10. August 2015












Das Löwenpalais im Grunewald. Letzten Mittwoch war ich da. Es ist die Residenz einer Kunststiftung, der Stiftung Starke, die das Vermächtnis des Vaters an den Sohn war. Eine schöne Idee, Künstlerwohnungen gibt es auch dort. Yoko Ono war auch mal "Artist in Residence" in der Kunststiftung Starke. Ist aber an mir vorbeigegangen. Jedenfalls ergab es sich, dass ich diesen Ort besuchte, weil an dem Abend ein Sommerfest stattfand. Vom Garten mit den Gästen habe ich gar keine Aufnahmen. Aber das hat schon alles seinen Grund. Sicher wird man anhand der Bilder denken: Holla, das ist ja mal ein Ambiente, nicht von schlechten Eltern, hier lässt es sich feiern! Es ist halt immer so eine Sache mit der Klientel. Ich hatte gewissermaßen die Schlußfolgerung gezogen, dass das Publikum in der Stiftung Starke stark den schönen Künsten zugeneigt sein würde, was u. a. auch an der Betitelung der Feier lag, die ich hier aber lieber unerwähnt lasse. Man konnte sich da eigenmächtig auf die Gästeliste setzen lassen, sofern man überhaupt von der Veranstaltung wusste. Ich hatte mir den Weg zur Königsallee im Grunewald ausgeguckt und ausgedruckt. Das Fahrgastinfo der BVG schlug mir vor, bis Westkreuz mit der S-Bahn zu fahren und dann zu laufen. Angeblich 1,2 Kilometer. Mir kam es beim Blick auf die Landkarte, also den Stadtplan, schon recht weiträumig vor, was da mit vorgeblich 1,2 Kilometern avisiert wurde, aber wird schon stimmen. Das ist doch alles von Profis programmiert, die werden das ja wohl wissen. Kann natürlich auch sein, dass hin und wieder die Luftlinie angegeben wird. Aber da muss man sich flexibel zeigen. Während ich am Westkreuz treppauf, treppab den Ausgang suchte, war ich schon recht gut eingelaufen und froh, dass meine Lackstiefelchen um einiges bequemer sind, als sie aussehen. Ich gabelte einen Herrn in arbeitstauglicher Kleidung auf der Treppe auf, der wirkte, als ob er sich auskennt, und hielt ihm meinen gedruckten Plan unter die Nase. Ob es da noch einen anderen Ausgang gibt, wollte ich wissen. "Nein, hier gibt es nur einen, wo wollense denn hin? Ach! Richtung Halensee! Ich muss zum Trabener Steig, meine Richtung, könnse mir einfach hinter her!" "Na gut, dann lauf ich Ihnen hinterher!" "Ist mir auch schon lange nicht mehr passiert, dass mir eine Frau hinterherläuft, dass ich das noch erleben darf! Haha". Er musste dann bei irgendeinem Stellwerk oder was das war, zu seiner Arbeit, Abendschicht. Ich fand mich dann auch alleine zurecht. Wenn man erst einmal das gruselige Westkreuz mit seinem Fahrbahn- und Schienengewirr hinter sich hat, und am Halensee ist, spaziert es sich doch sehr schön. Obwohl es nun nicht mein Ziel war, den Abend mit einem Spaziergang zu verleben. Na gut, hat man es mal gesehen, das ganze Drumherum.





Tolle Villen, tolle Portale, alles sehr schön und lauschig. So hässlich wie das Westkreuz ist, so schön ist die Ecke vom Grunewald. Altehrwürdige, hochherrschaftliche Bauten. Wahnsinnig ruhig. Nur Vogelgezwitscher. Ab und zu ein teures Automobil im Schritttempo. Langsam wäre ich schon gerne angekommen. An einer Bushaltestelle kam ich vorbei. Wie ärgerlich, dort konnte ich feststellen, dass ich nur mit der S-Bahn weiter bis Grunewald hätte fahren müssen und dann zwei Bushaltestellen in die Königsallee, schon wäre ich bequem dort gewesen. Aber nun ja, eine Möglichkeit, die Umgebung zu erkunden. Fotos habe ich dabei nicht gemacht. Endlich kam das Ziel näher. Rechter Hand ein See mit viel Entengrütze drauf, der Dianasee glaube ich. Oder war es der Königssee? Man bringt das dann auch durcheinander. Also ich war ungefähr um kurz nach Zwanzig Uhr oder so da. Eigentlich sehr zeitig. Die Damen, Hostessen nennt man das auch, zwei Stück, hakten die Gästeliste ab und man kriegte noch ein Los für eine Tombola und einen Gutschein für irgendein Getränk, was mit Wodka, der dort promotet wurde. Als ich durch den Garten der Villa in den rückwärtigen Eingangsbereich mit der Freitreppe und der Terrasse ging, hatte ich sehr schnell einen umfassenden Eindruck des Publikums. Ich möchte es so sagen: es ist ein sehr spezielles Publikum gewesen. Finanzielle Engpässe spielen eher keine Rolle, war so mein Eindruck. Sicher wird auch gerne mal ein Kunstwerk gekauft, das sollte schon drin sein. Die Damen waren alle besonders zurechtgemacht. Das kennt man ja auch von irgendwelchen anderen Abendveranstaltungen, aber hier war es irgendwie so ein bißchen wie man es in den Episoden von Kir Royal immer gesehen hat. Wenn Baby Schimmerlos mit seiner Senta in dieses italienische Lokal gegangen ist, Bussi Bussi. Und viele Handtaschen mit Herstellervermerk. Hellroter Lippenstift und sehr brauner Teint. Es waren aber auch sehr schöne Partykleider darunter. Mit viel Paillettenglitzer. Die Frisuren saßen auch sehr gut. Die Herren trugen viel Weiß. Weiße Hemden und auch die eine oder andere weiße Hose. Als ich das Geschehen überblickt hatte, ging ich zum ersten mal in die Villa. Dort freute ich mich über die rosa-violette Opulenz im Salon. Die putzigen Sitzmöbel konnte ich alle durchprobieren, weil es drinnen nicht sehr voll war. Die meisten waren draußen, außer wenn sie was zum Trinken an der Bar holten. Ich holte mir auch was. Ein amerikanisches Bier. Hat mir sogar sehr gut geschmeckt, Überraschung. Heineken heißt es, ganz bekannt, habe ich bisher immer vermieden, aber kann man trinken. Ich grübelte ein bißchen, wo meine Freunde wohl bleiben, denn ich war mit Jan und Ina und Ann verabredet. Die wollten auch kommen und standen doch auch auf dieser Gästeliste. Ich hoffte, dass sie nicht etwa schon da gewesen waren und wieder gegangen sind, weil ihnen das Publikum etwas - - äh - na ja. Nennen wir es beim Namen: suspekt war. Ich überlegte, ich könnte die Hostessen fragen, ob sie die Namen schon abgehakt haben, habe ich auch gemacht. Sie waren aber noch gar nicht da gewesen. Also beschloss ich, mich zu beschäftigen, bis die vertrauten Gesichter hoffentlich noch eintreffen. Ich fotografierte ein bißchen herum, die Löwen, trank mein Heineken und ging wieder durch den Garten, hinein in die Villa, zur leeren Tanzfläche. Guter Sound. Die Bässe und der gute Klang animierten mich, doch nicht einfach abzuhauen, sondern weiter zu warten. Ich beobachtete die Leute und kam mir ein bißchen vor wie in so einer Gesellschaft, wie bei den jungen Royals. Wenn da Hochzeiten gefeiert werden, sehen die Leute auch so ähnlich aus. Adrett und gut betucht und ein bißchen verklemmt und langweilig, aber insgesamt sehr ihrer gesellschaftlichen Relevanz sicher. Es gab einen Flügel und ein Klavier im Salon. Ich hob den Deckel und drückte auf ein paar Tasten, einfach so zum Zeitvertreib. Ich klappte den Deckel wieder zu, eine junge Frau hatte mir zugeschaut und fragte erwartungsfroh, ob ich spielen wollte? Sie hoffte wohl auf ein bißchen Abwechslung und Action. Ich sagte: "ich wollte schon gerne, aber ich kann leider nicht!" Echtes Bedauern zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Mein erstes Bier war gerade leer, als ich mich anschickte, mich wieder einzureihen, für ein zweites Glas Heineken. Da erblickte ich Ann in der Tür, sie kam zur Terrasse rein und ich umarmte sie begeistert. Ob Ina auch dabei wäre? Und Jan? Ja, ja, die sind auch dabei. Sie waren vorher noch bei irgendeiner Ausstellungseröffnung. Ich war wie erlöst. Ina war gut drauf und amüsierte sich mit Ann und mir über das eine oder andere gelungene Outfit der Grunewald-Society. Nur Jan machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. So hatte ich ihn überhaupt noch nicht erlebt. Als hätte er Magenschmerzen. Er war überhaupt nicht in seinem Element, dabei hatte ich gehofft, er könnte Geschmack an dem einen oder anderen Outfit der Damen finden und es ein bißchen dokumentieren. Da war nichts zu machen. Ausgerechnet Jan, der mich erst auf die Idee gebracht hatte, durch seine Bilder, ins Löwenpalais zu gehen, eröffnete mir, er hätte sich hier eigentlich immer schon irgendwie unwohl gefühlt. Na toll. Schön, dass ich das jetzt erfahre, schön, dass wir mal drüber gesprochen haben! Ina und Ann hingegen demonstrierten mir sehr überzeugend ihre Partylaune und versicherten mehrfach, dass sie es sehr amüsant fänden. Ich fand es von da an ja auch sehr amüsant, weil wir hatten ja schließlich uns und wann würde man jemals wieder so eine Veranstaltung aus nächster Nähe sehen können! Wir holten uns Getränke und suchten uns einen netten Platz im hinteren Garten, wo Tische und Sitzmöbel waren. Wir plauschten über Gott und die Welt, es wurde sogar tiefsinnig.









Kann schon mal passieren. Plötzlich kam ein Herr vom Service und kündigte an, dass jetzt die Livemusik anfangen würde und dann wäre gegen zehn die Tomobola. Eine Porsche-Sonnenbrille und eine Porsche-Armbanduhr gab es zu gewinnen. Mittlerweile war Jan einfach abgehauen, es war ihm zu blöd, er sagte nicht mal Bescheid. Wir alberten dann zu dritt herum, dass wir ihm ja als Trostpreis unsere gewonnenen Porsche-Brillen und Uhren schenken könnten. Wir haben viel gelacht. Also nicht wegen Jan, sondern weil wir uns gut unterhalten haben. Weil wir uns so verquatscht haben, sind wir zur spät zur Tombola in den großen Saal, die Leute kamen uns schon alle entgegen. Wir waren genau fünf Minuten zu spät. Alle Preise waren vergeben. Ein Mann, den ich fragte meinte, alle die aufgerufen waren, waren auch da und haben Preise abgeholt. Demzufolge hatten wir drei also alle Nieten! Aber jede Niete hatte eine Nummer. Ich hatte glaube ich 187. Niete Nummer 187! Also keine Porsche-Armbanduhr für Jan. Dumm gelaufen. Aber als sich der Saal leerte, legte die Sängerin richtig los. Sie gab einfach alles. Ein langes, enganliegendes Kleid hatte sie an, mit silbernen Pailletten von oben bis unten. Sie hat geglitzert wie eine Disco-Kugel und wenn man nicht so genau hingeschaut hat, hätte man denken können, es ist Mariah Carey. Aber zwanzig Jahre früher. Sie hat viele Songs sehr gut performt. Ja, man könnte sagen, sie hat alles gegeben. Besonders ein Lied von Amy Winehouse hat sie sehr gut hingekriegt. Es gab aber auch so Sachen von Tina Turner, "Private Dancer" und den "Happy"-Song. Wir drei hatten die Tanzfläche fast für uns. Die Grunewald-Society hatte es nicht so mit Tanzen, aber wir dafür umso mehr. Ich hatte inzwischen schon mein viertes Heineken und fühlte mich sehr rhythmisch, wie ich da so mit Ina und Ann herumkasperte. Es war richtig schön. Lag jetzt aber nicht unbedingt am Konzept des Veranstalters und der Löwenvilla, sondern wahrscheinlich mehr an uns. Und natürlich am Heineken.




g a g a - Mo, 10. Aug, 22:23

Ich kann ja halbwegs verstehen, dass auswärtigen Lesern zu solchen Ereignissen in Berlin kein Kommentar einfallen mag, daher möchte ich nicht unterschlagen, was eine Bekannte heute zu meiner erzählten Version der Beschreibung dieser Zusammenkunft angemerkt hat: "mit anderen Worten: der geronnene alte Westen."

arboretum - Di, 11. Aug, 10:04

Ich mag das ja sehr, wenn Sie ausgehen und lese hinterher immer gerne davon, wenn ich schon nicht selbst dabei sein konnte.
Diesmal habe ich mich beim Lesen gefragt, wie viele der Geladenen aus der Grunewald Society insgeheim gerne mit Ihnen mitgetanzt oder wenigstend ein wenig mit Ihnen herumgealbert hätten.

g a g a - Di, 11. Aug, 12:37

Gestern Abend habe ich bizarrerweise eine Bildstrecke entdeckt, wo die einsame Sängerin in demselben Saal steht, umringt von Gästen und sogar zwei Bilder waren dabei, die den Anschein hatten, dass ein Paar getanzt hat. Die Bilder schienen aber chronologisch sortiert zu sein, kurz danach folgten Bilder von der Übergabe der Tombola-Gewinne. Ich nehme also an, dass irgendeine Art von Moderation stattgefunden haben muss, die zunächst die Sängerin vorstellte und aktiv mit einer ersten Musikdarbietung zum Tanzen aufforderte. Nach einem Lied war dann wahrscheinlich die Tombola und da alle ein Los hatten, war der Saal entsprechend gut gefüllt. Als die Preise vergeben waren, musste kein Interesse mehr am Entertainment-Block geheuchelt werden und alle verließen schnurstracks den Saal um draußen weiter zu trinken. Während der guten Stunde, wo wir getanzt haben, verirrten sich schon ab und zu mal zwei weitere Tänzer oder ein Pärchen in den Tanzzaal und machten auch für ein Lied mit, aber ohne Ausdauer. Das ist so ein Selbstläufer-Effekt, wenn es wo leer ist, unterstellt man automatisch, dass es ein uninteressanter Platz sein muss. So ähnlich, wie man keine Lust bekommt, sich in ein Restaurant zu setzen, in dem nur ein Tisch besetzt ist. Man ist gleich misstrauisch und denkt, da liegt irgendwo der Hase im Pfeffer. Außerdem waren wir drei Grazien bestimmt auch ein bißchen unheimlich für die anderen Gäste, schon der Dresscode war nicht erfüllt. Keine von uns trug High Heels oder warf klimpernde Flirtblicke. Eine anarchische Bande, die mit theatralischen Gesten tanzt und auch noch jeden Refrain albern mitsingt. Wilde Weiber halt. Zu wild!

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