12. August 2015
Ich halte mich nicht mehr an die strikte Chronologie der Ereignisse. Aus irgendeinem Grund habe ich mehr Lust, mich mit den jüngeren Ereignissen und Ausflügen zu befassen. Das hier wird wieder ein Eintrag, wo man sich die Bilder selbst dazudenken muss. Denken Sie sich doch mal sechshundert Zeichnungen von sechshundert anonymen Zeichnern und im Anschluss ein paar Aufnahmen von mir und ein paar anderen Menschen. Wieder hatte ich die Kamera dabei. Akku geladen, Objektiv geputzt. Nicht ein Foto gemacht. Aber diesmal lag die Sache etwas anders. Der Abend war nicht so kurz wie neulich in Friedrichshain in der Fotogalerie. Ich muss gestehen, ich wäre von selber nicht auf die Ausstellung der "Anonymen Zeichner" gestoßen. Weil aber mein lieber Freund (und ich sage nicht mehr Bloggerfreund, weil mir das zu schlicht vorkommt und die Sache nicht trifft) Sebastian dort und dabei war, hatte ich Lust darauf. Sogar Lust, etwas zu kaufen. Mir gefiel die Vorstellung, vor so vielen Zeichnungen zu stehen, die Bilder mit den Augen zu scannen und dann vielleicht fasziniert an einem so kleben zu bleiben, dass ich es haben will. Alle Bilder hatten denselben Preis, zweihundert Euro. Ich habe extra darauf geachtet, dass ich genug Bargeld dabei habe. Auf der Internetseite des Projekts sah ich sogar ein ganz bestimmtes Bild, das ich gerne real angeschaut hätte. Leider war es nicht vor Ort.
Ich bin sehr selten in Moabit, äußerst selten. Ich wusste, dass noch wenigstens Elvira, die in Moabit wohnt, dort sein würde. An dem Abend hatte ich Lust, mich nicht schwarzweiß anzuziehen, was ich oft mache. Es widerfährt mir eher, ich fühle mich in schwarzweiß sehr wohl. Kann man auch nicht erklären. Aber wenn ich womöglich ein sehr buntes Bild kaufen würde, wäre es doch schön, wenn ich selber bunt wäre. Man ist ja auch ein Exponat von anonymen Zeichnungen, wenn man so wild gemusterte Sachen anhat. Nie erfährt man, wer den Stoff entworfen, "gezeichnet" hat. Ich hatte also zweihundert Euro im Geldbeutel und noch ein bißchen mehr, um auch was zu trinken kaufen zu können. Und für alle Fälle ein Taxi zu bezahlen (also zurück). Wenn es spät ist, hat man ja oft keine Lust, sich auf irgendwelche komplizierten U- oder S-Bahnverbindungen oder womöglich Nachtbusse einzulassen. Wenn es sehr spät ist und man sehr trunken ist, will man heim und zwar so schnell wie möglich. Auch dieser Abend war ein sehr warmer Sommerabend. Irgendwo musste ich umsteigen, auf dem Hinweg. Wie war das noch? Kommt mir schon wieder vor wie ewig lange her. Es war ein paar Tage vor dem Abend im Löwenpalais, andere Bilder in meinem Kopf überlagern die Kleinigkeiten der Erinnerung. Ich musste jedenfalls zur Turmstraße. Ach ja: vom Rosenthaler Platz bin ich bis Osloer gefahren und dann Richtung Steglitz mit der U 9 bis Turmstraße. So war das. Ein gutes Stück noch gelaufen, aber ich hatte meine schwarzen Reeboks an den Füßen, da kommt es auf hundert Meter mehr oder weniger nicht an. Viele Leute waren vor dem Eingang. Die Raucher, denkt man zuerst. Aber als ich hineinging, kam mir so eine stickig heiße Luft entgegen, viel heißer als draußen und sehr sauerstoffarm, dass wahrscheinlich selbst eine vor der Tür inhalierte Zigarette mehr Sauerstoff transportiert hätte. Ich ging ziemlich schnell durch die Raumfluchten mit den vielen hundert Zeichnungen. Alle sehr klein, meistens nur DIN A 4. Die mich interessierte, fand ich nicht, aber dafür Sebastian, der mit einem Kollegen am Fenster saß. Wir begrüßten uns freudig und ich schaute gleich noch mal weiter, ob ich das Bild nicht doch entdecke. Das von Sebastian hing auch anonym da, wie alle, aber ich habe es nicht entdeckt und zugegebenermaßen auch nicht wissenschaftlich danach gesucht.
An der Theke mit den Getränken war eine kleine Warteschlange, ich haderte, mir etwas zu holen und tat es doch nicht, es war einfach so stickig. Ich fragte noch bei der Kuratorin nach dem Bild, sie erklärte, es wäre aus dem Archiv und nicht da. Ich lief noch mal schnell an allen Wänden vorbei, die Luft wurde langsam wirklich knapp. Eine kleine Zeichnung oder vielmehr ein Bild, zwischen elektrischem Pink und Magenta, es sah aus wie mit Wasserfarben gepinselt, gefiel mir ganz gut, aber es war mir keine zweihundert Euro wert. Dafür war es zu beliebig und mickrig. Viel Amateurhaftes klebte an den Wänden, und darunter eher selten, komplexe, aufwändige Zeichnungen, mitunter von mysteriösen Welten. Im Grunde war Alles und Nichts dabei. Ich hatte genug gesehen. Aus dem Augenwinkel sah ich zufällig die wunderbare Angela Winkler mit einer Freundin an den Wänden vorbeiflanieren, sie guckte sehr konzentriert, als ob sie nach einem bestimmten Bild Ausschau hält und sah außerordentlich gut aus, und wenn ich zum Paparazzen neigen würde, hätte ich sie fotografiert. Aber sie war ja privat dort, nicht um von irgendwelchen Besuchern mit der Kamera gestalkt zu werden. So käme es mir vor, wenn ich die Situation derart ausgenutzt hätte. Ich ging hinaus und war ein bißchen orientierungslos, weil ich Sebastian drinnen nicht mehr gefunden hatte. Gegenüber von der Eingangstür war im Gewimmel eine Bank, auf der saß Konstantin. Konstantin, der Kunstkontakter. Wir begrüßten uns herzlich und wir kamen schnell ins Gespräch. Über alles mögliche. Er hat immer recht bizarre Outfits an. Eine staatstragende Offiziersmütze oder wie man das nennt, ein gelbes T-Shirt glaube ich, und so eine leuchtorange Straßenbauarbeiterhose, wenn ich es recht erinnere. Er taxierte mich von oben bis unten und meinte: "Na ja, du warst ja schon immer eine der wenigen, die avantgardemäßig unterwegs war, immer ganz ausgefallene Sachen an!" Das war aber schon irgendwie anerkennend gemeint, wie ich Konstantin kenne. Er fragte mich Verschiedenes aus der Vergangenheit, auch was bestimmte Verbindungen und Beziehungen angeht, die er zum Teil anders interpretiert hat, als sie waren. Ich staunte, an was für Details und Szenen er sich erinnert. An irgendeinen Moment vor der damaligen Galerie Sakamoto, wo er meinte gesehen zu haben, wie ich und - - - na ja. Unsinn. Egal. Auf jeden Fall offenbar viel Phantasie bei Konstantin im Spiel. Ich musste lachen. Außerdem alles ewig her. Ich erwähnte in dem Zusammenhang, dass ich eine ganze Weile sehr wenig unterwegs war. Wegen Liebeskummer.
Konstantin wetterte "Na siehst du, hättest du damals mich genommen, hättest du keinen Liebeskummer gehabt, selber Schuld!" Das ist so ein wiederkehrendes Geplänkel, dem man nicht zuviel Gewicht beimessen sollte. Sagen wir, Ausdruck einer gewissen Grundsympathie, was mir im übrigen jahrelang nicht klar war. Ich dachte, dass er nicht sonderlich viel von mir hält, aufgrund seiner früheren unterkühlt-autoritären Begrüßungsgesten. Na ja, so kann man sich täuschen. Aber nun weiß ich ja, dass er im Grunde ein weichherziger Mensch ist, der lediglich aus strategischen Gründen auch sehr streng gucken kann. Wir unterhielten uns noch recht ausführlich, über sein Elternhaus und seinen Vater und seine Mutter, seinen Herkunftsort und wie sich seine Eltern kennengelernt hatten. Beide leben nicht mehr. Auch so eine Dynamik, die sich in letzter Zeit wiederholt. Ich beginne mit jemandem ein harmloses, mitunter sogar albernes Geplauder und auf einmal wird daraus ein sehr ernstes Gespräch. Ist mir aber auch nicht unangenehm. Mittlerweile sah ich Elvira vorbeilaufen, sie ging in die Galerie aber sah mich nicht. Nach circa zehn Minuten kam sie wieder raus, ihr Liebster war auch dabei, und auch Sebastian war wieder da. Wir seilten uns in eine in Laufweite liegende Kneipe ab. Noch eine Freundin von Elvira kam dazu und auch noch ein anderer anonymer Zeichner, der sein Bild auf seinem Handy zeigte. Es war mir sogar aufgefallen, weil es so aufwändig und vielschichtig gezeichnet war. Als die Kneipe draußen nicht mehr bediente, zogen wir weiter in einen unheimlich schönen Biergarten, es war schon lange dunkel und wir tranken viel und hatten ein paar gegrillte Spieße und führten an dem langen Tisch lange, vertraute Gespräche. Ich dachte nicht eine Sekunde daran, irgendjemanden fotografieren zu wollen. Es war ja auch viel zu dunkel und man muss nicht jeden lebenswerten Moment als materialisierte Erinnerung bannen. Hat man ja früher auch nicht gemacht. Man erinnert sich auch ohne Kamerabilder an so einen schönen Abend. Das ist also diesmal die Erklärung, wieso es vom ersten August nur ein paar Bilder meiner Garderobe gibt.
Ich bin sehr selten in Moabit, äußerst selten. Ich wusste, dass noch wenigstens Elvira, die in Moabit wohnt, dort sein würde. An dem Abend hatte ich Lust, mich nicht schwarzweiß anzuziehen, was ich oft mache. Es widerfährt mir eher, ich fühle mich in schwarzweiß sehr wohl. Kann man auch nicht erklären. Aber wenn ich womöglich ein sehr buntes Bild kaufen würde, wäre es doch schön, wenn ich selber bunt wäre. Man ist ja auch ein Exponat von anonymen Zeichnungen, wenn man so wild gemusterte Sachen anhat. Nie erfährt man, wer den Stoff entworfen, "gezeichnet" hat. Ich hatte also zweihundert Euro im Geldbeutel und noch ein bißchen mehr, um auch was zu trinken kaufen zu können. Und für alle Fälle ein Taxi zu bezahlen (also zurück). Wenn es spät ist, hat man ja oft keine Lust, sich auf irgendwelche komplizierten U- oder S-Bahnverbindungen oder womöglich Nachtbusse einzulassen. Wenn es sehr spät ist und man sehr trunken ist, will man heim und zwar so schnell wie möglich. Auch dieser Abend war ein sehr warmer Sommerabend. Irgendwo musste ich umsteigen, auf dem Hinweg. Wie war das noch? Kommt mir schon wieder vor wie ewig lange her. Es war ein paar Tage vor dem Abend im Löwenpalais, andere Bilder in meinem Kopf überlagern die Kleinigkeiten der Erinnerung. Ich musste jedenfalls zur Turmstraße. Ach ja: vom Rosenthaler Platz bin ich bis Osloer gefahren und dann Richtung Steglitz mit der U 9 bis Turmstraße. So war das. Ein gutes Stück noch gelaufen, aber ich hatte meine schwarzen Reeboks an den Füßen, da kommt es auf hundert Meter mehr oder weniger nicht an. Viele Leute waren vor dem Eingang. Die Raucher, denkt man zuerst. Aber als ich hineinging, kam mir so eine stickig heiße Luft entgegen, viel heißer als draußen und sehr sauerstoffarm, dass wahrscheinlich selbst eine vor der Tür inhalierte Zigarette mehr Sauerstoff transportiert hätte. Ich ging ziemlich schnell durch die Raumfluchten mit den vielen hundert Zeichnungen. Alle sehr klein, meistens nur DIN A 4. Die mich interessierte, fand ich nicht, aber dafür Sebastian, der mit einem Kollegen am Fenster saß. Wir begrüßten uns freudig und ich schaute gleich noch mal weiter, ob ich das Bild nicht doch entdecke. Das von Sebastian hing auch anonym da, wie alle, aber ich habe es nicht entdeckt und zugegebenermaßen auch nicht wissenschaftlich danach gesucht.
An der Theke mit den Getränken war eine kleine Warteschlange, ich haderte, mir etwas zu holen und tat es doch nicht, es war einfach so stickig. Ich fragte noch bei der Kuratorin nach dem Bild, sie erklärte, es wäre aus dem Archiv und nicht da. Ich lief noch mal schnell an allen Wänden vorbei, die Luft wurde langsam wirklich knapp. Eine kleine Zeichnung oder vielmehr ein Bild, zwischen elektrischem Pink und Magenta, es sah aus wie mit Wasserfarben gepinselt, gefiel mir ganz gut, aber es war mir keine zweihundert Euro wert. Dafür war es zu beliebig und mickrig. Viel Amateurhaftes klebte an den Wänden, und darunter eher selten, komplexe, aufwändige Zeichnungen, mitunter von mysteriösen Welten. Im Grunde war Alles und Nichts dabei. Ich hatte genug gesehen. Aus dem Augenwinkel sah ich zufällig die wunderbare Angela Winkler mit einer Freundin an den Wänden vorbeiflanieren, sie guckte sehr konzentriert, als ob sie nach einem bestimmten Bild Ausschau hält und sah außerordentlich gut aus, und wenn ich zum Paparazzen neigen würde, hätte ich sie fotografiert. Aber sie war ja privat dort, nicht um von irgendwelchen Besuchern mit der Kamera gestalkt zu werden. So käme es mir vor, wenn ich die Situation derart ausgenutzt hätte. Ich ging hinaus und war ein bißchen orientierungslos, weil ich Sebastian drinnen nicht mehr gefunden hatte. Gegenüber von der Eingangstür war im Gewimmel eine Bank, auf der saß Konstantin. Konstantin, der Kunstkontakter. Wir begrüßten uns herzlich und wir kamen schnell ins Gespräch. Über alles mögliche. Er hat immer recht bizarre Outfits an. Eine staatstragende Offiziersmütze oder wie man das nennt, ein gelbes T-Shirt glaube ich, und so eine leuchtorange Straßenbauarbeiterhose, wenn ich es recht erinnere. Er taxierte mich von oben bis unten und meinte: "Na ja, du warst ja schon immer eine der wenigen, die avantgardemäßig unterwegs war, immer ganz ausgefallene Sachen an!" Das war aber schon irgendwie anerkennend gemeint, wie ich Konstantin kenne. Er fragte mich Verschiedenes aus der Vergangenheit, auch was bestimmte Verbindungen und Beziehungen angeht, die er zum Teil anders interpretiert hat, als sie waren. Ich staunte, an was für Details und Szenen er sich erinnert. An irgendeinen Moment vor der damaligen Galerie Sakamoto, wo er meinte gesehen zu haben, wie ich und - - - na ja. Unsinn. Egal. Auf jeden Fall offenbar viel Phantasie bei Konstantin im Spiel. Ich musste lachen. Außerdem alles ewig her. Ich erwähnte in dem Zusammenhang, dass ich eine ganze Weile sehr wenig unterwegs war. Wegen Liebeskummer.
Konstantin wetterte "Na siehst du, hättest du damals mich genommen, hättest du keinen Liebeskummer gehabt, selber Schuld!" Das ist so ein wiederkehrendes Geplänkel, dem man nicht zuviel Gewicht beimessen sollte. Sagen wir, Ausdruck einer gewissen Grundsympathie, was mir im übrigen jahrelang nicht klar war. Ich dachte, dass er nicht sonderlich viel von mir hält, aufgrund seiner früheren unterkühlt-autoritären Begrüßungsgesten. Na ja, so kann man sich täuschen. Aber nun weiß ich ja, dass er im Grunde ein weichherziger Mensch ist, der lediglich aus strategischen Gründen auch sehr streng gucken kann. Wir unterhielten uns noch recht ausführlich, über sein Elternhaus und seinen Vater und seine Mutter, seinen Herkunftsort und wie sich seine Eltern kennengelernt hatten. Beide leben nicht mehr. Auch so eine Dynamik, die sich in letzter Zeit wiederholt. Ich beginne mit jemandem ein harmloses, mitunter sogar albernes Geplauder und auf einmal wird daraus ein sehr ernstes Gespräch. Ist mir aber auch nicht unangenehm. Mittlerweile sah ich Elvira vorbeilaufen, sie ging in die Galerie aber sah mich nicht. Nach circa zehn Minuten kam sie wieder raus, ihr Liebster war auch dabei, und auch Sebastian war wieder da. Wir seilten uns in eine in Laufweite liegende Kneipe ab. Noch eine Freundin von Elvira kam dazu und auch noch ein anderer anonymer Zeichner, der sein Bild auf seinem Handy zeigte. Es war mir sogar aufgefallen, weil es so aufwändig und vielschichtig gezeichnet war. Als die Kneipe draußen nicht mehr bediente, zogen wir weiter in einen unheimlich schönen Biergarten, es war schon lange dunkel und wir tranken viel und hatten ein paar gegrillte Spieße und führten an dem langen Tisch lange, vertraute Gespräche. Ich dachte nicht eine Sekunde daran, irgendjemanden fotografieren zu wollen. Es war ja auch viel zu dunkel und man muss nicht jeden lebenswerten Moment als materialisierte Erinnerung bannen. Hat man ja früher auch nicht gemacht. Man erinnert sich auch ohne Kamerabilder an so einen schönen Abend. Das ist also diesmal die Erklärung, wieso es vom ersten August nur ein paar Bilder meiner Garderobe gibt.
g a g a - 12. August 2015, 02:32
So viel haben wir erzählt und nichts war belanglos. Deswegen haben wir auch alle so lange ausgehalten. Und was für ein schöner Biergarten. Ich weiß immer noch nicht, wie das Lokal heißt, aber ich erinnere mich an die wild bemalten Klotüren und das Leopardensofa drinnen und den psychedelisch gemusterten Bezug von den Strandkorbpolstern. Der Wein war nicht meine Lieblingssorte, aber ich war schön berauscht! Und die Berliner Grashalme sind glaube ich sehr glücklich hier. Die sind ja hier geboren! Und dürfen ja auch machen, was sie wollen. Unterm Pflaster ist immer noch der Strand, die wissen das.