27. Dezember 2015
Ja, das ist starker Tobak. Ein Feuerwerk in Farbfotografie, abgehandelt in einem Motiv. In der Konversation mit sehr visuellen Menschen, was beinah zwingend auch ein fotografisches Auge einschließt, höre ich mich immer wieder sagen, dass ich nur dann die Farbversion einer Aufnahme bevorzuge, wenn die Farbe an sich ein erhebender Teil der Bildaussage ist. Wenn die Farbe etwas zeigt, was mir einen Kraftstoß versetzt, Elektrizität, Aufregung. Das kann man auch ganz grundsätzlich als professionelles hohes Ziel fokussieren, innerhalb des Gebotenen, ob naturbelassen oder initiiert, das magische Farbspektrum zu beackern. Das ist bewunderungswürdig. Das können nur wenige. Wer nicht inszeniert, so wie ich, kann leichter Befriedigung finden, wenn alles ergebnisoffen ist und kein Dogma herrscht. Wenn man gerne Menschen fotografiert, die man an einem Ort vorfindet, der nicht den eigenen Vorlieben angepasst wurde, was den Hintergrund und auch die Farbwelt angeht, kann man das Durcheinander von wenig erhebenden bis grausamen Farbkombinationen in Umgebung und Kleidung oft sehr gut durch einen Schwarzweiß-Filter, die Umsetzung in Grauwerte, neutralsieren und muss nicht auf ein Motiv verzichten,, das ein schönes Licht, einen schönen Ausdruck in einem ansonsten unnötige Aufmerksamkeit fordernden farblichen Durcheinander zeigt. Sonnenuntergänge sehen in Grauwerten nur dann erwärmend oder inspirierend aus, wenn sich eine Wolkenstruktur zeigt, die Reflexe einfangen kann, ein einfach nur gleichmäßig flächiger Farbverlauf von hell- nach dunkelgrau wirkt meistens tot. Der Himmel, die Himmelsbilder, die gestern vor meinen Fenstern nach Westen projiziert wurden, provozierten mich so in ihren beinah absurden Farben und den Streifen, dass ich die Kamera nehmen musste. Ich könnte in diesem Eintrag keine weiteren Bilder aus der Strecke einfügen. Ich habe es versucht.
Das ist zuviel. Zuviel Fototapete. Inflationäre Buntheit. Nicht zum Aushalten. Aber zwei Bilder sind noch erträglich und ein guter Impuls. Meine Welt ist voller Farben. Sehr schönen, die sich gegenseitig aufwerten. In jedem Raum ein anderes Spektrum, sehr differenziert, aber nicht beliebig. Ich weiß um die Kraft von Farbe und umgebe mich damit. Schwarzweiß dominiert nur in meiner Küche und rund um dem Tisch. Aber auch da gibt es Details, die die Orgie brechen. Äpfel und Orangen. Eine nachtblau und weiß gemusterte japanische Teekanne, farbige Keramikschalen, ein massiver Griff aus Holz an der schwersten meiner Kupferpfannen.
Wann mag zum ersten mal in der Geschichte der Fotografie eine naturgetreue Farbaufnahme eines Sonnenunterganges möglich gewesen sein? Sicher sehr lange her. Die Farbfotografie. Etwa hundert Jahre könnte es her sein, etwa um 1905. "Sergei Michailowitsch Prokudin-Gorski unternahm ab 1905 ein aufwendiges Projekt, das ihn von 1909 bis 1915 durch das gesamte russische Reich führte, um dieses in ca. 10 000 Farbaufnahmen festzuhalten. Von 1909 bis 1931 legte Albert Kahn eine Kollektion von 72 000 Farbfotos an, Die Archive des Planeten." Da wird so manches Himmelsbild dabei gewesen sein. Eine Sensation wird es gewesen sein. So von Ergriffenheit begleitet, wie man das immer wieder in der Wirklichkeit erfährt. Mir geht es beinah jedes mal so. Wenn die Sonne mit besonderen Farben aufgeht oder sinkt, dann halte ich inne, egal wobei, und nehme mir diese wenigen Minuten, die es dafür braucht und halte Andacht. Und manchmal, selten nur, greife ich zu meiner Kamera.
g a g a - 27. Dezember 2015, 23:37
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