16. Oktober 2017
Am zweiten Tag, dem zweiten September 2017 wurde der Zellenflur zur Bühne erklärt, denn Maria würde kommen und spielen. Sie hätte es auch alleine machen können, aber sie brachte Sibylle mit und das war schön. Ich hatte die beiden erst einmal zusammen gehört, im letzten Jahr im Lola. Sibylle stieg - übers Knie gebrochen - bei Songs ein, die sie gar nicht kannte. Sehr sportlich. Aber jetzt hörte ich die beiden eingespielt und das war wunderbar. Alte Songs von ihrer früheren Band "Schön Blond" und neuere von Maria, die ich zum Teil kannte. Ich wusste immer, dass Maria in jedem Fall etwas abliefern würde, das mich entflammt. Sie hat mich zum Weinen gebracht, weil sie ein paar Lieder geschrieben hat, die mich sehr berühren. Eines davon ist "Hörst du mich". Ich schreibe das, während ich im Schneidersitz auf meinem Bett sitze. Ich habe noch niemals hier einen Entrag geschrieben. Es liegt daran, dass ich heute den Marshall-Lautsprecher, der in Zelle vier war, im Schlafzimmer angeschlossen habe. Ich höre nebenher diverse Folgen von Bettina Rust im Gespräch mit Diesem und Jenem. Während ich schreibe, höre ich nicht mehr zu, merke ich gerade. Eben ein Schauspieler, der amüsant erzählt, Name vergessen (Sebastian Blomberg). Ich trinke etwas, wenn ich zu später Stunde in die Tasten haue. Tiefgang heißt der Wein. Erstaunliche Qualität, im Vergleich zum Preis. Also. Maria hat gespielt. Und es war eine Ehre. Wir haben uns im Grunde gegenseitig die Ehre erwiesen, wir beide wissen, was damit gemeint ist. Auch eine große Freude, dass einige Freunde da waren, die auch Musiker sind, Musikerinnen, Sängerinnen. Und nach einer Pause mit der einen oder anderen Zigarette, erklärte Maria die Bühne zur open stage und die Gäste ließen sich nicht lange bitten. Einer der Mitarbeiter von Soeht7 brachte Bob Marleys Redemption Song und noch ein weiteres Lied zu Gehör, überraschend virtuos. Wir staunten. Jenny sang einen selbst geschriebenen Tango, Hans spielte dazu auf Marias roter Gitarre. Und noch ein zweites Lied, ein neues. Dann sang Saskia "Abgewrackt" und die Tresenfee von Soeht7, die sich hingerissen einen Stuhl genommen hatte, war sofort verliebt. Hans hatte eine von ihm übersetzte Version von Dead Flowers von den Stones in petto, wobei Susie zu Gaga Nielsen wurde. Nicht unbedingt schmeichelhaft, aber die Geste an sich, namentlich verwurstet zu werden, konnte ich durchaus würdigen. Die Tresenfee hatte inzwischen Pizza aufgebacken und verteilt und sorgte für Getränkenachschub, als sich mein Champagner dem Ende neigte. Ich blieb nach diesen schönen musikalischen Einlagen noch etwas länger in meinen Zellen, um ein bißchen aufzuräumen und meine Notebooks einzupacken, eine Weile leistete mir noch der Mitarbeiter Gesellschaft, der den Bob Marley-Song gespielt hatte, wir hatten längst angefangen, in den Zellen zu rauchen, der Rauch verlor sich ohnehin in den hohen Räumen. Dabei lief meine schöne Playlist über den kleinen Marshall Amp. Ich fotografierte ihn auf der Pritsche, wo er sich räkelte, als hätten wir ein Shooting verabredet. Dabei mutierte ich fotografiernderweise zur Schmetterlingsfängerin, es bot sich einfach an, rein visuell, was er etwas anders interpretierte, als von mir beabsichtigt. Ich konnte den jungen Mann kaum abschütteln, aber er fügte sich dann doch etwas betreten, wenn auch ohne Verstehen, in sein Schicksal. Die Bilder gibt es noch, ich werde sie gnadenlos verwerten. Irgendwann dann nach Hause, allein. Vermutlich mit einem gewunkenen Taxi, das irgendwann des Weges kam. So genau weiß ich es nicht mehr.
g a g a - 16. Oktober 2017, 02:51
fb ~ 16.10.17
So toll geschrieben ...♡
Gaga Nielsen
<3