24. Juni 2019
Ich lese immer noch Montauk von Max Frisch. Ein schmales Taschenbuch eigentlich, aber ich lese in Etappen, in der S-Bahn, in der U-Bahn, und mit Hingabe. Ich will es nicht zu schnell lesen, es soll mich länger begleiten. Aber ich bin nun doch schon bei Seite 151 (von 207). Ich mag das Buch sehr, ist mir nah. Auf Seite 151 in meiner antiquarischen blauen Suhrkamp-Taschenbuchausgabe der 1975 veröffentlichten Erzählung, kommt der vielleicht am meisten zitierte Satz von Max Frisch über seine Beziehung, oder genauer das Ende seiner Beziehung zu Ingeborg Bachmann. "Das Ende haben wir nicht gut bestanden, beide nicht.". Immer wieder wird der Satz in Texten über die beiden zitiert. Man kann ihn schon im Schlaf herunterbeten. Da ich Montauk jetzt erst zum ersten mal lese, obwohl ich es schon ewig vorhatte, lese ich den Satz nun zum ersten mal im Kontext:
"(...) "Zuletzt gesprochen haben wir uns 1963 in einem römischen Café vormittags; ich höre, daß sie in jener Wohnung, Haus zum Langenbaum, mein Tagebuch gefunden hat in einer verschlossenen Schublade; sie hat es gelesen und verbrannt. Das Ende haben wir nicht gut bestanden, beide nicht."
Max Frisch, Montauk, S. 151
Das Buch wurde also 1975, zwei Jahre nach Ingeborg Bachmanns Tod 1973, veröffentlicht. Zehn Jahre vergingen nach dieser erwähnten letzten Begegnung, vielleicht ohne jeden Kontakt. Ich weiß jetzt nicht, ob es in diesen zehn Jahren noch irgendeinen Briefwechsel gab. Die Briefe zwischen Bachmann und Frisch sind noch unveröffentlicht.
Mich beschäftigt diese hölzerne Formulierung "Ende (...) nicht gut bestanden." Was soll das denn heißen, "ein Ende einer Beziehung gut bestehen"? Ich ahne es, dass es für Frischs Seelenfrieden angenehm gewesen wäre, wenn man nach einer gewissen Zeit, wenn die akute Verletzung bei Bachmann halbwegs angeheilt war (was sie aber vielleicht nicht war, sie hat lange unter der Trennung gelitten), eine freundschaftliche, respektvolle letzte Begegnung zustande gebracht hätte. Er ist in eine neue Verbindung gegangen, als er die Trennung verursachte. Ein einseitiges Ende wie eine Prüfung gut bestehen. Hm. Für den, der verlässt, ist es eher eine Gewissensprüfung, für den, der verlassen wird, eine Herzensprüfung. Eine echte Überwindung des Verlustes, mit einer Vergebung von Herzen, ist meiner Erfahrung nach erst dann möglich, wenn das Herz nicht mehr gebunden ist. Und das geschieht am ehesten, wenn eine neue Bindung ins Leben tritt. Vielleicht sucht das Herz immer nach Bindung, weil man es dann stärker spürt. Das Band der Bindung berührt, gibt Halt. Man darf es nicht zu fest schnüren, sonst wird die Funktion eingeschränkt. Ich glaube, ich habe zweimal ein Ende "gut bestanden", jedoch einige Jahre nach dem jeweiligen Ende. Mich beschäftigt der Verlust eines Menschen, der mir sehr nah kommen durfte, sehr lange. Immer.
"(...) "Zuletzt gesprochen haben wir uns 1963 in einem römischen Café vormittags; ich höre, daß sie in jener Wohnung, Haus zum Langenbaum, mein Tagebuch gefunden hat in einer verschlossenen Schublade; sie hat es gelesen und verbrannt. Das Ende haben wir nicht gut bestanden, beide nicht."
Max Frisch, Montauk, S. 151
Das Buch wurde also 1975, zwei Jahre nach Ingeborg Bachmanns Tod 1973, veröffentlicht. Zehn Jahre vergingen nach dieser erwähnten letzten Begegnung, vielleicht ohne jeden Kontakt. Ich weiß jetzt nicht, ob es in diesen zehn Jahren noch irgendeinen Briefwechsel gab. Die Briefe zwischen Bachmann und Frisch sind noch unveröffentlicht.
Mich beschäftigt diese hölzerne Formulierung "Ende (...) nicht gut bestanden." Was soll das denn heißen, "ein Ende einer Beziehung gut bestehen"? Ich ahne es, dass es für Frischs Seelenfrieden angenehm gewesen wäre, wenn man nach einer gewissen Zeit, wenn die akute Verletzung bei Bachmann halbwegs angeheilt war (was sie aber vielleicht nicht war, sie hat lange unter der Trennung gelitten), eine freundschaftliche, respektvolle letzte Begegnung zustande gebracht hätte. Er ist in eine neue Verbindung gegangen, als er die Trennung verursachte. Ein einseitiges Ende wie eine Prüfung gut bestehen. Hm. Für den, der verlässt, ist es eher eine Gewissensprüfung, für den, der verlassen wird, eine Herzensprüfung. Eine echte Überwindung des Verlustes, mit einer Vergebung von Herzen, ist meiner Erfahrung nach erst dann möglich, wenn das Herz nicht mehr gebunden ist. Und das geschieht am ehesten, wenn eine neue Bindung ins Leben tritt. Vielleicht sucht das Herz immer nach Bindung, weil man es dann stärker spürt. Das Band der Bindung berührt, gibt Halt. Man darf es nicht zu fest schnüren, sonst wird die Funktion eingeschränkt. Ich glaube, ich habe zweimal ein Ende "gut bestanden", jedoch einige Jahre nach dem jeweiligen Ende. Mich beschäftigt der Verlust eines Menschen, der mir sehr nah kommen durfte, sehr lange. Immer.
g a g a - 24. Juni 2019, 12:47
Ja, so ist das mit dem Loslassen...
Gaga Nielsen
Funktioniert nicht mit dem Verstand. Aber eigentlich auch kein Wunder, denn das vorangegangene Gegenteil, die Zuwendung, war ja auch keine rationale Entscheidung.
Maria Schuster
Doch! Funktioniert mit Verstand! Sonst: Irrenhaus.
Gaga Nielsen
ja, Irrenhaus. Deshalb spricht man ja auch gerne von Irrungen und Wirrungen des Herzens. Wenn ich mich (oder irgendwer) verstandesbetont für jemanden erwärmen könnte, wären die Paarungen sicher anders. Die Wirrnis beginnt ja bereits bei der Tatsache, dass Herzens- und erotische Liebe zwei verschiedene Paar Schuhe sind und eher selten in gleicher Intensität vereint. Das lässt sich nicht befehlen. Und das Gegenteil ebensowenig, es sei denn, man diszipliniert sein Herz und seine Eingeweide. Tatsächlich kann man zwar rational eine seelische Abscheu gegen jemanden hegen, aber dennoch physisch erotisiert sein. Es ist ein weites Feld.