21. Oktober 2023







Das war also die Berliner Kino-Premiere von Margarethe von Trottas neuem Film "Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste". Im ausverkauften Delphi-Filmpalast fanden wir im hinteren Bereich fünf Plätze nebeneinander. Fünf Freundinnen, die Interesse an Bachmann und ihrer Beziehung zu Max Frisch hatten. Jede hatte ihren eigenen Wissenstand zu Bachmann und Frisch mitgebracht.

Ich zum Beispiel habe über Jahrzehnte immer wieder über die beiden gelesen, auch was sie selbst als Autoren verfassten. Es rutscht aber auch manches wieder in die Vergessenheit, meine Auffrischung war Anfang der Woche das Büchlein des Bruders von Ingeborg Bachmann. Den Briefwechsel von Bachmann und Frisch habe ich nur deswegen noch nicht gelesen, weil er erst im kommenden Frühjahr als Taschenbuchausgabe erhältlich ist und mir die Hardcoverausgabe unterwegs zu schwergewichtig ist. (E-Reader schmälern mein Lesevergnügen.)

Nun gab es also einen Film, der auf meinem Kenntnisstand über die beiden beruhte, da Trotta weder vor noch bei den Dreharbeiten Einblick in den Briefwechsel der beiden nehmen durfte, trotz aller Bemühungen und der Fürsprache von Bachmanns Bruder. Der Suhrkamp-Verlag blieb eisern. Im Nachgang las ich in Rezensionen, dass eine bemerkenswerte Neuigkeit sei, dass Max Frisch keineswegs autokratisch in Gutsherrenmanier in "Mein Name sei Gantenbein" Beziehungsdetails ausgeplaudert und verarbeitet hat, sondern vielmehr Bachmann von Anbeginn eingebunden war, lektoriert hat und er jegliche Änderungswünsche ihrerseits berücksichtigte. In der Tat bemerkenswert, weil es nicht in die Opferrolle der vermeintlich rücksichtslos von Frisch für seine literarischen Zwecke ausgebeuteten Bachmann passt, die bis dahin gepflegt wurde.

Aber nun zum Film. Durchaus ein Erlebnis, vor allem visuell. Grandios die Auswahl der Filmmusiken, Selbstläufer, ganz dichte, elegante Bilder und Ausstattung. Ich hätte mir doch ein wenig mehr äußerliche und ausstrahlungsmäßige Ähnlichkeit von der Hauptdarstellerin Vicky Krieps erhofft, die im Vergleich mit Bachmann etwas stabiler rüberkommt. Ich meine das mental. Bachmann war äußerst willensstark, hatte aber eine damit kontrastierende hohe Empfindlichkeit, die auch schüchterne Anklänge hatte. Ich sehe das in Original-Filmdokumenten, wo sie lesend zu hören und zu sehen ist. Auch ein leichter österreichischer Akzent hätte mir überaus gefallen.

Aber ich sehe auch die Herausforderung, eine Schauspielerin zu finden, die all das erfüllt und der Rolle auch intellektuell gewachsen ist. Von Trotta erzählte in einem Interview, dass sie nicht explizit nach einer idealen Bachmann-Darstellerin gesucht hat, sondern schon längere Zeit einmal mit Vicky Krieps arbeiten wollte, weil sie sie besonders gut fand. Die Verbindung bot sich dann an.

Es ist kein Film, der den Anspruch hat, Ingeborg Bachmanns gesamtes Leben nachzuzeichnen. Margarethe von Trotta wurde Bachmann - so vermittelte sie es zumindest im Gespräch nach der Filmvorführung - als Filmprojekt von Produzentenseite angetragen, und sie hatte freie Auswahl, welchem Lebensabschnitt sie sich widmet. Die fehlende Detailkenntnis über die Beziehung mit Frisch wurde dann mehr oder weniger frei mutmaßend so ausgefüllt, dass es in etwa dem allgemeinen Kenntnisstand vor der Veröffentlichung des Briefwechsels entsprach. Überzeichnungen nach Gusto von Produzentenseite und Regie inbegriffen.

Mir fiel erst später, gestern, wieder ein, dass ich meine, in einem Buch, nämlich in "Wer war Ingeborg Bachmann?" von Ina Hartwig gelesen zu haben, dass Bachmann sich während ihrer Beziehung zu Max Frisch gelegentlich Blumen in die gemeinsame Wohnung und auch einmal ins Krankenhaus schicken ließ (ihr wurde die Gebärmutter entfernt), und sie nebulös im Dunkeln ließ, dass sie selbst die Auftraggeberin war und keineswegs ein bewundernder Verehrer. Das erwähne ich deshalb, weil im Film immer wieder - fast schon ein running Gag - Blumensträuße unbekannter Herkunft der Aufhänger für Max Frischs angebliche übersteigerte Eifersucht sind. Der sehr geschätzte Ronald Zehrfeld hat hier leider eine etwas undankbare Rollenaufgabe, indem er im Spiel sein Potenzial plakative Eifersucht darzustellen, ausloten muss. Was dann auch zu allgemeinen Lachern im großen Publikum führte. Er kann sich in den Szenen nicht ultimativ wohlgefühlt haben, dafür kommen sie zu aufgesetzt rüber. Was ich von Zehrfeld eigentlich nicht kenne: aufgesetzt wirkendes Spiel.

Der Film arbeitet durchgängig mit Rückblenden. Ausgangssituation ist ein Ägypten-Urlaub im Mai 1964, ein Jahr nach Ende der Beziehung mit Frisch, über das sie nicht hinwegkam, er verließ sie für eine andere. Bachmann reiste mit ihrem neun Jahre jüngerem Freund Adolf Opel nach Ägypten, bekanntlich ein Wüstenland, daher "Reise in die Wüste". Es wird als kathartisches Reise-Erlebnis vermittelt, die Reise in die Wüste, die Frisch ihr zu Beziehungszeiten in Aussicht gestellt hatte, die aber nie unternommen wurde. So sehen wir allerlei schöne Wüstenbilder und nordafrikanische Innenausstattung, was auch für den Kinozuschauer Urlaubsqualität hat.

Ich habe den Film genossen und freundete mich nach und nach auch mit Vicky Krieps Spiel an, weil sie doch eine einigermaßen angemessene Wahl vom Spielpotenzial ist. Am besten fand ich sie, als sie auf einem Podium vor vielen Männern in Schlips und Anzug, mit um Festigkeit ringender Stimme einen ihrer ernsten und durchaus politischen Texte las. Die Ausstattung, die Kamera, Kostüm, alles Augenweide, man kann es nicht oft genug sagen. Durchaus eine Empfehlung, dieses visuell opulente Werk von Trotta.

Was ich nicht gebraucht hätte, war die sich stark vom Film und vom Bachmann-Frisch-Thema entfernende Diskussion mit drei hinzugeladenen Damen, die sich dezidiert auf patriarchalische Zustände Anno Dazumal und heute fokussierte. Da saß Zehrfeld als einziger Vertreter seines Geschlechts und wurde kaum in das Gespräch einbezogen. Ich hätte lieber ein paar Anekdoten rund um die Dreharbeiten gehört. Aber Trotta amüsierte mich mit ihren teilweise resoluten bis unwirschen Entgegnungen. Sie ist schon eine Klasse für sich.

Später in der Paris Bar, wir tauschten uns angeregt über das Gesehene und auch die Diskussion aus, ließ Saskia ihrer Vermutung Raum, dass Margarethe von Trotta etwas verschleiert und unter den Teppich gekehrt haben könnte, dass sie durchaus eine persönliche Beziehung zur Bachmann-Frisch-Konstellation haben dürfte. Wir sahen im Foyer ihren langjährigen Gefährten Volker Schlöndorff. Wie allgemein bekannt, auch ein ehemaliges Paar von Alphatieren mit gleicher Profession. Und Schlöndorff war mit Frisch befreundet. Aber auch hier können wir nur mutmaßen.







g a g a - Sa, 21. Okt, 16:38

Paste Up
Genau, die Trotta ist immer noch eine Klasse für sich. Auch wenn mich die Exotik der Wüstengeschichte kalt gelassen hat, u.a. zu künstlich die Szenen mit den arabischen Jungs, so gefällt mir doch die dramaturgische Idee, diese Reise als Metapher ihrer Befreiung einzusetzen. Und die Heftigkeit der Kritiker, auch die von mir sehr geschätzten von Artechock Filmmagazin, fällt mir mal wieder auf. Ich erinnere mich im Gegenzug nicht an ähnlich heftige über das kitschige Wüstenepos von Volker Schlöndorff mit Nicole Kidman…


Gaga Nielsen
Danke für den Hinweis auf diese sehr lesenwerte Filmkritik. https://www.artechock.de/film/text/kritik/i/inbare.htm In der Tat, je mehr das Filmgeschehen sackt, umso deutlicher wird die schwarzweiß-Zeichnung "Die Schöne und die Bestie". Die Szene mit den jungen Arabern als Toy-Boys ist in ihrer Ausschmückung freilich auch der Lust auf die pittoreske Ausstattung geschuldet. Ich konnte Adolf Opels Reisebericht bislang nicht bekommen, und weiß daher nicht, inwieweit er intime, amouröse Begegnungen thematisiert hat. Witzig fand ich, mit welcher Ungeniertheit Trotta im anschließenden Gespräch zugab, dass sie mangels ausreichendem Stoff über Beziehungsvorgänge, ausschweifend in die Wüste abblendete.

Ich fand es sehr schade, dass wir beide uns nur am Eingang
fanden, ich hielt noch im Kinosaal Ausschau nach Dir und Jan, aber entdeckte Euch nicht.

g a g a - Sa, 21. Okt, 17:31

Angela
21. Oktober 2023 um 17:03
Wir waren noch länger vorn bei den Diskutanten und haben Euch leider danach nicht mehr gesehen.

Gaga Nielsen
21. Oktober 2023 um 17:26
Aber das nächste mal…! :-)
Ich freue mich schon auf die Aufführung von Deinem Film „Zeitgeister“ am 16. November.

g a g a - So, 22. Okt, 10:15

Angela
22. Oktober 2023 um 9:12
👍
g a g a - So, 22. Okt, 22:27

Jan Sobottka
dazu
https://www.ardaudiothek.de/episode/swr2-am-morgen/ermuedend-und-langweilig-margarethe-von-trotta-scheitert-an-ingeborg-bachmann/swr2/12822011 "Ermüdend und langweilig: Margarethe von Trotta scheitert an "Ingeborg Bachmann"

Gaga Nielsen
Huiuiui, das ist ja ein sehr hartes Urteil. Hab die Kritik angehört.
Man fragt sich, was manche Zeitgenossinnen für einen Begriff bemühen würden, wenn "toxisch" verboten würde ("toxische Beziehung", "toxische Eifersucht", "toxischer Mann"...) Wenn die Kritikerin ihre Schularbeiten gemacht hätte, wüsste sie, dass Bachmann tatsächlich eine Mode-Puppe war. UNTER ANDEREM. 🙂 Ich fand die Modenschau in dem Film großartig, eine der Stärken des Werks ist ohne Frage Kostüm und Ausstattung.

g a g a - Mo, 23. Okt, 20:49

Alter Spiegel-Artikel mit Details aus dem Bericht Adolf Opels über die Ägypten-Reise. U. a. fand die gemeinsame Nacht mit den jungen Männern nicht in Ägypten sondern in Athen mit jungen Griechen statt:
https://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/8924376

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