05. November 2015



Hatte lange keine Lust, das Haus zu verlassen, meine Wohnung. Bis Ina auf fb kurz fragte, ob wir uns sehen, sie würde sich darüber freuen. Samstag, 30. Oktober 2015. Oder war das Freitag. Ja. Ich glaube ja. Ja, das war Freitag. Ich zog mir etwas Unspektakuläres an. Schwarz von Kopf bis Fuß. Nur den Gürtel aus diesem recycelten Zahnrad und dem zugeschnittenen Fahrradschlauch. Schwarzweißer Mantel. Viertel vor zehn bei Carpentier. Ich sage zu Manfred, ich käme auf ein akademisches Viertelstündchen. Sah Ina gleich im Durchgang mit ihrem alten Verehrer, dem Frauenarzt. Ich solle mir einen Eindruck der Bilder verschaffen, und ihr sagen, was ich davon halte, sie sei gespannt. Ein Teil meiner Antwort lautete "irrelevant". Ich ging noch ein bißchen ins Detail. Das war mir alles zu tot, ausdruckslos. Inflationäre Spielerei mit analogen Effekten, Doppelbelichtungen, dekorative Schleier und Muster über und hinter Frauengesichtern, Close ups, aber trotzdem keine spürbare Nähe. Null. Am Reißbrett entwickelt und abgearbeitet. Nach tatsächlich nur einer Viertelstunde fragte Jan im Vorbeigehen, ob ich mit ihm und Ina mitkommen würde, sie wollten etwas essen, bei einem Thailänder. Ich mag thailändisches Essen. Und die Gesellschaft der beiden. Lieber als Herumstehen und trinken und feststellen, dass kein Wunder geschieht, was das Publikum angeht. Um diese spätere Zeit finden sich keine neuen Gäste mehr ein, sehr selten. Wir gingen zur Kantstraße, ein neueres Lokal, so zwischen Savignyplatz und Fasanenstr. Alles war irgendwie grün. Schilfgrün, lindgrün. Die loungeartig eingebauten, grün gepolsterten Sitzbänke. Stylish. Nur das thailändische Paar, das das Lokal betreibt war noch da. Auf der Tageskarte stand ganz oben "Grünes Curry". Warum nicht. Ina und Jan nahmen zwei unterschiedliche andere Gerichte. Wir waren die einzigen und auch die letzten Gäste, die bewirtet wurden. Das Essen kam sehr schnell und auch unsere Biere. Alles sehr gepflegt, sehr schönes Geschirr, in dem die Speisen serviert wurden, frei von jeder Folklore, formschön, weißes Porzellan in besonderen Formen, sehr schwungvoll aber doch schlicht gehalten. Mein Essen sah aus wie ein Haufen Salat mit ein bißchen Reis auf der Seite, ich war etwas enttäuscht. Ich dachte, da wäre Huhn drin und alles mögliche an Gemüse. Als ich zu essen begann, war ich mit jedem Bissen überraschter. Unter dem vermeintlichen Salathaufen waren so viele köstliche Stücke, auch Huhn und Gemüse in einer wunderbar schmeckenden sahnigen Soße, wahrscheinlich mit Kokosmilch. Es war ein einziger Genuß. Wir unterhielten uns beim Essen und unterbrachen uns zum Teil.



Jan sagte einmal, er fände es gut, wenn Ina und ich uns unterhielten, er würde das sehr interessant finden, was wir uns zu erzählen hätten. Dann erzählten wir und er hatte auch eine Anmerkung und kam ins Plaudern und wollte nicht unterbrochen werden. Ich fand es beinah komisch, weil er uns erst aufgefordert hatte, dass wir uns miteinander unterhalten sollten, Ina und ich, und als wir seinen Redefluss mit Anmerkungen und Einlassungen unterbrachen, wurde er ein bißchen zickig. Eigentlich fand ich es lustig, dass jeder so furchtbar dringend etwas erzählen wollte. Und tatsächlich fanden wir auch alle alles mehr oder weniger interessant genug. Es hat sich dann justiert. Jan erzählte, dass er Ai Weiwei treffen wird, weil eine Freundin, die Maskenbildnerin ist, ihn zu einer Aufzeichnung mitnimmt, wo sie ihn schminken muss, vor allem abpudern. Die thailändischen Gastgeber warfen uns freundlich raus, es war schon spät, sie wollten ihren Feierabend, sicher mehr als wohlverdient. Wir gingen ein paar Häuser weiter, nach rechts, zur Paris Bar, wo wir einen kleinen Tisch fanden und noch ein bißchen weitertranken. Angejahrtes Publikum. Ein bißchen unsexy, zu gesettelt, zu satt. Auf eine hochkultivierte Art ein bißchen spießig. Da fehlt die Schaufel Dreck. Aber immer wieder schön, die vielen Bilder an den Wänden. Ich erzählte Ina, dass ich an Silvester, das ich sonst nicht auswärts begehe, im Radialsystem sein werde, bei den Neubauten. Eine eher unkarnevaleske Art zu feiern. Nicht so hysterisch, nehme ich an. Ina fand es interessant und ich versprach ihr, noch in der Nacht ein Ticket für sie zu ordern. Was ich auch tat. Hat doch gut getan, sich aufzurappeln, vor die Tür zu gehen, am dreißigsten Oktober 2015

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