02. Februar 2015
Ich glaube, sie hat mich angesprochen. Aus natürlicher Scheu hätte ich sie nicht von der Seite angequatscht, zumal sie sich bestens und lebhaft unterhalten hat. Aber wenn ich einmal siebenunddreißig Jahre älter bin wie heute, so wie sie jetzt, dann traue ich mich das bestimmt auch, so eine jüngere Frau anzusprechen. Eigentlich traue ich mich es heute schon, wenn ich so darüber nachdenke. Wie alt sind siebenunddreißig Jahre jüngere als ich? Zwölf- bis Dreizehnjährige. Ja, das kriege ich hin. Bestimmt halten die mich für uralt. Nach der Begegnung mit der Bildhauerin, die mich sehr gefreut hat, bin ich zuversichtlich, dass es vielleicht gar nicht so schwierig und kompliziert ist, sehr alt zu werden und sehr beweglich zu bleiben. Man darf nur nicht aufhören, mit dem Bewegen. Ich versuche, einen möglichst diskreten Eintrag zu den Bildern zu verfassen. Es war am Wochenende in Berlin. So ein bißchen außerhalb, wo man ein ganzes Weilchen fährt, aber noch Berlin. Ich sage aber nicht, welche Richtung. Das ist streng geheim! Jedenfalls hatte ich eine Einladung zu einer Geburtstagsparty. Das Geburtstagskind ist das Kind von der Bildhauerin. Und die Bildhauerin hat mich mal für ein halbes oder Dreiviertelstündchen von der Party entführt. Schon alleine wegen ihres tollen Armreifs war mir gleich vollkommen klar, dass es bestimmt ein sehr sehenswerter Ort ist, an dem sie lebt, gleich nebenan. Und weil sie sogar zweimal gefragt hat, ob ich Lust hätte, es zu sehen, und ich zweimal "Ja!" gesagt habe, hat sie mich an die Hand genommen und nach drüben geführt, in ihr Zauberreich. Wo ganz viele Bilder und ganz viel Geschichte aus ganz viel Leben ist. Mehr darf ich jetzt aber nicht erzählen, obwohl sie mir sehr schöne Geschichten, auch anrührende und sehr persönliche erzählt hat. Und Fotos gezeigt. Ich hätte mich nicht getraut, einfach zu fotografieren, obwohl ich die Kamera über der Schulter dabei hatte. Die hatte ich sowieso bei mir. Aber als wir gerade im unteren Bereich, in ihrem Atelier waren, wovon es leider keine Fotos gibt, und sie mir eine phantastische Bohrmaschine aus dem achtzehnten Jahrhundert aus Gußeisen demonstriert hat, hat jemand wie wild an die Haustür geklopft (ich glaube, es gibt gar keine Klingel, was mir sehr gut gefällt, so prinzipiell), und da wurde die kleine Besichtigung unter vier Augen unterbrochen, was zuerst schade war. Aber dann war es Jan mit Manfred, der die Bildhauerin schon ein Weilchen kennt, also Jan, es ist quasi familiär, und wie er so ist, hat er sich und seinen Freund selber zur Besichtigung eingeladen und geniert sich auch nicht, gleich seine Absichtserklärung zu verkünden, dass er noch mal ein Portrait von ihr machen will, "...Nur mal gucken, wo!" Also sozusagen sehr charmant präsentierte, vollendete Tatsachen. Es ist schon sehr schwer, ihm zu widersprechen. Sie war auch sehr bereitwillig, hat sogar noch gefragt, ob sie die Lippen machen soll oder die Haare. Aber die Frisur war prima. Ich habe mich da ja ganz rausgehalten. Aber als er dann so vorgeprescht ist, und die Führung fast schon übernommen hat und auch gleich zur Tat geschritten ist, habe ich mich auch nicht mehr geniert und mich dann doch getraut, ein paar Fotos zu machen. Ich bin mir nicht sicher, ob sie es gemerkt hat. Bei ihm schon. Aber ich mache das so undercovermäßig und halte die Kamera ja nie vors Gesicht, dass man das schon mal vergessen kann, dass ich schon auch etwas mache, mit meiner Kamera. Deswegen gibt es jetzt doch ein paar Bilder. Aber nicht von allem. Man könnte ein ganzes Buch über dieses schöne Zuhause machen. Und über sie sowieso. Ich habe sie gefragt, wo wir noch allein waren, ob sie eine Beziehung zu Computern hat, weil sie mir geflüstert hat, dass sie vor ihrer Berufung zur Bildhauerin Mathematik und Physik studiert hat, aber alles schon sehr lange her. Sie meinte etwas entschuldigend, dass sie leider nur ein Ipad hätte. Ach so. Hm, ja. Das ist natürlich sehr bedauerlich. Nur so ein altmodisches Ipad, wo sie manchmal, wenn ihr etwas einfällt, was im Internet sucht. Hätte ich mir ja denken können. Es ist mir fast ein bißchen schwer gefallen, wieder zur Party nebenan zurückzukehren, weil ich gespürt habe, sie ist ein unerschöpflicher Quell, der gerade wieder zu sprudeln angefangen hat. Aber dann hatte ich auch Durst und wollte mich gerne einmal wieder bei der nicht minder zauberhaften Gastgeberin in dem anderen Häuschen zeigen. Wir sind dann gemeinsam wieder zurück zur Party, wo inzwischen wie wild getanzt wurde, was auch sehr schön anzuschauen war. Aber immer eins nach dem anderen.
g a g a - 2. Februar 2015, 22:12
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