22. März 2015







Ich musste endlich einmal wieder auf der Museumsinsel nach dem Rechten sehen, den Kolonnadenhof beim Eingang zum Neuen Museum inspizieren. Und das neue Neue Museum selbst natürlich.



Lange mussten die Mitarbeiter auf meinen Besuch warten, es war mir schon langsam ein bißchen peinlich. Insbesondere, nachdem mein Nachbar, Herr Chipperfield, schon wieder lauter andere Sachen gebaut und fertig gestellt hat. Sein Haus in der Baulücke schräg gegenüber von meinem Adlerhorst ist auch schon längst fertig. Schön ist es geworden. Aber weil ich viel Respekt, ja geradezu Ehrfurcht vor dem Neuen Museum und dem, was er daraus gemacht hat, hatte, konnte ich nicht einfach mal so husch husch bei nächster Gelegenheit vorbeischauen. Ich wollte es schon ein bißchen zelebrieren. Mit ausgiebig Zeit und Muße und Hingabe.





Man sollte keinesfalls davon ausgehen, dass ich zufällig Sachen anhatte, die farblich mit dem Elbsandstein der Säulen korrespondieren. Ich mache so etwas bewusst. Stellen Sie sich vor, ich hätte einen mintgrünen Sport-Anorak aus abwaschbarem Nylon mit lila Rallyestreifen angehabt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Nofretete gefallen hätte. Die Mitarbeiter müssen sicher auch viele schlimme Jacken sehen, so einen langen Museumstag über. Ich wollte da gerne ein bißchen Abwechslung fürs Auge bieten. Wobei ich bei der Durchsicht meiner Bilder lobend festhalten muss, dass viele Passanten schlichte schwarze Wintermäntel getragen haben. Das ist relativ unproblematisch fürs Bild. Danke dafür. Ich kenne einige Berliner, die zwar schon mehrfach auf der Museumsinsel waren, über die Jahre hinweg, aber nicht unbedingt in jedem Museum und auch nicht unbedingt im Neuen Museum, seit Herr Chipperfield dieses verblüffende Meisterwerk aus Restaurierung und Modernisierung abgeliefert hat, das die weltweit bedeutendsten Architekturpreise bekommen hat. Wenn man es betritt, weiß man warum. Ich war noch niemals zuvor in einem Museum, in dem so eine starke Aura von Geschichte und Vergänglichkeit in den Räumen liegt. Die Intensität des alten Gemäuers mit den freigelegten, verblichenen Fresken, die die Exponate umgeben, kann man kaum in Worte fassen. Ich war vorher ehrfürchtig und danach bin ich es noch mehr. Ich kann die Bilder nicht in einer einzigen Strecke zusammenfassen. Es gibt viele Höhepunkte, die ich irgendwie auseinanderdividieren muss.




Der Kolonnadenhof ist natürlich historisch, vom Schinkel-Schüler August Stüler, wie das ganze Neue Museum. Die Nofretete macht sich gut, da zwischen den Säulen. Sie hat im Museum einen Ehrenplatz unter einer Kuppel. Der einzige Bereich, in dem man nicht fotografieren darf, sehr sakral inszeniert. Aber das gilt auch für die anderen Abteilungen. Das Licht ist grandios gesetzt, besonders im Ägyptischen Hof. Ich habe erwartet, ein ehrwürdiges Museum zu sehen, aber ich fand mich in einem Tempel wieder.


g a g a - So, 22. Mär, 21:19

Preis der Europäischen Union für zeitgenössische Architektur, Mies-van-der-Rohe-Preis (2011)

Deutscher Architekturpreis (2011)

Philippe Rotthier European Prize for Architecture (2011)

Preis der Europäischen Union für das Kulturerbe Europa Nostra Award (2010)

Große Nike (Hauptpreis) und Nike für Detailvollkommenheit vom Bund Deutscher Architekten (2010)

Travel + Leisure Design Award, Kategorie Bestes Museum (2010)

BDA-Preis Berlin (2009)

Sonderpreis zum Architekturpreis Berlin (2009)

BZ-Kulturpreis Berlin (2009)

RIBA Award sowie den RIBA Crown Estate Conservation Award des Royal Institute of British Architects (2009)

Excellence in Design Award in der Kategorie "Historical Preservation/Restoration des American Institute of Architecture UK Chapter (2009)

kid37 - So, 22. Mär, 23:27

Stellen Sie sich vor, ich hätte einen mintgrünen Sport-Anorak aus abwaschbarem Nylon mit lila Rallyestreifen angehabt.

Das ehrt Sie wirklich, daß Sie trotz wechselhaften Wetters und pfeifendem Wind dem Anlaß entsprechend den mintgrünen Sport-Anorak aus abwaschbarem Nylon und lila Rallyestreifen nicht getragen haben. (Sie sind nach wie vor meine Modeikone unter den Bloggern.)

g a g a - Mo, 23. Mär, 16:42

Danke. Ich strenge mich auch unermüdlich an. Die Leser machen sich ja keine Vorstellung, in welchem Umfang ich Recherche-Arbeiten in Sachen Materialbeschaffenheit, Farbgebung, Geist und Struktur betreibe, bevor ich es wage, einen Fuß auf ehrwürdiges Terrain zu setzen. Manchmal muss ich Jahre mit einem Besuch warten, weil ich in keiner Boutique ein passendes Modell finde, das - zum Beispiel - mit der Formgebung einer Stuckleiste exakt korrespondiert. Das ist letztlich auch mein Geheimnis, warum meine Aufnahmen oft den Eindruck hinterlassen, der Ort wäre eigens für mich erschaffen worden. In Wahrheit ist es natürlich genau umgekehrt. Ich erschaffe mich passend zum Ort! Da steckt eine Menge Aufwand und Arbeit dahinter, ich weiß manchmal gar nicht, wie ich das alles schaffe!
schneck08 - Mo, 23. Mär, 08:45

Oh wie schön, Frau Gaga! Und ein paar jener "freigelegten, verblichenen Fresken, die die Exponate umgeben..." haben liebe und langjährige Kollegen von mir bearbeitet. Hatten sich sogar eigens dafür eine Wohnung in Steglitz angemietet. Ich selbst war leiderleider nicht dabei, da in diesen Zeiten bei mir Dinge wie Trennung und Scheidung und Kirschkernumzüge auf den wandgroßen Zetteln standen. Es ging sogar einmal darum, ob nicht vielleicht abgenommene Wandfragmente in meinem Atelier in Schöneberg bearbeitet hätten werden können. Mich ärgert mein Nichtdabeigewesensein noch heute und ich habe den Ort daher und seither immer gemieden. Aber Ihr Bericht macht mir Lust, endlich auch einmal dorthin zu gehen und mir alles nun anzusehen.

g a g a - Mo, 23. Mär, 16:51

ich habe ja nun auch sechs Jahre ins Land gehen lassen, um den richtigen Moment zu finden. Das ist schon eine besondere Befangenheit, die Sie da haben, ich kann diese filigranen Gefühle gut verstehen. Ein bißchen, als ob man als Schauspielerin eine Rolle abgelehnt hat - wegen anderweitiger Verpflichtungen - die dann später einer Nachwuchsdarstellerin zum großen Durchbruch verhilft und womöglich noch den Oscar für die weibliche Hauptrolle abräumt.

Schauen Sie sich einfach in den nächsten Tagen und Wochen meine Aufnahmen in Ruhe an, dann ist die Überrumpelung nicht ganz so schmerzhaft. Es ist in der Tat schmerzhaft schön. Das Neue Museum ist ein bißchen wie eine Metapher von Berlin, grausam im Krieg zerstört und ohne Verleugnung der Vergangenheit wegweisend auferstanden. Wenn ich die entsprechende Abteilung im Louvre wäre, wäre ich ein bißchen neidisch auf das Neue Museum in Berlin. Es ist aber doch auch schon ehrenvoll, überhaupt den Auftrag zur Mitwirkung gehabt zu haben, und so an der Quelle zu den Restauratoren zu sein. Das ist auch ganz schön toll. Ich habe ja auch eine irgendwie spezielle Beziehung dazu - ich kannte einen Teil der Exponate noch aus dem ägyptischen Museum in Charlottenburg, damals, da beim Schloss - da hab ich Nofretete das erste mal gesehen - im Vergleich eine putzige kleine Villa. Dann war meine Neugier nach ägyptischen etc. Exponaten auch gestillt und es hat mich nicht so superdringend hingedrängt. Aber dann hat David Chipperfield so um 2011, 2012 schräg gegenüber von meiner Bleibe seine Berliner Niederlassung in eine Baulücke gebastelt und ich wurde daran erinnert, dass da doch was war, mit ihm und dem Neuen Museum. Ich habe ein paar schöne Interviews mit ihm gelesen und dann erst so richtig begriffen, dass der Innenausbau im Grunde eine historische Skulptur ehrt, ägyptische Exponate hin oder her - man muss es gesehen haben. Dann bin ich also hin, mit der Vorstellung einer interessanten Innenarchitektur - was sich auch erfüllt hat - aber mich haben ebenso die Exponate, die ich zum großen Teil nicht kannte - besonders auch die Gräberhalle mit den Sarkophagen - ja - - -- umgehauen. Sprachlos ergriffen stand ich da und hielt Andacht, weil es kein museales Gefühl mehr war, sondern eine starke Atmosphäre der sakralen Totenkultur der Ägypter. Ich habe mir sogar - was ich noch nie in einem Berliner Museum gemacht habe - im Souvenirshop ein Souvenir mitgenommen. Also gekauft. Einen kleinen vergoldeten Ibis mit kupfergrünen Füßen, eine Replik. Ein Glücksbringer.
g a g a - Mo, 23. Mär, 18:39

Der Ibis

Der heilige Ibis wurde mit dem Mondgott Thot in Verbindung gebracht, dem Schutzpatron der Schreiber, und vereinzelt mit einer Mondsichel auf dem Kopf dargestellt. Ihm werden die Eigenschaften der Ausdauer und des Strebens zugeschrieben. Er wurde aber auch mit der Seele und dem Atemhauch asoziiert. In diesem Zusammenhang steht auch die Darstellung Thots im Ägyptischen Totenbuch (Spruch 183), der - hier mit Ibiskopf - Osiris verschiedene Symbole überreicht, unter anderem auch das Anch, das Symbol für ewiges Leben und Herrschaft.

Das Zentrum des Thot-Kultes lag in Hermopolis, wo Tausende von mumifizierten Ibissen gefunden wurden. Als Schopf-Ibis sah man ihn eher in Verbindung mit der Sonne: Als verklärter, Segen spendender Geist.


Thot
, Gott des Bloggens. (...Hermopolis...!)

In der Tat - ein anderes Kulttier als Souvenir hätte mich nicht faszinieren können, kein Skarabäus, keine Schlange. Der kleine Ibis musste es sein. (ich wusste das nicht, habe es eben erst gelesen)
kid37 - Mi, 25. Mär, 16:16

Interessant. Die Mondsichel macht auch Sinn, schließlich entstehen die besten Blogtexte nachts. "Mit Thoten Tieren durch das Jahr". Ich sag's doch.
g a g a - Mi, 25. Mär, 19:22

ich hatte ja schon immer meine Zweifel, dass die Texte vom Hermetischen Café in "Hamburg" entstehen. Hermopolis ist natürlich naheliegender. So fügt sich ein Mosaiksteinchen zum anderen.
g a g a - Mo, 23. Mär, 20:15

Interessante Neuigkeiten: das Metropolitan Museum of Art in New York hat David Chipperfield am 11. März zum Architekten der Renovierung erwählt.

"(...) in making the announcement, Mr. Campbell said: “We based the final selection of an architect on three criteria: vision, experience, and compatibility. David Chipperfield’s global architectural experience and sensibility, along with his commitment to the collaborative aspect of creating architecture, make him a perfect partner on this milestone project. His museum projects are brilliantly coherent, elegant, and accessible - from the Neues Museum in Berlin to Museo Jumex in Mexico City, the Saint Louis Art Museum, and The Hepworth in Wakefield, England.”

Brilliantly coherent, elegant, and accessible.

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