06. November 2014




Ich will den Tag noch zu Ende erzählen, den dreizehnten Mai in Wien. Also zum Essen in eines der Restaurants in der Kurrentgasse. Ins Pastell oder ins Ofenloch. Darauf war ich gekommen, weil der Herr Heller beide lobend erwähnt hat und ich wäre eigentlich gerne in das moderne von beiden eingekehrt. Aber da war gar nicht auf. Das Restaurant hatte komplett zugemacht. Eine Passantin war im Bilde, sie hat unsere Irritation bemerkt, vielleicht habe ich auch erwähnt, dass auf der Internetseite nicht ersichtlich war, dass das Lokal zugemacht hat. Sie meinte, das wäre auch noch nicht lange, erst vor kurzem. Das zahlkräftige Publikum hat sich wohl nicht in ausreichender Zahl mehr eingefunden, zuletzt. Schade. Dann also ein paar Häuser weiter, zum Ofenloch. Das Ellas am nahen Judenplatz hätte mich ursprünglich auch interessiert, aber beim Anschauen der Speisekarte im Schaukasten war der Eindruck eher, als handelt es sich um ein Lokal wo man nur einen kleinen Imbiss zu sich nimmt und sonst eher trinkt. Vielleicht war das ja ein Irrtum. Wenn ich heute auf die Karte schaue, sind da richtige Menüs im Angebot.




Jedenfalls war das sehr traditionsbewußte Ofenloch ein Garant für beste Qualität der Speisen. Auf der Seite vom Ofenloch liest man: "Hier trinkt man Bier seit 1704". Es wäre also gut vorstellbar, dass Albin Denk dort auch einmal eingekehrt ist. Man kann schon auch einmal in einer rustikalen Gastwirtschaft essen. Mir war nicht mehr genau präsent, was wir gegessen haben, an ein Wiener Schnitzel konnte ich mich erinnern, aber nicht, ob ich es bestellt habe oder Duke oder wir beide jeder eins. Aber dass ich es probiert habe und es ausgezeichnet war, weiß ich noch. Auf der Rechnung steht aber drauf, was wir gehabt haben. Und so zu lesen auf der Speisekarte:

~ Steirischer Backhendlsalat
Erdäpfel- und Blattsalat in Kürbiskerndressing
mit goldgelb gebackenen Hühnerstücken


~ Gebratene Forelle
mit Mangold und Safransauce

~ Wiener Schnitzel vom Kalb
mit Preiselbeeren und Erdäpfel-Vogerlsalat

~ Budweiser vom Fass


Das war alles sehr schmackhaft und der Service überaus freundlich. Auf dem Weg zum WC ist der Vorraum mit vergilbten Zeitungsausschnitten mit Prominenten drauf tapeziert. Wenn mal besetzt ist und man sich die Zeit vertreiben muss, kann man da viel lesen und Fotos anschauen. Sämtliche österreichische Bundeskanzler scheinen gerne im Ofenloch zu speisen. Aber auch Schauspieler und österreichische Prominente, die man in Deutschland jetzt nicht so kennt. Eine sichere Adresse für ein gutes Wiener Schnitzel. Nicht so plakativ überdekoriert wie der Figlmüller in der Wollzeile, eher diskret und unaufgeregt, trotz der Zeitungsausschnitt-Galerie beim WC. Auf der Rechnung steht die Uhrzeit 20:59 Uhr. Also noch recht früh. Ich glaube, wir waren ungefähr zweieinhalb Stunden da. Bei der Gelegenheit habe ich Duke erzählt, dass ich durch eine Erwähnung von André Heller auf das Lokal aufmerksam geworden bin und dass schon solche Erwähnungen zur gastronomischen Infrastruktur in Wien, für meine Begriffe komplett rechtfertigen, sich mit diesem Wiener näher zu beschäftigen. Ich nutze ihn sozusagen als Quelle für Wiener Einwohner-Wissen, zumal er ja auch noch in Wien geboren ist. Das war für Duke auch vollkommen nachvollziehbar, dass man sich mit so jemandem beschäftigt, nicht weil man Fan von jemandem ist, sondern weil er interessante Sachen zu erzählen hat, die andere nicht in der Stadt erlebt haben. Er war ja zum Beispiel vor seiner Karriere als Chanson-Sänger Radio-DJ beim ORF und ist so überhaupt bekannt geworden und hat dann durch seine beruflichen Kontakte erste Schritte mit eigenen Musikproduktionen gemacht.



Wie die Jungfrau zum Kind gekommen. Und deswegen hat er auch John Lennon und Yoko Ono im Sacher zu einem exclusiven Interview getroffen und war später auf dem Weg zum Flieger mit ihm auf dem Zentralfriedhof bei den großen Komponisten, wo John Lennon dann einen Schnürsenkel aus seinem Schuh gezogen hat, um ihn dem Schubert als Ehrerbietung aufs Grab zu legen, weil er nichts anderes dabei hatte, was er hätte hinlegen können. Das sind einfach hörenswerte Geschichten. Das mit dem Schnürsenkel hat Duke auch gut gefallen. Er war direkt gerührt, das habe ich gemerkt. Er versteckt das aber dann auch nicht. Daheim, in der Ferienwohnung sind wir dann noch lange am Tisch in der Küche gesessen und haben weiter erzählt und Musik gehört. Ich glaube auch die sechs Heller-Lieder, die ich auf meinem Rechner habe.



Das war ganz schön. Es hat einfach gepasst. Und da war ja noch so viel Wein, der wollte ja auch endlich einmal getrunken werden.

: : alle Wiener Geschichten : :
speedhiking - Do, 6. Nov, 19:37

Diese Wien-Berichte, werte Gaga, sind einfach nur schön!

g a g a - Do, 6. Nov, 20:12

Danke sehr.

(Ich freu mich, dass wer liest. Mir gefallen die Einträge selber, man schreibt es ja auch für sich, zum besser Erinnern und als Würdigung. Ich schreibe nämlich kein privates Tagebuch nebenher, nur das hier, im Internet. Es gibt auch keine Reisenotizen. Keine einzige. Wenn ich die Bilder anschaue und mich ein bißchen konzentriere, fällt mir alles wieder ein. Also fast... und die Fotos kann man ja vom Datum her einwandfrei zuordnen, das hilft sehr.)
arboretum - Fr, 7. Nov, 13:45

Klar, liest die wer.
g a g a - Fr, 7. Nov, 14:10

Also schon zwei. Wobei ich glaube, kid37 liest auch noch manchmal heimlich mit. Er hat auch schon mal kommentiert. Kein Wunder, er fährt ja dauernd nach Wien und kennt sich aus und wird kontrollieren, dass ich keinen allzu großen Unfug schreibe. Hauptsächlich schreibe ich die detaillierten Einträge für Leser und Leserinnen, die noch nie in Wien waren oder nicht so richtig. Damit man sich gut vorstellen kann, wie es ausschaut und ob man sich für sich selber vorstellen könnte, da mal hin zu fahren. Durch aufwändige Blogeinträge habe ich zum Beispiel auch für mich herausgefunden, dass es Städte gibt, in die es mich überhaupt nicht zieht oder eben halt doch.
arboretum - Fr, 7. Nov, 19:36

Das ist auch sehr lobenswert, denn ich war noch nie in Wien - sieht man einmal davon ab, dass ich dort auf dem Rückweg von Budapest einmal umgestiegen bin.
g a g a - Sa, 8. Nov, 02:30

Das freut mich total! Ich kann mich sehr gut in jemanden einfühlen, der nur mal ganz kurz da war weil ich 1981 oder 82 ungefähr zwei Stunden Aufenthalt in Wien hatte, auf dem Hin- oder Rückweg ins Burgenland zu der fürchterlichen Sex-Kommune von Otto Mühl! Aber das ist ein Kapitel für sich. Jedenfalls erinnere ich mich nur, dass es eine schöner Sommertag war, und da viele Bäume waren. Und ich irgendeinen Fahrschein für so eine Art Trambahn gelöst habe. Mehr nicht. Und ganz diffus barocke Häuserfassaden... Wien ist jedenfalls für mich dermaßen eine Reise wert, nachdem ich da war, dass ich schon eine geheime Liste im Kopf führe, wo ich das nächste mal überall hinwill... so schön...!
arboretum - Sa, 8. Nov, 09:22

Für Exkursionen mit der Trambahn blieb damals keine Zeit. Nur Bahnhof, der hinterließ aber keinen bleibenden Eindruck.
g a g a - Do, 6. Nov, 20:34

(für die Freunde von Literaten-Zitaten)

"Von allen Löchern - an denen in der Wienerstadt kein Mangel herrscht - ist mir das Ofenloch das weitaus liebste."
Friedrich Torberg, Gästebuch

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