01. Oktober 2024



NOW AND THEN. Herbst 2024, Herbst 1967. Siebenundfünfzig Sommer später. Neunundfünfzig und zwei Jahre alt. Ich kann mich noch an den Stoff von dem Wollcape erinnern, das ich als Kleinkind hatte. Die Farbe nicht mehr genau. Dunkelgrau? Aber den Stoff, ein Lodenstoff. Und ich glaube es war eine Zickzack-Litze irgendwo dran. Vielleicht dunkelgrün. Überhaupt erinnere ich mich immer wieder an Kleiderstoffe und Stoffmuster aus meiner Kleinkindheit. Ein Paisley-Sommerkleidchen aus leichtem Baumwollstoff in Goldgelb- und Lila-Tönen. Und einen schwarz-weißen Kapuzen-Anorak mit kleinem Hahnentrittmuster und Reißverschluss. Sehr schick. Wenn ich den nochmal in einer Kiste finden würde, bräche ich bestimmt in Tränen aus. Da fällt mir eine Szene dazu ein. Mein Bruder und ich hatten von Mama eine riesige-Papp-Waschpulver-Trommel bekommen, in meiner Erinnerung fast so groß wie ein Ölfaß, in Wirklichkeit natürlich kleiner. Ich hatte genau den Anorak an, es war bestimmt Herbst, und wir ließen uns abwechselnd die Einfahrt darin herunterrollen. An seinen Anorak kann ich mich überhaupt nicht mehr erinnern.



Außerdem weiß ich noch genau, dass ich alle Strickjacken aus tiefstem Herzen hasste. Sie waren alle kratzig und irgendwie uncool. Aber Strickjacken anziehen war ein Muss. Eine für den Sommer war zitronengelb und hatte am Ende der Ärmel ein oder zwei Streifen in weiß und lila und alberne, goldene Knöpfe. Sie war aus Polyester oder einem anderen ekligen Garn gestrickt, nicht selbst, sondern gekauft und total kratzig. Selber gestrickte mochte ich genauso wenig, weil Wolle auch kratzig war. Ich habe noch heute eine totale Abneigung gegen Strickjacken mit Knöpfen. Unangenehm und hässlich! Genauso wie kratzige Wollstrumpfhosen mit zu kurzen Beinen, wo der Zwickel in der Mitte der Oberschenkel hängt, wenn man sie nicht dauernd nach oben zieht. Bäh! Eigentlich habe ich mich fast gar nicht verändert!

30. September 2024



Das war der September.

29. September 2024



Lieblingsexponat, last but not least: Skulptur "Aufstrebend", Edelstahlguß, 1969 von Volkmar Haase (1930 - 2012). Auch hier keine strikte Auswahl nach der Entstehung in den Siebzigern, aber vielleicht in der Dekade erworben. Wikipedia zu Volkmar Haase: "(...) Sein bildhauerisches Werk widmet sich ausschließlich der abstrakten Skulptur. In seinen Arbeiten befasste sich Haase, neben den grundlegenden Themen der abstrakten Kunst, insbesondere mit Themen der griechischen Mythologie wie z. B. Laokoon, Ikarus oder Skylla und Charybdis. Man kann seinen Skulpturen in Göttingen, Witten, Nürtingen, Bremerhaven, Hannover, Wolfsburg, Duisburg und anderswo begegnen. An Berliner Straßen und in Berliner Parks finden sich über 40 zum Teil monumentale Skulpturen. Museen wie das Museum of Modern Art in New York City oder das Wilhelm-Lehmbruck-Museum Duisburg haben Werke von Haase in ihrer Sammlung." Sehr beeindruckend.



29. September 2024



Noch einmal zu Barbara Quandt. Hier ist ihr Bild in der Ausstellung, eine Lithographie nach einer Zeichnung zu sehen. Auf der Erklärtafel steht "Ohne Titel". Sie erzählte mir, wie es zustande kam, was da genau zu sehen ist. Ihr Lebensgefährte zur damaligen Zeit, 1978, war ein Riesen-Fußballfan. Wenn ein Spiel im Fernsehen kam, musste geguckt werden. Sie langweilte sich bei Fußball und beschäftigte sich währenddessen damit, ihren Liebsten zu zeichnen. Sie wollte Zweisamkeit erleben, auch um dem Preis, einem langweiliges Fußballspiel beiwohnen zu müssen.



Mir gefällt der Humor, der aus dem Bild herausspringt. Aber so richtig repräsentativ für ihr malerisches Werk der Siebziger kommt es mir nicht vor, wenn ich an die bemalten Leinwände mit lebensgroßen, wilden Figuren mit Zottelmähnen und punkigen Lidstrichen denke. Es wurden (leider) nur Werke aus dem Galeriebestand gehängt. Vermutlich getragen von Kostenersparnis.

29. September 2024





Bernward Reul im Gespräch mit Gernot Bubenik. Über ihn ist bei Wikipedia zu erfahren: "Gernot Bubenik (* 1942 in Troppau) ist ein bildender Künstler. Er ist tätig in der Malerei, Siebdruck und Radierung, Objekte zum Thema Kunst und Wissenschaft. (...) 1967 erhielt er den Deutschen Kritikerpreis und 1968 den Preis der Grafik-Biennale Tokio. Seine Werke aus den 60er bis 70er Jahren befinden sich in hochangesehenen Sammlungen wie z. B. die des Museums of Modern Art, New York. (...) Gernot Bubenik war maßgeblich an der Gründung der Künstlersozialkasse beteiligt."



Der für die Eröffnung engagierte Fotograf Piotr Bialoglowicz steht vor einem von drei charakteristischen Pflanzen-Bildern Bubeniks.

29. September 2024



Auch eine schöne Begegnung so nah am Fehrbelliner Platz: der Maler Hans Stein und sein Bild vom Fehrbelliner Platz. In der Ausstellung ist noch mindestens eines, wenn nicht zwei weitere Gemälde von ihm, die mich sofort ansprachen. Was ich ihm mitteilte und was ihn sichtlich erheiterte. Wieder erfahre ich im Nachhinein dank Wikipedia bemerkenswerte Details zum Werk. Nämlich: "Hans Stein (*17. November 1935) ...deutscher Maler u. Grafiker. Mit seinen zahlreichen Arbeiten zum Thema Berlin wird er oft als künstlerischer Chronist dieser Stadt bezeichnet. (...)" Aha!





29. September 2024







"Strauß Mappe", Weggefährten: Ulrich Baehr, Wolfgang Petrick.



[Zitat]

Strauß Mappe

Druckgrafiken von 32 Künstlern. Solidaritätsaktion für den Berliner Karikaturisten Rainer Hachfeld

21. April–22. Mai 1972

Rainer Hachfeld ist wegen einer Karikatur von Franz-Josef Strauß in Prozesse verwickelt worden. Da ihm der finanzielle Ruin droht, haben sich 32 Künstler zusammengetan, um ihm zu helfen. Die Strauß-Mappe ist vor allen Dingen ein Akt der Solidarität, und zwar in zweifacher Hinsicht: erstens soll durch den Verkauf der Mappe Geld für die Prozeßkosten bereitgestellt werden, zweitens bestehen die beteiligten Künstler mit Hachfeld auf dem Recht, die antidemokratischen Tendenzen des Franz Josef Strauß darzustellen und zu interpretieren.



Pressestimmen

Rhein-Zeitung, 4.5.1972 (Jürgen Beckelmann)
“Siebzigtausend Deutsche Mark soll der Berliner Karikaturist Rainer Hachfeld zahlen, weil er auf einem Plakat den CSU-Vorsitzenden so darstellte, dass dessen Arme und Beine ein Hakenkreuz bildeten. Strauß klagte, Hachfeld verlor, und um seine Prozesskosten decken zu helfen, schlossen sich 32 Künstler zusammen. Gemeinsam gaben sie ene Strauß-Mappe heraus, die seit einigen Tagen in Berlin und 15 westdeutschen Städten ausgestellt ist, so in München, Düsseldorf, Kiel, Tübingen und Göttingen. Die Grafikfolge, in 165 Exemplaren zum Preis von je 635 Mark aufgelegt, ist bereits restlos vergriffen.
Quelle



Anmerkung: Anfang der Achtziger Jahre besuchte ich, anlässlich einer Wahlkampfrede von Franz-Josef Strauß auf dem Nürnberger Hauptmarkt, mit einer Freundin eine Gegenkundgebung unter dem Motto "Stoppt Strauß" am selben Ort. Die dortige Wahlkampfrede Anno 1983 erinnert der damals sechzehnjährige heutige Ministerpräsident Markus Söder (CSU) als sein Initiationserlebnis, sein Idol FJS betreffend. Anschließend habe er sich ein Plakat mit dem Konterfei von Strauß besorgt und überm Bett von seinem Zimmer im Elternhaus aufgehängt, da er ihn cool fand. (Ich nicht;-))

29. September 2024





Mehr Petrick. Wikipedia: "Wolfgang Petrick (* 12. Januar 1939 in Berlin) ist ein deutscher Maler, Grafiker und Bildhauer. Von 1975 bis 2007 war er Professor für Bildende Kunst an der Hochschule der Künste Berlin, inzwischen UdK. Wolfgang Petricks Werk spiegelt den in den 1960er Jahren erneuerten Kritischen Realismus und aktualisiert ihn mittels dystopischer Bildmotive und Installationen." Hier am 22.09.2024 vor einer seiner Radierungen.

29. September 2024



Die sind doch recht akzeptabel, ohne Fehl und Tadel. Sowohl die Bilder, als auch Abgebildete: B. Quandt, J. Sobottka, W. Petrick





29. September 2024



Ja, Jan: einige meiner Fotos sind nicht scharf. Aber so charmant.



Zu schade für den Papierkorb. Wer wollte hier widersprechen?



v. links n. rechts: Barbara Quandt, Jan Sobottka, Wolfgang Petrick

29. September 2024







Die Autorin Barbara Quandt. Ja, auch das. Als berufene Fachfrau in Sachen Autobiographien kann ich beurteilen, dass hier eine geborene Schriftstellerin ihre Erinnerungen festgehalten hat. Eine der kurzweiligeren Autobiographien in meiner umfangreichen Bibliothek dieses Genres. Ich habe keine einzige Seite gelangweilt überblättert. Wer Interesse hegt, ein wildes, hemmungsloses Künstlerleben einer echten Berliner Pflanze durch die Sechziger und Siebziger und Achtziger bis in die Gegenwart lesend zu begleiten, greifen Sie zu. Das Buch heißt "Tell me what is Art" und ist 2016 im Kerber-Verlag erschienen. Es wird zwar als vergriffen ausgewiesen, aber ich habe es bei Amazon gefunden. Oder auch direkt über Kontakt zu Barbara Quandt noch erhältlich. In der Ausstellung ist es nicht verfügbar, ich hatte mein Exemplar eigens mitgebracht, da ich mir recht sicher war, dass sie käme. Es war eine ebenso schöne Begegnung wie beim ersten mal, letztes Jahr bei der Zeitgeister-Ausstellung, wir hatten gleich einen Draht!









29. September 2024







Und immer für Fotos zu haben! Dass Barbara Quandt keine Scheu vor der Kamera hat, konnte ich auch ihrer lesenswerten Autobiographie entnehmen, in der manche experimentelle und mitunter freizügige Fotos-Session in freier Wildbahn beschrieben wird. Nicht nur auf sicherem, vertrauten Terrain in Berlin, weltweit!



29. September 2024



Keineswegs tot, sondern vollständig lebendig: die große, umtriebige Barbara Quandt, ebenfalls in der Ausstellung mit einem Bild vertreten und leibhaftig zur Eröffnung erschienen. Über sie ist eine Menge im Internet zu finden, Wikipedia weiß so einiges und eine eigene Seite hat sie auch. Ich vermisste in der Ausstellung wenigstens eines ihrer sinnlichen, farbexplosiven, großen Formate.





29. September 2024







Zurück zur Ausstellung "Polyphonie". Ich fotografierte die ausgestellten Werke von August Jäkel und Siegfried Kischko. Die Künstler habe ich nicht einfangen können. Sicher wären sie gerne gekommen. Aber sie sind tot. Schon 33 bzw. 34 Jahre. Der Wikipedia-Eintrag für Jäkel weiß gar nicht, dass er 1990 gestorben ist. Siegfried Kischko hat leider keinen, von ihm ist die Grafik "Galactus". Eines der Werke, das meine frohen Erwartungen an die Ausstellung erfüllte. Es gibt nicht sehr viele Verweise zu ihm im Internet. U. a. wird auf der Wikipedia-Seite zur legendären ersten Berliner Produzenten- bzw. "Selbsthilfe"-Galerie "Großgörschen 35" erwähnt, dass er dort 1966 eine Einzelausstellung hatte, aber mehr auch nicht. Die Galerie wurde vor sechzig Jahren von ambitionierten Künstlern in einer Schöneberger Fabriketage in Selbstverwaltung eröffnet. Sie hatten keine Lust darauf zu warten, dass sie eine etablierte Galerie als relevant erachtet und wurden tätig. Die Produzentengalerie bestand vier Jahre, bis 1968, und "hatte Modellcharakter", wie es bei Wikipedia heißt. Das also ist unter einer Produzentengalerie zu verstehen - wer es nicht wusste.

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