09. Juli 2022

Liebe Gemeinde. Am vergangenen Montag widmete ich mich bereits mit einem Eintrag dem altehrwürdigen Netzgewölbe der Basilika Sankt Lorenz. Zu meiner allergrößten Freude meldete sich daraufhin einer der Restauratoren höchstpersönlich zu Wort, nämlich der bildende Künstler und ausgebildete Restaurator Sebastian Rogler, der mir seit mindestens siebzehn Jahren ein treuer Freund unter den mir bekannten Bloggern geworden ist. Im Jahre 2009 stand er mit Hilfe eines eingezogenen Arbeitsbodens unter der Decke und verrichtete Restaurierungsarbeiten am Netz. Er verlinkte sogar ein Video von der Fahrstuhlfahrt nach oben zu seinem Arbeitsplatz unter der Decke.
Da ich das Gewölbe ausnehmend schön finde und den Gedanken, dass da ein lebender Mensch daran arbeiten darf, absolut elektrisierend, muss ich das noch einmal würdigen. Es schafft eine lebendige Verbindung zu den Baukünstlern und Stukkateuren der Vergangenheit, bis zurück in die Spätgotik.
Ich finde das ganz und gar aufregend. Die Lorenzkirche wurde im zweiten Weltkrieg so sehr zerstört, dass seither durch Restauratoren grundlegende Aufbauarbeiten verrichtet werden mussten und weiterhin werden. In der Kirche sind immer einige Bereiche wegen dieser Arbeiten abgehängt, und die Zerstörung liegt nun siebenundsiebzig Jahre zurück. Ich ziehe meinen Hut vor dieser Leistung, die künstlerisch aufwändigsten Details der Renaissance wieder herzustellen.
Hinzu kommt, dass es zeigt, dass es in unserer Welt immer noch Menschen gibt, die altes Kunsthandwerk am Leben halten und es eigentlich auch möglich wäre, bei neuen Bauwerken künstlerisch hochwertig und komplex zu arbeiten. Wonach wir uns eigentlich alle sehnen. In Verbindung mit neuesten Technologien könnte einiges sogar leichter als früher bewerkstelligt werden. Ich fordere alle Architekten auf, eine neue Ära einzuläuten, die aufwändigen Gestaltungselementen wieder einen angemessenen Raum gibt.



g a g a - 9. Juli 2022, 19:00
Der noblen Forderung schließe ich mich gerne an. Nur wird uns da noch etwas Kapitalismus im Weg stehen, fürchte ich, dessen einzigen Wert wir - nach der versuchten Abschaffung oder zumindest Zurückdrängung so vieler anderer Werte - allmählich alle kennen.
Kann mir nicht vorstellen, dass irgendein kommunales Gremium beschließt, drei-, vier- oder zehnfache Summen für ein Bauwerk (oder was genau auch immer) bereitzustellen, um den öffentlichen Raum tatsächlich mal zu verschönern. Die wissen doch nicht, wie schön das würde: nicht das Gebaute, sondern das, was solch ein Vorgehen auf lange Sicht bewirkte - fürs Leben, für die Menschen. Für alle.
Und das Geld ist ja auch nicht da. Das fließt in sinnlose Mafiapossen-Megaruinen wie Stuttgart 21, oder in die Kriegsindustrie. Oder in bürokratische Aufblähungen, die nur Flurschaden anrichten und viele Bemühungen ausbremsen, die Welt auch anderweitig lebens- und liebenswert hinzukriegen.
Ich würde mich schon über mehr Sitzgelegenheiten an Bahngleisen freuen. Viele dieser abweisenden Bänke sind so platziert, dass sie bei Regen unbenutzbar werden: Das Wasser rutscht vom Dach genau auf die Bänke. Lieber alle Bahnreisenden mit solchem Foltermobiliar verhöhnen und beschämen und ihre Wartezeit erschweren, als auch nur einer Obdachlosen eine nächtliche Ruhepause im öffentlichen Raum zu gönnen. Oder am Ende sammeln sich da noch Jugendliche und kiffen und machen schon tagsüber Krach. Damit ging das Abendland schon im letzten Jahrhundert immer gut unter.
Architekten würde ich ohnehin grundsätzlich mehr Aufmerksamkeit und Diskurs widmen, so öffentlich wie möglich. Deren Einfälle stehen oft noch herum, wenn ihre Anlässe oder sogar Urheber längst vergessen sind. Auch im Guten, wie von dir oben so schön beispielhaft beschrieben.
Gaga Nielsen
Du hast leider (noch) Recht. Bis die von mir ersehnte Evolution stattfindet, können wir nur privaten Investoren danken, die dafür Geld in die Hand nehmen und dann eine kleine Plakette mit ihrem Stifternamen angeschraubt bekommen. Bei meinen letzten kleinen Reisen mit viel Zugfahren fiel mir auch sehr stark auf, dass es kaum noch Sitzgelegenheiten an Bahnsteigen gibt. Wie unkultiviert ich das empfinde, dem größten Teil der Fahrgäste zuzumuten, sich auf ihren Koffer oder Rucksack zu setzen. Darunter sind ja auch ältere Menschen oder schwächere oder von der Reise erschöpfte.