08. Januar 2015
(Im weiteren Sinne)
Unter all den furchtbaren Nachrichten, die wir täglich bekommen, gibt es ab und zu auch eine schöne: wie zum Beispiel die, daß Goethes West-Östlicher Divan jetzt erstmals ins Persische übersetzt worden ist. Oder daß das Werk von Mawiana Dschalaladin Rumi, Mathnawi, in die chinesische Sprache übertragen worden ist. Warum sind solche Nachrichten so wichtig?
Şehitlik Moschee Berlin
Der große englische Dichter Percy Bysshe Shelley schrieb in seinem Aufsatz Verteidigung der Poesie, ohne die klassische Dichtung sei eine moralische Gesellschaft gar nicht denkbar. Man könne vielleicht ohne die Werke bestimmter Philosophen auskommen, sagt er, aber es sei absolut unvorstellbar, wie der moralische Zustand der Weit wäre, wenn Homer, Dante, Petrarca oder Shakespeare nicht existiert hätten. Denn nur die Poesie besitzt die Macht, die schöpferischen Fähigkeiten des Menschen zur Entfaltung zu bringen. Nur die Poesie kann den Menschen moralisch "besser machen", indem sie den Geist weckt und das Herz öffnet für neue, edle Ideen. [...] Wenn wir nach der poetischen Tradition des Orients forschen, stellen wir auch hier fest: Es waren vor allem eine Reihe deutscher Philologen und Dichter, die den Wert der orientalischen Dichtung, vor allem der aus Persien, richtig einzuschätzen wußten. [...] Wenn die persische Poesie hier in Deutschland geliebt und geschätzt wird, dann haben wir das Rückert zu verdanken. Und dies gilt nicht nur für die Poesie Persiens. [...] So schreibt Rückert in dem Vorspiel zum Schi-King (Chinesisches Liederbuch) über Die Geister der Dichter
Ich fühle, daß der Geist des Herrn,
Der redet in verschiedene Zungen,
Hat Völker, Zeiten, nah und fern,
Durchhaucht, durchleuchtet und durchsungen,
Ob etwas herber oder reifer,
Ob etwas reicher oder steifer
Ihr seid Gewächs aus einen Kern
Für meinen Liebeseifer
Doch was manch Lied entwickelt, wie
Sollt' ich's auf einmal vor euch offen hie,
Und wer hineinschaut, mag sich spiegeln.
Mög' euch die schmeichelnde Gewöhnung
Befreunden auch mit fremder Tönung,
Daß Ihr erkennt: Weltpoesie
Allein ist Weltversöhnung.
[ Auszüge aus dem Vortrag "Weltpoesie: Übersetzung als Völkerverständigung" von Muriel Mirak-Weißbach auf dem "Festival persischer und deutscher Dichtung" im April 2002 ]
Unter all den furchtbaren Nachrichten, die wir täglich bekommen, gibt es ab und zu auch eine schöne: wie zum Beispiel die, daß Goethes West-Östlicher Divan jetzt erstmals ins Persische übersetzt worden ist. Oder daß das Werk von Mawiana Dschalaladin Rumi, Mathnawi, in die chinesische Sprache übertragen worden ist. Warum sind solche Nachrichten so wichtig?
Şehitlik Moschee Berlin
Der große englische Dichter Percy Bysshe Shelley schrieb in seinem Aufsatz Verteidigung der Poesie, ohne die klassische Dichtung sei eine moralische Gesellschaft gar nicht denkbar. Man könne vielleicht ohne die Werke bestimmter Philosophen auskommen, sagt er, aber es sei absolut unvorstellbar, wie der moralische Zustand der Weit wäre, wenn Homer, Dante, Petrarca oder Shakespeare nicht existiert hätten. Denn nur die Poesie besitzt die Macht, die schöpferischen Fähigkeiten des Menschen zur Entfaltung zu bringen. Nur die Poesie kann den Menschen moralisch "besser machen", indem sie den Geist weckt und das Herz öffnet für neue, edle Ideen. [...] Wenn wir nach der poetischen Tradition des Orients forschen, stellen wir auch hier fest: Es waren vor allem eine Reihe deutscher Philologen und Dichter, die den Wert der orientalischen Dichtung, vor allem der aus Persien, richtig einzuschätzen wußten. [...] Wenn die persische Poesie hier in Deutschland geliebt und geschätzt wird, dann haben wir das Rückert zu verdanken. Und dies gilt nicht nur für die Poesie Persiens. [...] So schreibt Rückert in dem Vorspiel zum Schi-King (Chinesisches Liederbuch) über Die Geister der Dichter
Ich fühle, daß der Geist des Herrn,
Der redet in verschiedene Zungen,
Hat Völker, Zeiten, nah und fern,
Durchhaucht, durchleuchtet und durchsungen,
Ob etwas herber oder reifer,
Ob etwas reicher oder steifer
Ihr seid Gewächs aus einen Kern
Für meinen Liebeseifer
Doch was manch Lied entwickelt, wie
Sollt' ich's auf einmal vor euch offen hie,
Und wer hineinschaut, mag sich spiegeln.
Mög' euch die schmeichelnde Gewöhnung
Befreunden auch mit fremder Tönung,
Daß Ihr erkennt: Weltpoesie
Allein ist Weltversöhnung.
[ Auszüge aus dem Vortrag "Weltpoesie: Übersetzung als Völkerverständigung" von Muriel Mirak-Weißbach auf dem "Festival persischer und deutscher Dichtung" im April 2002 ]
g a g a - 8. Januar 2015, 23:48