07. November 2014






Yesterday
von den Beatles. Angie von den Stones. My Way von Sinatra. Samba PaTi von Santana. Albatros von Fleetwood Mac. Sounds of Silence von Simon and Garfunkel. Die vier Jahreszeiten von Vivaldi. Der Kuss von Klimt. Alles furchtbar. Oder? Oder nur furchtbar oft gehört, furchtbar oft gesehen? Brauchen die Beatles einen Anwalt? Die Rolling Stones? Frank Sinatra? Carlos Santana? Fleetwood Mac? Simon and Garfunkel? Vivaldi? Braucht Gustav Klimt einen Anwalt? Eine Anwältin? Ich glaube nicht. Aber wenn er eine bräuchte, ich stände zur Verfügung. Der Grund, warum ich ins Belvedere wollte, war nicht, dass ich ein Schloss oder einen Schlossgarten besuchen wollte. Der Grund war Gustav Klimt. Auf der Seite vom Belvedere ist zu lesen, dass das Museum, das "Obere Belvedere", die größte Sammlung an Klimtwerken besitzt. Deswegen wollte ich da hin. Wenn man auf die Seite schaut, sieht man sehr viele bekannte Werke von ihm. Allerdings ist zu bedenken, dass Klimt-Bilder auch gerne weltweit in Sammel-Ausstellungen gezeigt werden und das eine oder andere Werk daher als Leihgabe für die Dauer einer Ausstellung in der Weltgeschichte unterwegs ist. Zum Beispiel gab es im Frühjahr in Wien gerade eine Ausstellung, die vorher auch in Berlin zu sehen war, die "Wien - Berlin, Kunst zweier Metropolen" hieß, und die auf dem Berliner Plakat mit einem Klimt-Bild warb, das in die Sammlung des Belvedere gehört. Also war dieses Bild gerade unterwegs. Und einige andere auch. Aber "Der Kuss", einer der größten Hits unter den weltweiten Merchandise-Motiven für Kaffeetassen, Adressbüchlein und Brillenetuis (aka "Klimt-Overkill"), der hängt tatsächlich im Belvedere. Vielleicht wird er auch nicht so gerne herausgegeben. Denn immerhin wird man von diesem innigen Motiv bereits am Flughafen Schwechat empfangen. Die beiden Köpfe sind übergroß abgebildet. Und das ist durchaus ein sehr schöner Eindruck, wenn man auf seinen Koffer oder seine Reisetasche wartet, dort am Gepäckband. Ich fand es erhebend. Im Belvedere ist Fotografieren komplett verboten. Nur zur Information. Ich habe mich natürlich auch daran gehalten, nachdem man mich darauf aufmerksam gemacht hat. Manchmal kann man ja auch gar nichts dafür, wenn die Kamera auslöst, man kommt irgendwie komisch mit dem Finger an den Auslöser, durch eine blöde Handbewegung. Deswegen sind die Bilder auch oft so schief, die da ganz überraschenderweise zustande gekommen sind. Der Raum, in dem die Klimts hängen, ist sehr, sehr dunkel. Die einzelnen Bilder werden subtil, beinah sakral, angestrahlt. Damals, im Mai, war eine Reihe von Frauenportraits zu sehen, von denen ich wusste, dass es überwiegend Auftragsarbeiten waren. Deshalb gibt es manchmal einen starken Kontrast zwischen der frühlingshaft jugendlich dargestellten Abbildung des Frauenkörpers in einem märchenhaften Kleid, aus dem dann oben der Kopf einer Frau herausschaut, die vom Alter und vom Ausdruck nicht so sehr zu der juvenilen Aufbruchstimmung und der wilden Blütenpracht zu passen scheint. Klimt hatte das Glück, zu Lebzeiten ein begehrter Portraitmaler der Damen der besseren Wiener Gesellschaft zu sein. Es war en vogue, sich von ihm portraitieren zu lassen, es galt als hochmodern und als ein Status-Symbol, ebenso wie in den Sechzigern, bei Andy Warhol einen echten Warhol-Siebdruck vom eigenen Konterfei in Auftrag zu geben. Ich nehme allerdings stark an, dass die Auftragsportraits von Klimt auf dem internationalen Kunstmarkt höher angesiedelt sind als die vervielfältigbaren Siebdruck-Portraits von Warhol. Apropos Warhol. In einem der Nebenräume läuft im Loop Andy Warhols Film "Kiss" (hier in voller Länge auf youtube), in dem sich eben fünfzig Minuten lang geküsst wird. Sicher kein Zufall. Duke hat sich das eine Weile interessiert angeschaut. Ich konnte mir schon denken, wie der Film weiter geht. Ich habe mich dabei ertappt, dass ich wieder einmal nicht den Wunsch hatte, mir das anzuschauen. Ich sehe allgemein in Filmen ungern Szenen, wo die Kamera langatmig und detailliert auf einen kompletten Kuss draufhält. Das ist mir zu intim. Ich bin da wahrscheinlich zu empathisch. Ich möchte das nicht mitempfinden müssen, was die mir völlig fremden Leute da machen. Get a Room. Auch bei anderen sexuellen Handlungen möchte ich anderen nicht gerne zuschauen. Das bringt mich einfach nicht weiter. Früher war ich da, glaube ich, anders. Komisch, wie sich manches ändert. Vielleicht ändert es sich ja auch nochmal irgendwann. Ich bin also nicht etwa jemand, der heimlich Pornofilme guckt, sondern heimlich keine Pornofilme guckt, obwohl man damit heutzutage nicht gerade als sehr hip gilt. Nun ist es raus. Aber wie gesagt, vielleicht kann ich das Leiden eines Tages wieder kurieren. Fände ich ja selber praktisch. Stundenlang könnte ich mir dann den Warhol-Film anschauen. Das wären Peanuts. Ja noch nicht mal Blümchen-Sex!









Wir sind zu Fuß von der Wohnung zum Belvedere, das war gar nicht sehr weit von der Lambrechtgasse im vierten Bezirk. Rainergasse... Belvederegasse... ich weiß es nicht mehr. Nur, dass wir tatsächlich noch einmal zurück zur Wohnung sind, weil ich meine Sonnen Windschutzbrille da vergessen hatte. Ich musste ein bißchen weinen. Das muss ja nicht sein. Am Himmel war ein Gemisch aus Wolken, Wind und Sonne, im Wechsel zu beobachten. Mir war nicht so gut, weil ich doch ein bißchen viel Rotwein getrunken hatte, den Abend zuvor und ich hakte mich bei Duke ein, obwohl das sonst nicht meine Art ist, wenn ich neben jemandem laufe. Ich war ein bißchen anlehnungsbedürftig und hoffte, dass die Aspirin-Tabletten recht viel Wirkung tun. Am Eingang vom Oberen Belvedere stehen zwei große Sphinxen. Aber mit Wikinger-Zöpfen. Ein bißchen albern, die Kombination. Ich habe meine Tasche am Boden abgestellt, um ein bißchen mit der Kamera um die eine Sphinx herumzugehen, zu schauen, wie ich sie am besten einfange. Dann bin ich auf die andere Seite, wo auch eine große Freitreppe war, auf der Duke saß und wartete, bis ich fertig war mit meiner Sphinx. Als ich wieder auf die andere Seite gehe, sehe ich, dass die Tasche weg ist, die ich auf den Boden gestellt habe. Da war weit und breit niemand zu sehen. Hatte man mich etwa heimlich bestohlen? Oh je...! Da war mein Geld drin und der Personalausweis und die EC-Karte... das Flugticket war in der Wohnung, in der Reisetasche. Aber mein Ausweis... und das Geld. Wir sind noch einmal zu dem Häuschen, in dem man auch die Eintrittskarten kaufen konnte, die hatte ich schon, ich war unsicher, vielleicht habe ich die Tasche ja da - - - ? Die Frau an der Kassa erinnerte sich an mich und hielt schon die Tasche hoch, ehe ich sagen konnte, was ich will. Ich hatte die Tasche nicht vergessen. Jemand hat sie vom Boden aufgehoben und als herrenlose Fundsache dorthin gebracht. Eine ältere Dame wohl, die mich nicht hinter der Sphinx gesehen, oder der kleinen





Tasche zugeordnet hatte. Manchmal bin ich schon sehr leichtsinnig. Das war mir aber eine Lehre! Glück im Unglück! Weil ich eben auch nicht ganz beieinander war und ein bißchen neben mir gestanden habe, wegen dem Kopfweh. Wir sind dann also ganz, ganz langsam in die Ausstellung. Da waren noch andere Sachen außer dem Klimt, aber die habe mich nicht interessiert oder mir nicht gefallen. So alte Schinken mit Schlachten drauf oder so ähnlich. Nach dem Klimt wollte ich mich unbedingt hinsetzen und einen schönen Kaffee trinken und irgendeine Kleinigkeit essen.








Zum Glück war da dann gleich das sehr kleine, putzig-runde Café Ménagerie mit der schönen hummerroten Damasttapete. Oder besser Wandbespannung. So ein edler Stoff in so einem Schloss wird ja nicht wie ein ordinäre Tapete mit Tapetenkleister angeklebt, nehme ich an, sondern fein mit Tapetennägeln festgemacht. Auf dem Weg zum Café war noch eine Ausstellung mit expressionistischen Bildern, von denen mir ganz viele sehr gut gefallen haben. Ich liebe die Expressionisten! Das ist Rock'n'Roll, das ist Punk! Das ist Heavy Metal! Aber intelligent. Yeah! Und genau vor dem Eingang zum Café war ein Raum, in dem gerade eine Ausstellung vorbereitet worden ist. Habe ich auch noch nie gesehen, wie so Beschriftungen an die Wand geklebt werden. Da hat man einfach so zuschauen können. Zuerst war im Café nur ein Tisch mit zwei Stühlen frei, ein ganz kleiner, aber kaum sind wir gesessen, wurde der vielleicht schönste Platz frei, mit einer gepolsterten Bank, wo man direkt auf das Sisi-Portrait schauen konnte. Ich habe dann doch keine Kleinigkeit gegessen, sondern ein Wiener Schnitzel mit Erdäpfelsalat und natürlich kein Bier dazu getrunken. Denke ich doch. Nehme ich doch an. Das Schnitzel war ausgezeichnet und hat mir sehr gut getan. Ich würde überhaupt jedem empfehlen, in Wien nur immer recht viel Wiener Schnitzel zu essen, weil es einfach überall schmeckt. Nach dem Cafébesuch sind wir noch ein bißchen durch den Park gelaufen, an den kegelförmigen Buchsbäumen vorbei, Richtung Unteres Belvedere und dann zum Ausgang. Rennweg. Und dann weiter zum Schwarzenbergplatz. Nächstes Kapitel... - Bald in diesem Theater.





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