haben die wenigen Gastwirtschaften in räumlicher Nähe (für mich alle unattraktiv, kenne ich teils noch von früher) entweder noch nicht auf oder ihre Ruhepause, bis sie um 17 Uhr wieder öffnen. So ein Gedöns mit Riesen-Reservierung und Sonderöffnung für Trauergesellschaft, steht (bei der Unattraktivität der in Frage kommenden Lokale) in keinem Verhältnis, weil ich gar nicht so viele Trauergäste zu erwarten habe (10 - 12 Personen). Und die Trittbrettfahrer, die aus Langeweile vorbeischlurfen, wollte ich nicht verköstigen. Zumal ich die dann auch nicht kenne. Auf dem Land ist man ja auch gerne mal einfach neugierig, zumal wenn auf Rente. Ich nehme an, Deine Mutter war in größerem Rahmen sozial eingebunden und connected. Die Freunde meiner Mutter sind seit langem tot, bis auf ein (in Zahlen: 1) Ehepaar. Dann ist die Entfernung zum Friedhof zu beachten. Ich hätte richtig Lust auf ein sehr atmosphärisches Café in Fürth, laut Routenplaner 15 Minuten Auto-Fahrzeit. Finde ich eigentlich ok. Aber spielen die anderen Beteiligten da mit? Also ich gehe noch damit schwanger, wie oder was 🙂

Mein favorisiertes Etablissement für die Aftershow: stubenhocker-fuerth.com (Trauergemeinde ist überwiegend 30 - 60plus, der Laden hat uneingeschränkt geöffnet UND Veganes in petto (Neffe u. seine Liebste sind vegan), mir gefällt vor allem das Interieur und das Lockere).

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schon auch cool, der...
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Saskia Rutner Lustig...
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